Wenn die Alpen gülden glüh'n In den österreichischen Alpen gibt es Gold in Hülle und Fülle. Die Frage ist nur, ob sich der Abbau des Edelmetalls lohnt. Von Jakob Klein Tief unter den österreichischen Alpen glänzen die Felswände frisch gelb vom Kupfererz. Zur Decke hin färbt es sich grün, oxidiert durch die eindringende Feuchtigkeit. Das Gold aber sieht man nicht. Etwa vier Gramm pro Tonne gibt es hier, im Kupferbergwerk Larzenbach. Auf die hatte es Johann Raith abgesehen. Mehrere faustgroße Proben hat Raith an die Montanuniversität Leoben nordwestlich von Graz mitgenommen. Unter dem Mikroskop funkelte eine beachtliche Menge des begehrten Edelmetalls. Doch von den millimetergroßen Goldflittern ließ sich der Professor für Geowissenschaften nicht blenden. Matt, das Licht fast gar nicht reflektierend, gab es in dem Gestein noch viel aufregendere Partikel, die die weltweite Goldgewinnung verändern könnten. Sie sind so unscheinbar, dass sie bisher niemandem aufgefallen waren. Doch Raith und sein Kollege Harry Kucha ahnen: Sie haben es mit einer unbekannten Goldverbindung zu tun. Nur eine Hand voll chemischer Verbindungen mit Gold wurden bisher weltweit gefunden. Eigentlich ist das Metall so edel, dass es nur träge mit anderen Elementen reagiert. Nun haben Raith und Kucha mittels Atomspektrometrie und Mikroproben-Analyse Gold-Oxy-Sulfide nachgewiesen. Die Moleküle aus Wasser, Schwefel und Gold könnten die Goldsuche seit langem erschwert haben, sagt Raith. Denn sie können zu massiven Problemen bei der Aufbereitung von Golderzen führen. Weniger tief als in Afrika In großem Stil wird Gold dort abgebaut, wo Arbeitskräfte billig und Umweltschutz zweitrangig sind. 3777 Meter in die Tiefe reichen die Schächte der Mine Savuka in Südafrika. Hier schlagen die Arbeiter das Erz bei 55 Grad Celsius aus dem Stein. Während oberirdisch riesige Maschinen und moderne Technologien wie Satellitenortung dominieren, bleibt der Tagebau selbst harte körperliche Arbeit. 40 Prozent aller Goldvorkommen werden hier vermutet. Wie feiner Goldstaub legen sich die Vorkommen des begehrten Edelmetalls aber auch über eine Alpenkarte. Nur acht Gramm Gold finden sich in einer Tonne Gestein in Savuka, da sind die Werte in Südafrika und Österreich nicht weit auseinander. In den Alpen gibt es mancherorts Vorkommen von 18 Gramm pro Tonne; zum Beispiel im Nationalpark Hohe Tauern nicht weit vom ehemaligen Kupferbergwerk Larzenbach entfernt, in dem die Professoren die neuen Verbindungen entdeckt haben. Schon die Kelten haben das Edelmetall in den österreichischen Alpen geschürft, und im 16. Jahrhundert war die Region Salzburg einer der größten Goldlieferanten Europas. Bis in die 1970er-Jahre wurde Alpengold noch kommerziell abgebaut. Denn die Vorkommen sind leichter zugänglich als das besonders tief liegende Gold in Savuka. Der hohe Arbeitslohn und der Naturschutz machten die Goldgewinnung in Österreich aber schließlich unrentabel. Ob die neue Entdeckung die Ausbeute beim Goldabbau erhöhen könnte? Womöglich so stark, dass sich ein Abbau in den Alpen wieder lohnt? Kucha hat einen ersten Beleg dafür gefunden, dass die Gold-Oxy-Sulfide den Tagebau behindern: Eine Mine im Mount Todd in Australien musste nach kurzer Zeit schließen, weil der Ertrag zu gering war, obwohl es zweifelsfrei genügend Gold gab. Auch hier kamen die Gold-Oxy-Sulfide vor. Die Verbindungen könnten die chemischen Reaktionen bei der Goldgewinnung stören, vermuten die Forscher. Denn um das Metall aus dem Erz auszulösen, wird dieses fein gemahlen und mit Zink, Sauerstoff und großen Mengen hochgiftiger Cyanidlauge behandelt. Die Gold-Oxy-Verbindungen aber sind im Gegensatz zum Golderz leicht oxidierbar. „Deshalb könnten sie den Sauerstoff verbrauchen, der eigentlich für die Goldgewinnung benötigt wird“, sagt Raith. Würde man die Gold-Oxy-Sulfide, die nur bis 250 Grad Celsius stabil sind, aber zuvor durch Hitze zerstören, wäre die Ausbeute vermutlich höher. Raith und sein Kollege Kucha glauben, dass die Störenfriede in den Goldminen weit verbreitet sind. „Das ist nicht abwegig“, sagt auch der Geochemiker Joachim Bechtel von der Universität Bonn. „Die Alpen gleichen in ihrer Entstehung vielen anderen Kollisionsgebirgen.“ Er könnte sich einen Abbau in den Alpen vorstellen, wenn der Goldpreis weiter steigt. Das löst bei Hans Bogenreiter düstere Visionen aus: „Dann würde der Großglockner Stück für Stück gesprengt, und riesige Halden aus zermahltem Gestein würden mit giftiger Cyanidlauge getränkt“, erzählt der Geschäftsführer der Gesellschaft für bedrohte Völker in Wien und hält sich dabei an das reale Vorbild des Grasbergs in West-Papua. „Die schlammigen Massen würden in die Alpentäler hinabströmen und sich durch die Ortschaft Heiligenblut wälzen. Schwermetalle würden die Äcker des oberen Mölltals vergiften.“ Ohne Rücksicht auf die Natur In den Abbaugebieten der Welt gehen die Gold-Gesellschaften keineswegs zimperlich mit der Natur um. Ohne Rücksicht auf die Rohstoffvorräte der Erde würden die Minenbetreiber ohnehin einen Großteil des Goldes auf die Halden kippen. Deshalb würde die Störwirkung der Gold-Oxy-Sulfide die Konzerne auch kaum interessieren, meint Eberhard Glock. Der Aufbereitungstechniker hat früher in einer österreichischen Mine gearbeitet, in der auch Gold gefördert wurde. Nun ist er Professor an der Bergbauakademie Clausthal. „Die Cyanidlaugen sind so schlecht eingestellt, dass die Minengesellschaften ohnehin nur 70 Prozent Goldausbeute erreichen. Das genügt ihnen offenbar.“ Allerdings könnten die Gold-Oxy-Verbindungen auch selbst als Goldquelle dienen, wenn große Vorkommen gefunden werden, hoffen die Entdecker. Denn die Sulfide haben einen ungewöhnlich hohen Goldanteil von bis zu 50 Gewichtsprozent. In den anderen wenigen Verbindungen, die bisher bekannt sind, kommt viel weniger Gold vor. Trotzdem warnt Professor Raith davor, jetzt loszufahren, um in den Hohen Tauern nach Gold-Oxy-Verbindungen zu suchen: „Wir wissen noch nichts über die Mengen. Es ist eindeutig zu früh dafür, Hacke und Spaten im Baumarkt zu kaufen.“ www.sueddeutsche.de [URL:http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/160/26134/]