Eine recht erstaunliche Meldung gibt es heute aus Österreich.
Pröll argumentiert mit Finanzkrise
Finanzminister Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) strebt angesichts der Finanzkrise die komplette Verstaatlichung der auch für die Bankenkontrolle zuständigen Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) an.
Derzeit hält der Bund 70 Prozent der Anteile an der Zentralbank, die restlichen 30 Prozent liegen bei Banken, Versicherungen und Interessenvertretungen.
Pröll kündigte am Montag nach der ÖVP-Klausur in Altlengbach an, dieses Aktienpaket übernehmen zu wollen. Als Kaufpreis nannte er bis zu 50 Mio. Euro - also deutlich mehr als den Nominalwert von 3,6 Mio. Euro.
Verflechtungen haben "nichts mehr verloren"
Pröll begründete die geplante Vollverstaatlichung mit der Rolle der OeNB bei der Bankenkontrolle. Die Beteiligung der Banken und Interessenvertretungen an der Notenbank sei "historisch gewachsen", habe in der heutigen Finanzwelt aber "nichts mehr verloren", sagte der Finanzminister.
"Das ist es mir wert"
"Ich will, dass der Bund 100 Prozent an der Oesterreichischen Nationalbank übernimmt", betonte der Finanzminister. Um die derzeitigen Miteigentümer - vor allem den Raiffeisen-Konzern, die Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung und eine Holding, die die ehemaligen Anteile der Bank Austria verwaltet - auszukaufen, will er bis zu 50 Mio. Euro in die Hand nehmen: "Das ist es mir wert."
Wieso Preis so hoch?
Dass der Staat damit deutlich mehr bezahlen würde, als die Anteile nominell wert sind, begründete Pröll damit, dass auch der ÖGB und die BAWAG, die ihre Anteile nach der Beinahe-Pleite der Gewerkschaftsbank 2006 abgeben mussten, mehr bekommen hätten.
Auf Basis des damaligen Angebots sei ein Wert von 13 bis 14 Euro pro Nominale angemessen. Der Nominalwert des 30-prozentigen Aktienpakets beträgt bei einem Grundkapital der OeNB von zwölf Mio. Euro nur 3,6 Mio. Euro.
"Erstkontakte" mit den Miteigentümern habe es bereits gegeben, betonte Pröll und versicherte, er rechne nicht damit, dass sein Angebot abgelehnt wird. Die Aktionäre seien prinzipiell bereit, abzugeben, hieß es am Montag.
Noch kein Zeitplan
Einen Zeitplan für die angestrebte Vollverstaatlichung der Notenbank nannte das Finanzressort vorerst nicht. "Es kann schnell gehen". (Hervorhebung durch mich)Mit der Änderung der Eigentümerstruktur sind dann Änderungen auch im Generalrat (Aufsichtsrat) verbunden.
WKÖ: Derzeit keine Veranlassung
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) gibt sich noch abwartend. "Die Wirtschaftskammer Österreich hat derzeit keine Veranlassung, ihre Anteile an der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zu verkaufen. Wenn der Bund etwas von uns will, soll er ein Angebot legen", so WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser.
Die Notenbank sei für die Wirtschaftkammer aus standort- und wirtschaftspolitischer Sicht von großer Bedeutung. Da man von der Notenbank nicht geprüft werde, sei das Argument der Bankenkontrolle bei der WKÖ-Beteiligung nicht gegeben. Insofern habe man keine Eile bei einem möglichen Verkauf.
RZB: Sicher gesprächsbereit
Zweitgrößter Aktionär nach dem Bund ist Raiffeisen, davon mit 8,73 Prozent die Raiffeisen Zentralbank (RZB) direkt. Die Raiffeisen hatte sich lange Zeit gegen eine Abgabe ihrer Notenbank-Aktien gesperrt. Am Montag sagte RZB-Sprecher Andreas Ecker zur APA, "die RZB ist sicher gesprächsbereit, wenn auch die anderen Aktionäre ihre OeNB-Anteile verkaufen".
IV: Wenn der Preis stimmt
Gleichlautende Statements kamen von der Uniqa Versicherung sowie von der Industriellenvereinigung (IV), die 2,67 bzw. zwei Prozent an der OeNB halten. "Wenn der Preis stimmt" und es eine einheitliche Lösung gibt, "gehe ich nicht davon aus, dass wir Probleme hätten" zu verkaufen, sagte IV-Generalsekretär Markus Beyrer zur APA.
Das Nominale habe jedenfalls mit dem Wert der Anteile nichts zu tun. Für die Uniqa kommt es ebenfalls "auf die Bedingungen an", sagte ein Sprecher.
VIG: Grünsätzlich gut
Auch die Vienna Insurance Group (VIG) findet die Idee der Totalverstaatlichung "grundsätzlich gut" und sei prinzipiell bereit, ihren 0,47-Prozent-Anteil abzugeben, sagte VIG-Chef Günter Geyer der APA. Es sei nur eine "Frage des Preises".
Keine Stellungnahme abgeben wollte am Montag OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny, der zu einem BIZ-Treffen der Notenbank-Gouverneure in Basel weilt. Nowotny "äußert sich wie bisher nicht zu Eigentümerfragen", richtete sein Sprecher aus.
Erfreut über Pröll-Vorstoß
Prölls Vorschlag hat offensichtlich viele Väter.
Die Opposition steht dem Vorstoß von Finanzminister Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ganz zu verstaatlichen, positiv gegenüber, auch der Koalitionspartner SPÖ signalisierte Zustimmung.
