Der Nickelpreis auf abschüssiger Bahn
Zusehends stärker werdende Selbstversorgung Chinas
Der Nickelpreis, der in den zwei vergangenen Jahren deutlich zugelegt hatte, ist seit Jahresmitte ins Schleudern geraten. Mit zu dieser Entwicklung beigetragen hat die weltweite Verlangsamung in der Stahlproduktion. Ins Gewicht fällt auch, dass China sowohl bei Stahl als auch bei Nickel einen höheren Eigenversorgungsgrad erreicht.
Fdr. Vancouver, Mitte November
Nickel gehört im Sprachgebrauch der London Metal Exchange (LME), wo es hauptsächlich gehandelt wird, im Gegensatz zu Kupfer und Aluminium und zusammen mit Blei, Zink und Zinn zu den sogenannten kleinen Metallen bzw. zu jenen, deren Umsatz vergleichsweise gering ist. Dieses «kleine Metall» konnte in diesem Herbst zwar das im Vorjahr während der traditionellen «LME-Week» erlittene Preisdebakel vermeiden, kam indessen nicht restlos ungeschoren davon. Der Dreimonats-Durchschnittspreis stellte sich im November noch auf rund 11 600 $ je Tonne ein, was im Vergleich zum Vormonat, als er bei etwas über 12 400 $/t lag, immerhin einer Einbusse um rund 6% gleichkam. Noch einen Monat früher, im September, hatte der vergleichbare Durchschnitt bei über 14 000 $/t gelegen; seit Anfang Juni, als der höchste Preis seit Jahresbeginn bei 16 625 $/t gelegen hatte, beträgt die Einbusse mittlerweile rund 30%. Gegenüber der Entwicklung in den beiden Vorjahren ist das eine bemerkenswerte Trendumkehr.
Verzögerte Preisreaktion
Dennoch kam die bisherige Preisentwicklung des Metalls im laufenden Jahr für viele überraschend spät. In den Jahren 2003 und 2004 hatte sich der Nickelpreis nämlich um nicht weniger als 42,4% bzw. um 43,7% verbessert. Gegen Ende 2004 hatte dann aber Russland damit begonnen, substanzielle Mengen an Nickel aus den eigenen Vorräten zu verkaufen - der grösste Teil dieses Materials wurde ins LME-Lagerhaus von Liverpool geliefert -, und noch Anfang Januar war damit gerechnet worden, dass der Preis deshalb relativ rasch einen drastischen Einbruch erfahren würde. Die LME-Vorräte standen zum Jahresbeginn bei rund 21 000 t. Das russische Marktmanöver war aber in seiner Grössenordnung offensichtlich überschätzt worden. Denn sobald diese Lieferquelle ausgetrocknet war, fielen die LME-Vorräte bis Mitte März wieder auf rund die Hälfte und bis Mitte Mai gar auf 5000 t; das entsprach einer Nachfrage der westlichen Welt von nicht einmal mehr 0,3 Wochen. Gleichzeitig kündigten Grossproduzenten wie die kanadische Inco und die russische Norilsk entgegen früheren Erwartungen nur gerade minime Mehrproduktionen an. Dementsprechend stellte sich im Nickelmarkt eine eindeutige «Backwardation»-Situation ein, bei welcher der Preis für sofort lieferbares Material (Cash-Preis) auf rund 17 650 $/t schnellte.
Geringere Produktion von rostfreiem Stahl
Seither sind die LME-Vorräte wieder auf fast 20 000 t angeschwollen; was die Preise letztlich zum Fallen zwang, war die globale Verlangsamung im Bereich der Produktion von rostfreiem Stahl, welche normalerweise rund zwei Drittel der Nickelproduktion absorbiert. Dabei sind allerdings starke regionale Unterschiede zu verzeichnen; in den USA blieb die Stahlnachfrage vorerst stark, und nur gerade Europa und Asien verzeichneten im zweiten Halbjahr einen spürbaren Einbruch. Laut neuesten Zahlen dürfte die weltweite Stahlproduktion im laufenden Jahr dennoch um rund 5,7% zunehmen, nach einem Plus von nicht weniger als 15,8% im ersten Quartal. Gleichzeitig berichtet die International Nickel Study Group (INSG) von anhaltender Überversorgung am Nickelmarkt, die im ersten Halbjahr 23 500 t betragen haben soll. Der Ausstoss der Bergwerke kletterte in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,6%, und die Raffinerieproduktion stieg um 3,8%, während die globale Nachfrage gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 1% gefallen ist. Ein grosser Teil dieser Verschiebung ist - wie bei anderen Basismetallen auch - letztlich auf das Verhalten der Volksrepublik China zurückzuführen.
