Wie weit ist es, bitte schön, noch bis zur Krise?
Prosit Fallera!
Die guten Wünsche für das Neue Jahr begleitete bei Vielen dieses Mal ein ironisches und banges Verlegenheitslächeln. Man ahnt, daß es im allgemeinen verkehrt läuft, weiß aber nicht, wie das zu ändern wäre. Die einen sehen die Finanzkatastrophe, den Zusammenbruch des Dollarsystems auf uns zu kommen, die anderen einen weiteren Nahostkrieg und die Dritten fürchten demnächst mit kaltem Hintern im Dunklen zu sitzen, weil sie die Strom- und Ölrechnung nicht mehr bezahlen können.
Die Tatsächlichkeit der bedrohlichen Alternativen wird vor allem mit zwei Argumentationsketten begründet:
1. Mangel an Rohstoffen. Um den zu rechtfertigen, wird ihre Knappheit, die Gefährlichkeit der Kernenergie und schließlich die Möglichkeit einer Klimakatastrophe durch die Nutzung fossiler Brennstoffe in die Köpfe der Fernsehgucker getrommelt.
2. Weltweiter Terrorismus. Gegen den könne man sich angeblich nur mit Polizeistaatmethoden außerhalb des bisher gültigen gesetzlichen Rahmens schützen. Der Bürger müsse das gefälligst dulden.
Unbeachtet bleiben die Möglichkeiten, die im letzten Jahrhundert enorm gestiegene Produktivität endlich zum Wohl und zur Versorgung der Menschen einzusetzen, statt zu ihrer Beherrschung und Verblödung.
Die Angst vor der Finanzkatastrophe speist sich aus der bangen Befürchtung, die gewaltigen Defizite der USA und Schulden ihrer Bürger ließen sich auf Dauer nicht finanzieren. Ist das richtig? Die USA sind der Weltimporteur "of last resort". Ihrer Nachfrage verdanken die asiatischen Tigerstaaten und China den Auf- und Ausbau ihrer Produktionskapazitäten, weil ihnen ein Finanzkonzept für die sinnvolle Entwicklung der Binnennachfrage noch fehlt oder sie mit einer entsprechenden Umstellung vielleicht aus macht- und wehrtechnischen Gründen noch zögern. Doch steht dem Leistungsbilanzdefizit der USA von rund 65 Mrd. US$ ein Kapitalzufluß von rund 90 Mrd. US$ gegenüber. 80% der in der Welt gemachten Ersparnisse finanzieren über die Versorgung der USA das Weltfinanzsystem. Niemand außer Gewinnabsicherungserwartungen scheint die Besitzeliten der Welt zu zwingen, ihre Ersparnisse in die USA zu schaffen.
Exporteure in die USA werden mit billig gedruckten Dollars bezahlt. Diese dienen zum Kauf erstens der immer teureren Rohstoffe, die fast nur gegen Dollar gehandelt werden, zweitens von US-Wertpapieren, weil und solange sie eine bessere Rendite abwerfen als andere Papiere und drittens um Produktionsstätten nahe am Absatzmarkt also in den USA zu errichten (also zu investieren), was sich in manchen Fällen trotz höherer Löhne wegen Einsparungen bei Transport und beim Ärger mit Einfuhrauflagen rentieren kann. Solange die Dollars auf dem Weltmarkt bleiben oder sich nur im Wertpapierhimmel tummeln oder in den USA Arbeitsplätze schaffen, gibt es keinen Grund der US-Elite das Defizitsystem zu ändern, zumal sie sich über ihre FED-Banken ihr Geld in nahezu beliebigen Mengen selbst drucken können. Die FED achtet (als quasi Bretton Woods II) nur darauf, daß sich die Währungskurse ein einer allgemein tolerierten "Schlange" bewegen.
Gefahr ist gegeben, wenn Dollars für den Erwerb oder Verkauf von Rohstoffen unerheblich werden, oder der Güterabsatz in die USA ins Stocken gerät.
