Kritik: Markus Bechtel auf goldseitenblog

  • http://www.goldseitenblog.com/…1/mit-zins-und-zinseszins


    Nun schreibt Herr Bechtel zum zweiten Mal einen wirklich großen Mist über den Zins und Zinseszins, diesmal schaltet er vorsorglich die Kommentarfunktion aus, um keinen weiteren, berechtigten Sturm der Entrüstung auszulösen, richtiger wird seine wirre Argumentation dadurch aber nicht:


    Herr Bechtel behauptet zusammengefasst, nicht der Zins sei das Problem, sondern der Zinseszins. Dies sei aber ein rein juristisches Problem, man könne einfach §248BGB streichen und das Problem sei gelöst!


    Mir als Physiker und Mathematiker stehen die Haare zu Berge. Der Zinseszins ist nichts anderes als auch nur ein Zins, nämlich der Zins auf einen (einst erhaltenen) Zins. Wenn man den Zinseszins abschaffen will, muss man den Zins abschaffen, da nützt kein Streichen von irgendwelchen Paragraphen im Gesetz. Der Zinseszins ist eine zwingende Folge des Zinses und er lässt sich nicht losgelöst vom Zins abschaffen. Punkt.


    Und bevor wieder irgendwelche obskuren Argumentationen kommen, ein unter den Kommentaren gefundenes Beispiel:


    Ein CD-Verleih verleiht eine CDs zu 5% Mietzins des Anschaffungswertes und kauft von den Einnahmen weitere CDs, die er wieder zu 5% Mietzins verleiht, usw usw. Er hat somit nur Zins eingenommen, keinen Zinseszins. Wirklich???
    Natürlich nicht, sein CD-Angebot und seine Einnahmen steigen exponentiell nach. Zins und Zinseszins eben. Und wenn er genug CDs hat, dann kauft er meinetwegen ein Haus und vermietet dieses zu einem eintsprechenden Mietzins. Wieder nur ein Zins? Natürlich nicht! Das Haus wurde schließlich bereits von Zins und Zinseszins gekauft.


    Wie Herr Bechtel nun den Zinseszins losgelöst vom Zins als Schuldigen ausmacht und diesen juristisch getrennt vom Zins elimieren will, dass wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben.


    Minos

  • Sehe ich genauso. Der Wegfall des Zinseszinses (der ja auch nicht wirklich wegfällt) bewirkt höchstens, dass diese Exponentialfunktion sich ein wenig langsamer entwickelt. So oder so zeigt der Graph einer Exponentialfunktion irgendwann nahezu senkrecht nach oben.Herr Bechtel täte gut daran sich ein wenig mehr mit Zins- und anderen Exponentialfunktionen auseinander zu setzen bevor er weitere Artikel darüber schreibt.

    „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.”
    Mahatma Gandhi

  • abc @all


    Im Prinzip ist das kein Thema, das mal eben kurz im Forenmodus auf den Punkt gebracht werden könnte. Die Zins(rechtfertigungs)debatte ist fast so alt wie die Menschheit. Seit 3000 Jahren wird Zins genommen, auch mal verboten, das Verbot auch mal umgangen und stattdessen "Gebühren" oder schlicht Gewinnanteile geboten (Scharia-Banking heute).


    Ich selbst beschäftige mich seit über 10 Jahren mit fast allen Aspekten des Themas und mit allen denkbaren Zinsrechtfertigungskomponenten (Zeitpräferenz, marginal time preference, Risikoerwartungskomponente, Inflationserwartungskomponente, Inflationsausgleichskomponente, usw.). Zudem analytisch, historisch und empirisch mit den Zins-Verboten und ihren Folgen, sowie mit den so oft gehörten Behauptungen bzgl. "bei der Geldschöpfung nicht mitkreiertem Zins" bzw. "Exponentialfunktion des Zinseszins" usw.


    Und doch habe ich mich in all den Jahren und trotz x Anfragen im Blog und in fast jeder Veranstaltung nicht wirklich getraut, das Zinsthema GRUNDLEGEND zu diskutieren, wie es M Bechtel hier nun wagte (und mE absehbar im Blog nicht zum Erklärungsziel kommen konnte).


