Unter dem Titel "Steinbrück muss Milliarden sparen" liest man heute, dass wohl bis 2015 an die 10 Mrd. Euro jährlich "eingespart" werden müssen, damit ab 2016 die gerade beschlossene Schuldenbremse funktionieren kann. Und weiter liest man, wie schwierig das sein dürfte! Mir scheint, dass sich da in der Politik wie auch in der öffentlich-offiziellen Wahrnehmung ein nicht unerheblicher Realitätsverlust rasant ausbreitet. Ja Realitätsverlust bei den politisch Herrschenden, das ist neben vielen subtanziellen Ursachen, m.E. der Hauptgrund für den derart rasanten Zerfall der DDR vor 20 Jahren gewesen. Warum dieser drastische Vergleich? Nun, wurden nicht gerade zig, ja hunderte Milliarden an für IKB, HRE, die unsägliche Abwrackprämie diverse Banken Eigenkapitalhilfen, Krediten und Bürgschaften verteilt? Und dann soll unser Haushaltsproblem ganze zehn Mrd. jährlich sein? Doch nun zu weiteren konkreten beängstigenden Parallelen: Bekanntlich hat die DDR eine Politik der Stabilen Preise verfolgt. Zumindst in Bezug auf Mieten, einfache Lebensmittel aber z.B. auch Grundstückspreise und einiges Mehr hat das auch einigermaßen funktioniert: das Brötchen kostete 5 Pfennig, das 3-Pfund-Brot kostete 93 Pfennig, für knapp 100 Mark konnte man eine vergleichsweise komfortable 3-Raum-Wohnung (inkl. NK natürlich) mieten und ein Siedlungsgrundstück (900m²) miteinem kleinen unsanierten Einfamilienhaus gab es tatsächlich für 20000 Mark der DDR (von privat). Auf der anderen Seite gab es "Luxus"-Artikel wie Kaffee, Damen-Strumpfhosen oder einigermaßen aktuelle Elektronik-Artikel, die häufig ein vielfaches des im Westen üblichen freien Preises kosten. Auf den allgemeinen Mangel an vielen Artikeln und Dienstleistungen als Folge der Abkehr von Marktmechanismen möchte ich hier gar nicht weiter eingehen. Neben den bisher genannten EVP (Einzelhandels-Verkaufspreis) gab es noch Industriepreise, die zwar auch über längere Zeiträume konstant gehalten wurden, dann aber in zentralistisch organisierten Aktionen (sog. Industriepreisändereungen kurz IPÄ) den Gegebenheiten angepasst wurden. Dies führte natürlich unmittelbar dazu, dass die Subventionen an der Schnittstelle zwischen beiden Preissystemen ebenfalls angepasst (i.d.R wohl angehoben) werden mussten. Es gab also zwei Preissysteme in einer Währung, der DDR-Mark. Extrem problematisch ist dies natürlich, wenn sich die Geldkreisläufe vermischen. Und das passierte Ende der Achtziger immer stärker. Beispiel: 1988/89 kostete ein einigermaßen aktueller PC (DOS, 4.7MHz 8086, 512kB RAM, 20 MB Festplatte) aus DDR-Produktion inkl. Monitor und Drucker um die 80 000 DDR-Mark (Industriepreis) und war auch noch extrem schwer (limitiert) zu bekommen für die interessierten Betriebe. Zur gleichen Zeit kostete ein etwas leistungsfähigerer Billig-PC (DOS, 8MHz 8086, 640MB RAM, 32 MB Festplatte) im Westen wohl etwa 3 000 DM. Da die DDR-Betriebe überwiegend keine DM zur Verfügung hatten und mit ihrer Industrie-DDR-Mark auch nicht von privat sondern nur von VEB's kaufen durften, hatten sie keine Chance die begehrten weil leistungsfähigeren und vor allem lieferbaren West-PC's zu kaufen, obwohl im Westen 5 DDR-Mark in 1 DM umgetauscht wurden. Doch dann passierte folgendes: Der "VEB An- und Verkauf" erhielt die Genehmigung mit neuwertiger Ware aus dem Westen zu handeln und dabei Preise nach weitgehend marktwirtschaftlichen Prinzipien festzulegen. Damit wurden die beiden DDR-Mark-Kreisläufe im großen Stil vermischt! Dort kostete nun ein Scheider-PC aus dem Westen inkl. Monitor und Drucker wohl an die 60 000 DDR-Mark und war für die DDR-Betriebe damit recht günstig. Woher die PC's im An- und Verkauf kamen? Von Leuten, die klever waren und Reisen durften ( DDR-Reisekader, Renter(?), Bundesbürger(?) ). Aufgrund des mit Hilfe des inoffiziellen Umtauschkurses (anfangs noch ca. 1:5, wenig später ca. 1:8 !!!) zu erzielenden horrenden Gewinns war das die Gelddruckmaschine für den kleinen Kreis der Profiteure und den "VEB An- und Verkauf", nur nicht für die DDR-Volkswirtschaft und die normalen Bürger. Zeitgleich gab es natürlich die Prager Botschaft und die Leipziger Montagsdemonstrationen und weniger als ein Jahr später war die DDR Geschichte! Heute wird wieder behauptet, dass die wirklich großen Summen (Fantastilliarden) nicht in den Konsum fließen sondern wieder abgeschöpft werden oder als Gewinn oder Rückzahlung zurückfließen und öffentlich wird wahlkampfwirksam eine Schuldenbremse verabschiedet. Da Frage ich mich doch nach den Motiven für solche Behauptungen, totaler Realitätsverlust oder bewusste Täuschung? Und, welche der beiden Möglichkeiten ist schlimmer? Natürlich hat das genannte Beispiel nicht unmittelbar mit den heutigen Zuständen zu tun, aber es zeigt, wie die Dinge eine Eigendynamik entwickeln, wenn man aus welchen Gründen auch immer (Gezwungenermaßen, Realitätsverlust, Selbstüberschätzung) die Prinzipien verlässt, auf denen das eigene System beruht! Da wird mir doch gerade richtig schlecht... Gruß Dshhn