Eigene chinesische Versorgungskette
China, dessen Wirtschaftswachstum immer noch bemerkenswert ist, wird in Schlüsselbereichen zusehends weniger von Importen abhängig, baut es doch seine eigene Versorgungskette auf. Während die chinesischen Nickelimporte noch im ersten Halbjahr im Jahresvergleich um 31% gestiegen sind, fielen sie im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um rund 28%. Darin manifestiert sich nicht nur eine stetig grösser werdende Produktionskapazität für Stahl, sondern auch für Nickel. Inco, die zu den Grosslieferanten gehört, hielt unlängst fest, dass der chinesische Selbstversorgungsgrad für das raffinierte Metall mittlerweile bei rund 50% liegt. Diese Entwicklung musste früher oder später auf den Markt durchschlagen. Ein weiterer Grund für die rückläufige Preisentwicklung ist zudem das steigende Stahlangebot in Form von Schrott. Gleichzeitig argumentierten einzelne Beobachter, die Preiskorrektur bei Nickel werde in dem Moment stärker werden, da andere Basismetalle schwächer würden. Gemeint ist damit vorab Kupfer, das zwar im Moment immer noch nach oben drängt, das aber früher oder später auf einen Abschwung wartet.
Schliesslich darf nicht unerwähnt bleiben, dass die jüngste Preisentwicklung auf die Absicht der Produzenten, ihren Ausstoss zu erhöhen, zumindest vorläufig keinen Einfluss gehabt hat. Nach wie vor sind eine Reihe von Grossprojekten in der Pipeline, und die Konsolidierungswelle in der Branche hält an. Die kanadische Inco hat unlängst ein Übernahmeangebot für den Konkurrenten Falconbridge unterbreitet, was dazu führen dürfte, dass die neue Inco den bisher Branchengrössten, die russische Norilsk Nickel, überholen dürfte, wobei der Ausstoss von 333 400 t per 2005 bis 2009 auf über 453 000 t steigen dürfte. Auch Norilsk dürfte bei Gelegenheit das Niveau von 250 000 t im Jahr übersteigen. Die brasilianische Companhia Vale do Rio Doce (CVRD) baut ihr eigenes Projekt (Niquel do Vermelho) offensichtlich weiter aus und hat vor kurzem ein Übernahmeangebot für die kanadische Canico Resource Corp. unterbreitet, welche in Brasilien aktiv ist. Generell wird für den Nickelmarkt der nächsten Zukunft ein ausserordentlich differenziertes Bild erwartet. Einerseits sind die geplanten Produktionserweiterungen zeitlich näher gerückt, anderseits dürfte im Jahr 2006 davon noch nicht allzu viel realisiert sein. Ein unerwarteter Umschwung in der Stahlproduktion könnte daher sehr rasch wieder ein Preisniveau von 15 000 $/t herbeiführen. Dennoch prognostiziert beispielsweise Metal Bulletin Research für 2006 einen generell nach unten neigenden Preistrend, wobei der Preis je Tonne bis im Jahr 2007 durchaus unter 10 000 $ sinken könnte.
Vom Kupfernickel zum Stahlveredler
Fdr. Nickel, mit dem chemischen Zeichen Ni, gehört zur Gruppe der Eisenmetalle und verdankt seinen Namen, der ursprünglich auf «Kupfernickel» zurückgeht, dem Umstand, dass es eben trotz seiner Ähnlichkeit zum roten Metall kein Kupfer ist. In der Bergbausprache ist ein Nickel, das Wort geht etymologisch auf Nikolaus zurück, ein neckender Berg- oder Wassergeist. Nickel ist ein silberweisses, zähes, stark glänzendes Metall, das sich schmieden, walzen, ausziehen, schweissen und polieren lässt, doch ist seine elektrische Leitfähigkeit deutlich kleiner als jene von Kupfer. Weil es aber ausserordentlich korrosionsfest ist und sich leicht mit anderen Metallen legieren lässt, finden rund zwei Drittel der Weltproduktion in der Stahlveredelung Verwendung. Ein Einsatzzweck jüngeren Datums ist jener für wiederaufladbare Nickel-Kadmium-Batterien (NiCd-Akkus). Nickel findet sich grundsätzlich entweder in Nickelsulfid-Vorkommen (Inco in Kanada oder Norilsk in Russland) oder in den geologisch jüngeren sogenannten Laterit-Vorkommen in Australien, Kuba und Neukaledonien. Die grössten Reservelager sind denn auch in Australien (rund 36%) zu finden. Den Markt teilen sich einige wenige bekannte Namen: So produzierten Norilsk (Russland), Inco (Kanada), WMC (Australien), Falconbridge (Kanada), BHP Billiton und Eramet im Jahre 2003 zusammen 62% des Weltangebots. Die London Metal Exchange (LME) ist seit 1979 weltweit die wichtigste Nickelbörse; vorher war der Handel weitgehend von den Produzenten kontrolliert worden.
Quelle: http://www.nzz.ch/2005/11/24/bm/articleDCGBV.html
Gruß
mvd