    Das Thema ist hochideologisch und seit Hunderten von Jahren von Geldtheoretikern jeder Couleur verhunzt mit Positionen, die man alle hinterfragen kann. Ich selbst kann hier nur meinen pragmatischen Standpunkt darlegen, der da lautet:


    1. Es sollte mE weder mathematisch noch ideologisch ein Dissens zwischen uns herrschen, dass die RISIKOkomponente des Zinses -also die mathematische Wahrscheinlichkeit auf Kreditausfall- gerechtfertigte Zinsnahme darstellt (ohne diesen Risikoausgleich wäre schlichtweg niemand mehr bereit, Geld zu verleihen, es gäbe keinen FK-Markt mehr, mit allen Konsequenzen, also zwingend komplette EK-Finanzierung aller Großinvestitionen) - und dass DIESE Zinshöhe auch nicht inflationstreibend wäre, weil durch den statistisch stabil berechenbaren Ausfall von Krediten (samt Zinsforderungen ddarauf) bei Insolvenzen der finanzierten Projekte mit Erwartungswert iHv zB 5% keine irgendwie "überschüssige", "vagabundierende" Geldmenge im System bleibt! Hier wird annähernd genau so viel aus dem Nichts geschöpftes Kreditgeld wieder ins Nichts zurückbefördert wie eben wegen der Insolvenz KEINE Güter neu geschaffen wurden. Damit kommt die erwähnte Exponentialkurve nicht ins Laufen und das System wäre stabil.


    2. Damit sind die so unglaublich vehement und fundamental, fast religiös geführten Zinsdebatten reduziert auf die o.g. ANDEREN Zinskomponenten AUSSER der Risikokomponente. HIER kann man m.E. lange streiten - ein Streit, der seit biblischen Zeiten tobt, der sogar die Österr. Schule durchzieht (Mises vs Menger) - und der mE nicht den großen Kern des Problems trifft, wie wir ihn seit 1913 haben. Hier http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=21331 hatte ich dazu mal folgendes gesagt:


    Zitat

    Der „österreichische“ Weg zurück zu einer nachhaltigen und wieder fairen Gesellschaft führt nach meiner Überzeugung nur über „gutes Geld“! Er kann leider erst nach der Ausbuchung der durch jahrzehntelange Aufschuldung entstandenen Vermögensüberhänge greifen. Nach dem enteignenden und chaotischen Währungscrash als Folge ungedeckter Währungen werden die Menschen ähnlich wie im Herbst 1923 nach einem Geldsystem schreien, das irgendwie wieder Stabilität verspricht. Das ist dann endlich wieder die Stunde entweder des glaubhaft gedeckten staatlichen GoldSilber-Gelds (persönlich nur meine second-best Variante, die hoffentlich nur für eine kurze Übergangszeit genutzt werden muss) – oder besser noch die Stunde des freien Geldwettbewerbs ohne jedes staatliche Monopolgesetz, bei dem wirklich jeder berechtigt zur Geldemission ist, was natürlich aus rein praktischen Gründen sehr schnell zu einem Wettbewerb von vielleicht 2 bis 4 Währungen führen würde – ein problemlos ohne Chaos beherrschbarer Zustand!


    Solches Geld, in Verbindung mit dem Verbot jedes Fractional Reserve Bankings, verunmöglicht ungerechte, da ungedeckte Geldschöpfungs-Gewinne – und erst recht deren Multiplikation. Es verhindert auch das völlig ungerechtfertigte heutige Mega-Problem der Zinsnahme auf fraktional geschöpftes und damit nur virtuell existierendes Geld. Dieser real existierende Dauerbetrug hat seit 1913 Hunderte von Kriegen und gesellschaftlichen Verwerfungen finanziert. Er ist der größte Skandal der Neuzeit – und er macht meines Erachtens 95 bis 99% des so heiß diskutierten „Zinsproblems“ aus!

    Ein möglicher Nachteil dieser Variante b) liegt entgegen gerne verbreiteten Mythen damit weder in der „zu knappen (Gold) Geldmenge“ noch im „nie mitkreierten Zins“, sondern vor allem darin, dass die Welt nach 100 Jahren Fehlentwicklung endlich wieder lernen müsste, innerhalb ihrer Verhältnisse zu leben.


    => Wir werden diese Jahrtausenddebatte nicht hier im Forum ausdiskutieren können. Trotzdem hat diese Threaderöffnung ihre Berechtigung. Ich nehme mal mit, dass ich irgendwann in absehbarer Zeit AUCH EINMAL einen grundlegenden Artikel zum Zinsthema schreiben werde (was ich seit Jahren bewusst bzw. aus Feigheit vermeide), dessen pragmatische Hauptthese oben im Wirtschaftsfacts-Interview jedoch schon skizziert wurde. Im heutigen 21. Jhdt haben wir zu 98% ein Problem des illegitimen Zinses auf illegitim aus dem Nichts per fractional banking geschöpftes Geld! DAGEGEN verblassen rein quantitativ derzeit alle Fundamentaldebatten zu den anderen Zinsproblemen. Schaffen wir erst das fractional Betrugs-Banking ab und die Monopolzwangsgeldgesetze gleich dazu. DANN können wir die letzten 2 Problemprozent auch noch angehen.


