Aufgrund des Interesses stelle ich das komplette Interview als Beitrag :)!!!!
Komplettes Interview vom 4. Mai 2005 / CASH – Die Wirtschaftszeitung der Schweiz
Nobelpreisträger Milton Friedman über mögliche Nachfolger über den US-Notenbankchef Alan Greenspan und die Pläne der amerikanischen Regierung, die Renten teilweise zu privatisieren.
CASH: Professor Friedmann, Ihr Freund Alan Greenspan tritt Anfang 2006 von seinem Amt als US-Notenbankchef zurück. Ist er ersetzbar?
Milton Friedman: Da bin ich mir nicht sicher. Ohne Frage ist er der erfolgreichste amerikanische Geldpolitiker aller Zeiten. Niemand hat seit der Gründung der Fed im Jahr 1914 so viel Preisstabilität mit so hohem Wirtschaftswachstum verbunden. Sein Gehirn arbeitet mit einer unerbittlichen Logik. Trotzdem versteht er es, sich konfus auszudrücken.
Ist das eine Tugend?
Andauernd wollen ihm Politiker vorschreiben, die Zinsen rauf- oder runterzusetzen – und er muss allen gerecht werden. Da zieht man sich am besten mit unklaren Formulierungen aus der Affäre. Liest man Greenspans frühere akademische Arbeiten durch, weiss man, wie eindeutig er sich artikulieren kann.
Wer kommt als Nachfolger in Frage?
Harvard-Professor Martin Feldstein, Fed-Gouverneur Ben Bernanke und der Ex-Finanzstaatssekretär John Taylor sind im Gespräch. Bernanke scheint allerdings aus dem Rennen zu sein, weil er vom US-Präsidenten zum Amt des Wirtschaftsberaters des Weissen Hauses berufen wurde. Taylor ist vielleicht noch zu jung für das Amt. Aber im Vergleich zu mir ist sowieso jeder zu jung.
Wer auch immer das Rennen macht: Befürchten Sie, dass der Wechsel zu unruhigen Zeiten in der Weltwirtschaft führen wird?
Greenspans Abgang kann einen Schock an den Finanzmärkten auslösen. Der amerikanische Präsident muss eine exzellente Persönlichkeit als Nachfolger bestimmen, damit es nicht zu Turbulenzen wie einem Kursverfall an den Börsen oder Hochschnellen der Zinsen kommt. Aber die US-Wirtschaft läuft so gut, dass sich die Störungen nicht schwer wiegend auswirken würden.
Was könnte sich bei der US-Notenbank ändern?
Viele Notenbanken in der Welt setzen sich Inflationsziele, um den Erfolg ihrer Arbeit zu messen. Ich wäre nicht überrascht, wenn die Fed sie dann auch einführen würde.
Was halten Sie von den Plänen des US-Präsidenten George Bush, die Renten zum Teil zu privatisieren?
Sie gehen mir nicht weit genug. Die Rentenversicherung muss vollkommen privatisiert werden. Derzeit nimmt man das Geld, das die Arbeitenden einzahlen, um die Rentner zu unterstützen. Was übrig bleibt, wird für andere Dinge ausgegeben. Damit unterscheidet sich die gesetzliche Rente nicht von einem Schneeballsystem.
Die Privatisierung ist selbst bei Republikanern nicht beliebt – schliesslich kommen auf die Regierung in den ersten 20 Jahren bis zu fünf Billionen Dollar an Mehrausgaben zu.
Die Kosten stellen ja keine neuen Schulden dar – denn der Staat muss die Renten de US-Bürger in Zukunft so oder so zahlen. Nur sind diese Verpflichtungen bisher nicht finanziert und gut vor der Öffentlichkeit versteckt. Mit den privaten Sparkonten würden sie finanziert. Das entspricht einer soliden Buchhaltung.
Solidität bringt nicht unbedingt Wählerstimmen. Unterschätzen Sie nicht den Widerstand?
Warten wir mal ab. Die Bush-Regierung wirft gerade die Propaganda-Maschine an. Früher war die Rente eine heilige Kuh, an die sich kein Politiker heranwagte. Aber die mangelnde Finanzierung wird immer sichtbarer. In ein paar Jahren gehen die Ersten Baby-Boomer-Generation in Rente. Das Verhältnis von Arbeitnehmern und Rentnern verschlechtert sich zunehmend.
Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Bushs Wirtschaftspolitik?
Dass er das Tabuthema Rentenversicherung angeht, verdient Respekt. Aber er gibt zu viel Geld aus – das ist furchtbar. Immerhin will er das jetzt ändern. Der neue Haushalt ist zwar nicht ideal, aber eine Verbesserung.