SPÖ: Erster Baustein
"Die Vollverstaatlichung ist ein erster Baustein für eine neue Finanzarchitektur, in der Kontrolle wieder alle notwendigen Möglichkeiten hat und der Markt den Menschen dient und nicht umgekehrt", so SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer am Montag.
Krainer betonte, dass die SPÖ bereits am 24. September 2009 im Rahmen der Parlamentsenquete "Sozialdemokratische Antworten auf die Krise" eine Vollverstaatlichung der OeNB vorgeschlagen habe, um mögliche Interessenkonflikte der Eigentümervertreter in der Bankenaufsicht zu beseitigen.
Für neues Insolvenzrecht und Bankenversicherung
Krainer sprach sich dafür aus, dass nun zusätzliche Schritte folgen müssen. "Wir müssen auf nationalstaatlicher Ebene das Bankeninsolvenzrecht auf neue Beine stellen und eine Bankenversicherung entwickeln." Damit soll ein geordnetes Verfahren geschaffen werden, das Banken ermöglicht, den Markt zu verlassen, ohne dabei erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden zu verursachen.
Eine "Bankenversicherung" soll den Banksektor gegen Krisenschäden "versichern", ergänzend zu neuen Eigenmittelvorschriften. Als weitere zentrale Forderung bezeichnete Krainer die Abschaffung der Spekulationsfrist.
Grüne: Dringend notwendig
Als "längst fälligen Schritt" bezeichnete auch der Budgetsprecher der Grünen, Werner Kogler, die angekündigte Verstaatlichung der Nationalbank. Schon der Banken-U-Ausschuss habe aufgezeigt, dass das dringend notwendig ist.
Denn die Nationalbank habe viele Kontrollaufgaben über den Bankensektor und müsse auch einzelne Institute kontrollieren, zuletzt etwa die Hypo Alpe Adria. "Warum seit dem U-Ausschuss drei Jahre vergehen mussten, bis die Verstaatlichung endlich angegangen werden soll, bleibt ein Geheimnis der ÖVP", so Kogler. Die Grünen hätten schon 2006 Anträge auf Beseitigung dieser Unvereinbarkeit eingebracht.
"Vorsicht bei Kaufpreis"
Höchste Vorsicht ist laut Kogler allerdings beim Kaufpreis. "Es kann nicht sein, dass der Finanzminister über einen überhöhten Kaufpreis Steuermillionen der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer und RZB - den bisherigen Miteigentümern - hinterherwirft." Die Grünen würden das genau beobachten und notfalls den Rechnungshof einschalten, so Kogler.
FPÖ: Pröll reagiert endlich
Auch die FPÖ zeigte sich erfreut. Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) begrüßte die angekündigte Vollverstaatlichung der Nationalbank: "Pröll reagiert endlich auf den von mir seit Jahren kritisierten Umstand, dass die Banken Miteigentümer jener Institution sind, die für die Prüfung der Banken zuständig ist." Graf hatte bereits zuvor die Bereinigung der Eigentümerstruktur der Nationalbank gefordert.
"Im schwarzen Einflussbereich"
"Während die BAWAG im Zuge ihrer Rettung ihre Anteile an den Staat abgeben musste, blieben die Banken im schwarzen Einflussbereich trotz milliardenschwerer Geldspritzen aus dem Bankenpaket bis dato Miteigentümer. Es wird Zeit, dass dieser untragbare Zustand beendet wird."
Für Graf wäre durch die völlige Verstaatlichung der Nationalbank auch der Weg frei für die schon öfters diskutierte Zusammenlegung der Prüfkompetenzen mit der Finanzmarktaufsicht.
BZÖ: Pröll für Privilegien verantwortlich
BZÖ-Obmann Josef Bucher sieht die mögliche Totalverstaatlichung kritischer. "Mit einer 100-prozentigen Verstaatlichung der Nationalbank ist ÖVP-Chef Pröll voll für die Privilegien in der OeNB verantwortlich. Pröll hat es dann in der Hand, die unverschämten Pensions- und Dienstwagenprivilegien sofort zu beseitigen", so Bucher.
Der BZÖ-Obmann hatte laut seiner Aussendung bereits Mitte 2009 gefordert, dass die Republik künftig 100 Prozent an der Notenbank halten soll, da eine Nationalbank, die ihre eigenen Mitglieder prüft, automatisch in ein schiefes Licht gerate.
"Ich bin erfreut, dass Pröll mit einiger Verspätung meinen Vorschlag aufgreift, und gehe davon aus, dass er sofort nach der Übernahme durch die Republik in der Nationalbank aufräumt."
http://www.orf.at/100111-46725/index.html
Ob hier die österreichischen Schwarzen wohl nur den Vorreiter in der EU spielen? Die, bei einem so wichtigen und komplexen Thema wie aus der Pistole geschossene Einmütigkeit aller Lizenzparteien erstaunt mich doch sehr. Offenbar gab es bereits seit längerer Zeit Geheimgespräche darüber.
Auch finde ich es erstaunlich, daß so gar keine der üblichen Stimmen zu vernehmen sind, die um die Unabhängigkeit der Notenbank fürchten.
Das macht mich doch einigermaßen stutzig, wenn man jedes Parteigezänk hintanstellt und wenn die Geheimhaltung so perfekt funktioniert hat. Was das wohl sein könnte, wenn doch der Aufschwung so nahe ist? Es würde mich nicht überraschen, falls Österreich den Versuchsballon für die EU spielt. Verläuft die Diskussion wunschgemäß ohne Aufregung und kritische Fragen, wird man vielleicht auch in anderen EU-Ländern die Gelddruckmaschinen näher an die Regierungen heranstellen.