Der Rohstoffmarkt kommt in Bewegung. Ich meine nicht den spekulativen Preisanstieg, mit dem die Geldschöpfer die Umverteilung zu ihren Gunsten nachbessern, sondern den russisch-ukrainischen Erdgas-Deal. Als Aufnahmebedingung hat die Welthandelsorganisation von Rußland verlangt, die Rohstoffe künftig zu Weltmarktpreisen abzugeben. Das sollte - wie geschehen - den Zerfall des Ostblocks beschleunigen. Als die Russen das gegen die Ukraine nach der us-finanzierten Orange-Revolution umsetzen wollten, gab es Ärger. Putin und die Russen wurden wieder mit der Kalte-Krieg-Propaganda eingefärbt. Der Kompromiß kam rasch: Rußland erhält zwar - wie von der WTO bestimmt - den derzeitigen Weltpreis von rund 230 US-Dollar pro Normgasmenge, die Ukraine zahlt dafür aber nur rund 95 Dollar. Den Rest finanziert Rosukrenergo, eine Firma mit Sitz in der Schweiz, die zur Hälfte der Gasprom-Bank und zur anderen Hälfte der Raiffeisenbank Österreichs gehört. Die Finanzierung ist alles andere als durchsichtig, aber alle Beteiligten bejubeln den Übergang "vom Basar zum Markt". Die WTO kann nichts einwenden. Auch das gestörte russisch-ukrainische Verhältnis sei durch den Deal wieder ins Lot gebracht worden, heißt es. Zur Einsicht dürfte Victor Yuschenko, dem Wunsch-Ukrainer der USA, das Engagement der EU-Bürokraten verholfen haben, denn die Bürokraten ließen möglicherweise wieder erkennen, daß ihnen ihrer Energieversorgung wichtiger ist, als das außenpolitische Spiel ihres Großen Bruders.
Auch die Atomrüstung des Irans Sorge spielt herein. Wie gehabt legten (laut Reuters vom 4.1.2006) die Verbündeten der USA einen 55-seitigen Bericht vor, der "beweist", daß es der Iran auf Atomwaffen abgesehen hat, was in der Nachbarschaft von Israel und Pakistan nicht ganz unverständlich wäre. Trotzdem ähneln die eigentlichen Massenvernichtungswaffen des Iran denen des Irak in auffälliger Weise. Der Iran hat (ähnlich wie einst Hussein) für März 2006 angekündigt, in Zukunft Öl auch gegen andere Währungen und nicht nur gegen Dollars verkaufen zu wollen. Das hat wegen des US-Embargos gegen den Iran zunächst wohl geringere Auswirkungen. Aber wie lange werden sich andere Staaten daran halten wollen? Die Barter-Geschäfte, also der geldlose Güterverkehr, der neuerdings zwischen Rußland, Brasilien, China, Indien und dem Iran abgewickelt wird, läßt an der Wall Street die Alarmglocken ebenso schrillen wie die überraschende Entschuldung der großen Schuldner des Intern. Währungsfonds. Die Zurückzahlung von Bankschulden löst Fiat-Money in Nichts auf - und den Bankeneinfluß.
Jetzt verstehen Sie vielleicht, weshalb im Wall Street Journal und der Financial Times am 3. Januar ähnlichlautend gefordert wird, Rußland wieder aus der G8-Runde hinauszuwerfen, oder weshalb der Sprecher des US Außenministers Sean McCormack laut Reuters vom 4. Januar warnte "jeder weitere Schritt des Iran in Richtung auf Uran-Anreicherung" werde Maßnahmen der "Völkergemeinschaft" zur Folge haben, oder weshalb die Briten 3.000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan und dort an die Iranische Grenze verlegen - sie werden nicht unbedingt den Opium-Anbau in dieser Gegen zu schützen haben. Auch die Tatsache, daß das russische Militär die neuen Topol-M Raketen, gegen die in den USA angeblich noch kein Kraut gewachsen sein soll, dieser Tage in den Dienst nimmt, könnte man in diesem Zusammenhang sehen.