    My 2 Cents, heute (gleich KA-Urteil zum ESM) keine Zeit für mehr, Grüße P. Boehringer, GS-Blog

    Erst wenn die letzte Bank pleite, der letzte Staat ruiniert, die letzte Währung wertlos geworden ist, werdet Ihr merken, dass man Gold nicht drucken kann.

    6 Mal editiert, zuletzt von Pauli ()

  • die kritik an m. bechtel bezieht sich nur auf die aussage, dass die entfernung des paragraphen 248 aus dem bgb den zinseszins beseitigen würde. dem ist nicht so. dazu bedarf es auch keiner langen ausführungen. wenn ich im jahr 2011 zinsen gezahlt habe, zahle ich auf diese zinsen in 2012 wieder zins und ebenso in 2013.....
    die rechtfertigung des zinses ist davon nicht betroffen. diese hat wiederum nur ganz am rande mit dem zinseszins zu tun, denn der zins trägt den zinseszins in sich. zins ohne zinseszins geht praktisch nicht, wenn ich nicht zwischen verzinslichem geld und zinslosem zinsgeld unterscheide.

  • goldmob: ja, das stimmt, da habt ihr recht. Meine etwas umfassendere Ergänzung bezog sich v.a. auf abc´s Eintrag, in dem mE zurecht angedeutet wird, dass eine Zinsdebatte noch VIELE andere Aspekte als nur den (hier im Thread m.E. korrekt dargestellten) von Zins-/Zinseszins/§248BGB beinhalten müsste. Wollte euch hier gar nicht kritisieren - nur ergänzen und euch die GRÖSSE der monumentalen Aufgabe einer wirklich umfassenden Zins-Analyse andeuten. Ich verspreche Wiedervorlage ;)

    Erst wenn die letzte Bank pleite, der letzte Staat ruiniert, die letzte Währung wertlos geworden ist, werdet Ihr merken, dass man Gold nicht drucken kann.

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  • Zitat

    Der Zinseszins ist eine zwingende Folge des Zinses und er lässt sich nicht losgelöst vom Zins abschaffen. Punkt.

    Stimmt!

    Zitat

    Wie Herr Bechtel nun den Zinseszins losgelöst vom Zins als Schuldigen ausmacht ...

    Von Schuld zu sprechen, (eventuell von Schuldigern), ist nicht angebracht. Zins ist losgelöst von der Realität eine Beschreibung von immerwährendem Wachstum und stellt in parameterabhängigen Zeitperioden das Tauschmittel Geld als Äquivalent für die Warenwirtschaft in Frage. Zins und der abhängige Zinseszins sind abhängig vom Faktor Zeit.

  • Hallo Minos,


    soweit ich verstehe, geht es um Wucher bzw. sittenwidrigen Zins im Kreditgebaren. Ich kann ein Zinseszinsverhalten eindämmen, wenn über die Laufzeit der Kreditvergabe ein Zinseszinsverbot vereinbart wird. Die Infinitesimaleigenschaft der Mathematik entspricht keinesfalls der Realität von Vertragsabschlüsen im unendlich Kleinem. Sprich in Worten, eine Laufzeit hat etwas mit Vertrag und Unterschrift zu tun. Ich vergebe eine Kreditsumme über eine sinnvolle Laufzeit, da nicht im Stundentakt unterschrieben werden kann.


    Das heißt, eine stetige Verzinsung innerhalb einer Zeitperiode ist in unser menschlichen Realität nicht machbar. Mathematisch im Grenzwertverfahren kein Problem und für die Vireninfektion im Körper ist die Funktion über das zeitliche Wachstumsverhalten der Viren in einem engen Zeitraum gut beschrieben. Aber auch hier gibt es Grenzen, denn entweder ist der Wirt nach der Zeit x tot oder das Verhalten wird mittels e hoch -x Abwehrverhalten in die Schranken verwiesen.


    Selbstverständlich steht nach der Vertragslaufzeit dem Gläubiger das Anfangskapital + Zinsen zum erneuten Vertragsabschluß zur Verfügung, Damit kommt automatisch der Zinseszins zum Tragen. Wenn 100 Euro auf einem Sparbuch zu einem Nominalzinssatz zu 1% in einem Jahr angelegt werden, bekomme ich nach einem Jahr 101 Euro gutgeschrieben. Im Folgejahr schlagen natürlich 101 Euro zu Buche, so daß die gezahlten Zinsen sodann Zinseszins abwerfen. Deshalb kann Zinseszins vom Zins nicht getrennt werden.


    Wenn die Zinsen so hoch sind, daß ein Schuldner die Zinsen gar nicht abtragen kann, ist so ein Vertrag auf jeden Wucher :D. Solche Grenzen sind auf für mich unscharf. Beispiel Griechenland.

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