Der demokratische Präsident Bill Clinton erzielte in seiner Amtszeit einen Haushaltsüberschuss. Sind die Demokraten die besseren Schatzmeister?
Das hat nichts miteinander zu tun. Warum gab Clinton so wenig Geld aus? Weil die Republikaner im Kongress oder Senat die Mehrheit hatten. Sobald eine Partei – wie jetzt die Republikaner – überall das Sagen hat, gibt es kein Halten mehr.
Dann müssten Sie bei der nächsten Wahl 2006 für die Demokraten stimmen.
Unglücklicherweise. Leider treten die Demokraten auch für viele falsche Dinge wie soziale Sicherung, Mindestlöhne und mehr staatliche Regulierung ein.
Machen Sie sich sorgen über das wachsende Handelsbilanzdefizit der USA?
Nicht im Geringsten. Es stimmt: Wir importieren mehr, als wir exportieren. Ausländische Anleger legen allerdings ihre durch den Export erzielten Dollars in den USA an. Es ist allem Anschein nach das beste Land in der Welt, in dem man sein Geld arbeiten lässt. Wenn wir das Handelsbilanzdefizit eliminieren würden, hätten wir weniger Investitionen und weniger Wirtschaftswachstum. Unsere Schulden notieren in Dollar, wir können sie jederzeit bezahlen. Im Gegensatz zu Argentinien können wir so viele Dollars drucken, wie wir wollen.
In den Anleihenmärkten geht immer wieder die Angst um, dass Japaner und Europäer ihr Geld abziehen.
Wenn es dazu kommen sollte, wer würde den Schaden tragen? Die Ausländer müssten ihre Assets verkaufen und die Dollars in Euro oder in eine andere Währung umtauschen. Das würde den Dollarkurs nach unten treiben. Die Ausländer verlören riesige Summen – nicht die Amerikaner.
Amerikanische Konsumenten sind die Weltmeister im Schuldenmachen. Ist das auch kein Problem?
Die Amerikaner sparen so viel, wie sie wollen – und das ist gut so. Amerikaner sind reich genug und brauchen anscheinend nicht mehr für ihre Zukunftssicherung zurückzulegen. Man muss sich die Statistik genauer anschauen: Zwar ist die Sparrate sehr niedrig, aber in ihr wird nicht das steigende Nettovermögen der Amerikaner durch Kapitalgewinne aus Aktien, Anleihen oder Immobilien mit einbezogen.
Die Immobilienpreise schnellen tatsächlich nach oben. Hat sich eine Preisblase gebildet?
Man bemerkt eine Blase erst, wenn sie geplatzt ist. Sicherlich steigen die Immobilienpreise, aber das tund si seit rund 200 Jahren. Auf jeder Party reden alle über Immobilien – das könnte ein Warnzeichen sein. In der Aktienblase 1998 und 1999 sprach auch jeder über Aktiengewinne. Aber die Börsenblase war leichter zu erkennen, und sie war viel grösser als eine mögliche Immobilienblase. Zudem ist das ein anderer Markt: Man verkauft sein Haus nicht so schnell wie eine Aktie.
Der ansonsten schwache Dollar rappelte sich in den letzten Wochen im Vergleich zum Euro hoch. Wie wird sich der Wechselkur weiter entwickeln?
Der Dollar ist gegenüber den asiatischen Währungen über- und gegenüber dem Euro unterbewertet. Die wirtschaftliche Verfassung von Europa, vor allem von Deutschland, ist schrecklich. Ein schwacher Euro würde helfen und die Exporte ankurbeln.
Die Euroländer haben soeben den Stabilitätspakt aufgeweicht. Ist das bedenklich?
Nein, der Pakt war gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die ewigen Zahlentricksereien und das Gezerre um Überschreitungen der Drei-Prozent-Schuldengrenze haben letztlich die Glaubwürdigkeit des Euros untergraben – obwohl das Kriterium ökonomisch gesehen völlig aus der Luft gegriffen ist. Es wäre von Anfang an richtig gewesen, dem Markt zu vertrauen: Ein Land, das sich zu viel borgt, wird eben mit höheren Zinsen bestraft. Der Markt bringt jeden zur Vernunft.
Bleiben Sie bei Ihrer Vorhersage von 2002, dass in 15 Jahren der Euro-Verbund auseinander bricht?
Auf jeden Fall. Die Leitzinsen liegen zu niedrig für ein Land wie Irland, das stark wächst, und zu hoch für ein Land wie Deutschland, das mit der Rezession kämpft. Die innereuropäischen Streitereien nehmen schon jetzt stetig zu.
Ich hoffe, auf eine interessante Debatte hier im Forum rund um den Artikel!!