Dazu aus der heutigen FAZ Net:
Lebensversicherungen
Der schöne Schein trügt
31. Juli 2005 Es ist ein kollektiver Irrtum: Zwei von drei Deutschen haben eine Lebens- oder Rentenversicherung. Keine andere Police ist so beliebt. Dennoch gilt für die meisten: Sie haben das falsche Produkt gewählt.
„Ich kann eine Lebensversicherung niemand mehr guten Gewissens empfehlen”, sagt Wolfgang Scholl, beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) für Versicherungen zuständig. Sie sei zu unflexibel, zu intransparent, zu renditeschwach. Der seit Januar für Neuabschlüsse abgeschaffte Steuervorteil ist da noch eines der kleineren Negativargumente. Nach Berechnungen der Fachpublikation map-report büßen Versicherte mit hochdotierten Versicherungsverträgen dadurch nur rund 0,6 bis 0,8 Prozentpunkte Rendite ein. „Im kleineren Massengeschäft dürften steuerliche Auswirkungen sogar kaum noch meßbar sein”, sagt der Herausgeber Manfred Poweleit. Die Renditeunterschiede zwischen den Anbietern sind da bedeutend größer. Die Wahl des richtigen Versicherers kann daher den fehlenden Steuervorteil mehr als wettmachen.
Kein Fan der Versicherung
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Woche hoffen die Kunden, daß sich einiges zum Positiven verändert. Doch: „An der grundlegenden Ablehnung des Produkts ändert die Entscheidung so gut wie nichts”, sagt Scholl (siehe Kasten). Auch der Bund der Versicherten, der die Klage eingereicht und gewonnen hat, ist kein Fan der Versicherung und bekämpft sie seit Jahren.
Was stört die Kritiker? Geldanlage und Versicherung sollten getrennt werden, ist ein Hauptargument. Denn wer in einer Notsituation die Beiträge nicht bezahlen kann, muß dann nicht nur auf regelmäßiges Sparen verzichten, sondern er verliert auch den Risikoschutz. Gerade für Familien ist das gefährlich. Also lieber eine Risiko-Lebensversicherung zum Schutz von Partner und Kindern und den Rest direkt am Kapitalmarkt in Fonds oder Wertpapiere investieren, raten Experten. Aus dem gleichen Grund sollte auch die Berufsunfähigkeit in einer eigenen Police und nicht in Kombination mit der Lebensversicherung abgesichert werden.
Ledige wiederum bezahlen mit der Lebensversicherung den Todesfallschutz mit, obwohl sie im Normalfall keine Angehörigen haben, die sie absichern müssen. Die private Rentenversicherung hat diese Absicherung nicht und bot daher in der Vergangenheit oft eine höhere Rendite als die Lebensversicherung. Das ist für die Zukunft aber nicht mehr gewährleistet.
76 Prozent beenden den Vertrag vorzeitig
Immer wieder kritisiert wird auch die Inflexibilität. Wer lange vor Ende der Laufzeit an sein Geld kommen muß, hat Pech gehabt. In den ersten Jahren werden mit den Erträgen nur die Kosten des Abschlusses wieder hereingewirtschaftet, eine Kündigung würde daher viel Geld kosten. Und die kommt häufiger vor als gedacht. 76 Prozent beenden den Vertrag vorzeitig.
Auch bei den Renditen können die Versicherer nicht glänzen. Zum einen ist es völlig intransparent, wie die Anbieter die Überschüsse kalkulieren, die sie ihren Kunden zahlen, was auch das Verfassungsgericht kritisiert hat. Zum anderen schmelzen diese Überschüsse derzeit zusammen, weil die Zinsen so niedrig sind und die Aktienquote mit unter zehn Prozent zu gering ist, um das auszugleichen. Der Durchschnitt der Policen, die dieses Jahr ausbezahlt werden und zwölf Jahre liefen, verzinste sich daher nur noch mit 4,42 Prozent im Jahr. Die Spitzengesellschaften kommen fast alle aus Unternehmen auf Gegenseitigkeit, die Töchter multinationaler Finanzkonzerne sind bestenfalls Durchschnitt. Gerade für junge Leute wird eine deutlich höhere Aktienquote empfohlen.
Bei all den Mängeln - gibt es dann überhaupt noch jemanden, für den eine Lebens- oder Rentenversicherung Sinn machen kann? „Vielleicht für einen älteren Arbeitnehmer, der das Risiko einer Aktienanlage nicht mehr eingehen will, das Geld ganz sicher mehr als zehn Jahre nicht braucht und vielleicht vom Arbeitgeber noch einen kräftigen Zuschuß bekommt”, sagt Tom Friess, Geschäftsführer des VZ Vermögenszentrums.
Immerhin: Man kann mit der Police nichts falsch machen. 2,75 Prozent Mindestzins sind garantiert, verknüpft mit der Hoffnung auf ein bißchen mehr. Sparbriefe rentieren meist nicht besser, aber die Zinsen müssen voll versteuert werden. Bei Rentenfonds hingegen können sogar Verluste auftreten.
Für alle Anleger gilt: Wenn schon eine Lebens- oder Rentenversicherung, dann erst, wenn die vom Staat geförderten Möglichkeiten zur Altersvorsorge ausgeschöpft sind. Das heißt: Oberste Priorität haben die Riester-Rente und die betriebliche Vorsorge.
In der abgelaufenen Woche hat das Bundesverfassungsgericht zu Lebensversicherungen geurteilt. Es hat die Versicherer in mehreren Punkten kritisiert. Zum einen, weil sie bei der Berechnung des am Vertragsende zu zahlenden Schlußüberschusses nicht richtig rechnen. Sie müßten dabei wenigstens teilweise die stillen Reserven an die Kunden ausschütten.
Diese entstehen dadurch, daß Wertpapiere zu niedrigeren Kursen in den Büchern stehen, als sie derzeit wert sind. Zum anderen bemängeln die Richter, daß die Anbieter nicht transparent machen, wie sie ihre Überschüsse berechnen.
Schließlich kritisieren sie, daß eine vorzeitige Kündigung des Vertrages keine wirtschaftlich sinnvolle Option ist und es daher einen Wettbewerb um Lebensversicherungen kaum gibt. Bis Ende 2007 muß der Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Bis dahin gilt das alte Recht weiter. Wer jetzt eine Police abschließt, wird die Folgen des Urteils noch nicht spüren. Er muß aber vielleicht auch nicht zwei Jahre warten.
Gerade bei der Transparenz können die Anbieter schon vorher selbst für Veränderungen sorgen. Etwa, indem der Sparanteil sowie Kosten für den Risikoschutz, die Vermittlung und die Verwaltung getrennt ausgewiesen werden. Einige Versicherer werben damit schon jetzt.
Schwieriger wird es mit der Beteiligung an stillen Reserven. Es ist unklar, ob sie den Kunden wirklich nutzt. Werden sie an den Reserven beteiligt, sinkt der Risikopuffer für schwierige Zeiten an den Kapitalmärkten, wie sie die Versicherer gerade hinter sich haben.
Je kleiner das Polster, desto weniger Risiken dürfen sie eingehen. Das heißt, die Aktienquote muß möglicherweise niedriger liegen als wirtschaftlich sinnvoll. Darunter leidet die Rendite. (dys.)
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.07.2005, Nr. 30 / Seite 39
Bildmaterial: dpa/dpaweb
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