In der Washington Times warnt der Israeli, Prof. Ephraim Inbar, am 4. Januar, Israel bliebe wohl keine andere Wahl, als einen Nuklearangriff des Iran abzuwarten oder dem durch einen eigenen Angriff auf die iranischen Atomanlagen vorzugreifen. Dagegen vertritt Prof. Raymond Tanter (Mitglied des Sicherheitsrats zu Reagans Zeiten) laut UPI die Meinung, daß Militärschläge gegen den Iran nichts brächten. "Um das zu Erreichen (Schutz vor dem Iran) muß man einen Regimewechsel im Iran in Gang bringen und iranische Dissidenten und Exilanten befähigen und unterstützen, dahingehend im Land zu wirken". Die US-Mission "Demokratisierung der Welt" war und ist nie uneigennützig. In diesem Kontext verwundert die "Dummheit" des Iranischen Präsidenten, eines ausgebildeten Ingenieurs und auch sonst kein Dummkopf, mit markigen Sprüchen, die USA und Israel zu provozieren. Spielt er ein "chicken game": "Nehmt Euch in Acht, ich hab noch was in der Rückhand, deshalb bin ich so frech".
Die Frage lautet, was läuft schneller, der Kriegseintritt der jetzigen Regierung oder ihr Sturz mit dem Impeachment der Personen Bush und Cheney. Vorwände dazu haben die Betroffenen geradezu genug geliefert und sie bekennen sich ganz offen zu ihren Machenschaften (Bosten Globe vom 4. Januar). Die Presse darf diese inzwischen lautstark erörtern. Paul Craig Roberts, immerhin ein stellvertretender Schatzamtschef unter Reagan nennt die jetzige Regierung "a criminal administration" und vergleicht 9/11 mit dem Reichstagsbrand der NS-Regierung von 1933 (http://www.antiwar.com), während die New York Times am 4. Januar sich darüber erregt, daß der Justizminister Alberto Gonzales, die verfolgt, die der Presse Hinweise über die kriminellen Machenschaften der Regierung (illegale Bespitzelung der US Bürger durch die NSA) zugespielt haben, und nicht die Verantwortlichen in der Regierung.
Das war einer der aktuellen Detonatoren. Der andere ist die Binnenkaufkraft in den USA, die die Geldzirkulation am Laufen hält. Im Wallstreet Journal vom 3. Januar berichtet der Chef-Ökonom von Goldman Sachs, US-Bürger hätten im Jahr 2005 noch 887 Mrd. US$ an neuen Hypotheken aufgenommen, nicht um Wohnungen zu bauen, sondern um ihren Lebensstandard zu finanzieren. Im Jahr 2006 könnten sie aus finanztechnischen Gründen (wegen Überschuldung) allenfalls noch 225 Mrd. US$ aufnehmen. Gleichzeitig verlangen neue Finanzregeln in den USA, daß Kreditkartenüberziehungen künftig mit Zahlungen von 4% statt bisher 2% der Forderungen auszugleichen sind. US-Kreditkartenbesitzer schieben durchschnittlich einen Schuldenbetrag von 9.000 US$ von Monat zu Monat vor sich her. Kein Wunder, daß (nicht nur) der Verkauf von Automobilen in den USA einbricht. Wall Street Journal klagte am 4. Januar, "Zig Millionen Amerikaner" werden davon [den neuen Regeln] betroffen und "wenn die Banken nicht aufpassen, werden sie eine Menge Konkurse und Zwangsbankrotte erleben".
Dinge, die sich nicht verkaufen lassen, werden auch nicht importiert. Die FED, die das Defizitsystem als modernes Tributsystem betreibt, wird sich etwas Neues einfallen lassen müssen. Wie läßt sich die Masse der US-Bürger mit Kaufkraft ausstatten, ohne ihr Geld zu schenken und dadurch die Marktmoral zu zerstören. Der Neue Finanzzar überlegt den Geld-Abwurf von Hubschraubern, aber wird der Weltmarkt derart abgeworfenes Geld weiterhin begehrlich aufnehmen wollen? Euro und Yen gründen ihre "Sicherheit" auf Dollarbestände. Wann wird Sie Ihr Bäcker nur auslachen, wenn Sie das Brot mit Euro bezahlen wollen, und statt dessen den Wert ihrer Uhr oder Ohrringe abschätzten? "So weit wird es die Elite nicht kommen lassen!" - Haben Sie sich die (unabhängig von den Medien) einmal näher angesehen? Prost Neujahr!