Rohstoffe - Gewinne aus der Erde (EurAmS)
Über 20 Jahre lang war mit Rohstoffen für Anleger kaum Geld zu verdienen. Jetzt ziehen die Preise für Platin, Öl und Weizen immer mehr an. Experten sehen darin bereits einen neuen Trend.
EURO sagt, worauf Anleger setzen können und was sie meiden sollten.
von Joachim Spiering, Euro am Sonntag 08/03
Denken Sie mal über AluminiumAktien nach“, riet der selige Börsenweise Andre Kostolany in den 90er-Jahren in einem Werbespot. Die Empfehlung stieß auf taube Ohren. Kein Mensch kam auf die Idee, tatsächlich über Aluminium oder Rohstoffe nachzudenken. Warum auch? Silber und Soja waren nicht sexy, die Rohstoffpreise sanken seit Jahren. Und Profis wissen: Rohstoffe bringen dann Geld, wenn die Inflationsangst umgeht.
Davon kann aber derzeit keine Rede sein. Deflation, das Gegenteil der Inflation, beherrscht die Diskussionen. Deshalb waren auch Experten überrascht, als im vergangenen Jahr die Rohstoffpreise unaufhaltsam anzogen. Seit Ende 2001 hat der wichtigste Rohstoff-Index, der CRB (Commodity Research Bureau), in dem von Gold und Platin über Mais, Kaffee und Weizen bis hin zu Rohöl und Baumwolle 17 Rohstoffe vertreten sind, um über 50 Prozent zugelegt. Und Wolfgang Wilke von der Dresdner Bank, der zu den renommiertesten Rohstoff-Experten Deutschlands zählt, macht den Anlegern weiter Hoffnung. "Es gibt Anzeichen, dass sich dieser Trend fortsetzt."
Nach 20 Jahren sind Rohstoffe wieder interessant. Warum? Normalerweise steigen die Rohstoffpreise vor allem dann, wenn die weltweite Konjunktur gut läuft. Doch vom Wirtschaftsboom der späten 90er sind die USA und Co weit entfernt. Warum also legt der CRB-Index dennoch zu? Experte Wilke nennt zwei Gründe. Punkt eins: „Es ist gut möglich, dass der Markt momentan ein Inflationsszenario vorwegnimmt.“ In den 80er- und 90er- Jahren, als weltweit nur eine geringe Inflation herrschte, konnten die Aktienmärkte die Rohstoffpreise deutlich abhängen. Anders in den inflationsreichen 70er-Jahren. Damals konsolidierten die Aktienmärkte, während die Rohstoffpreise, angeführt von Rohöl und Gold, kräftig zulegten. „Investitionen in Warenwerte, insbesondere in Edelmetalle und Rohöl, liefern dann die bessere Performance“, sagt Wilke. Was derzeit am Rohstoffmarkt passiert, sei nun Folgendes: Da in den USA und in Europa nach wie vor die Angst vor japanischen Deflations-Verhältnissen mit stetig sinkenden Preisen und entsprechend rückläufigen Unternehmensgewinnen herrscht, täten Regierungen und Notenbanken alles, um inflationäre Tendenzen zu erhalten. Und das sei gut für Rohstoffpreise. „Der Markt versucht hier etwas vorwegzunehmen, was noch nicht sichtbar ist“, sagt Wilke.
Und der zweite Grund für die Rohstoff-Hausse? „Offenbar ist die weltweite Konjunktur nicht ganz so schlecht, wie wir sie wahrnehmen“, meint der Experte, „vor allem, wenn man auf Asien blickt.“ Denn völlig losgelöst von der Weltwirtschaft könnten sich die Rohstoffpreise nun doch nicht entwickeln – Inflationsszeanrio hin, Inflationsszenario her. Inzwischen sieht es sogar so aus, als würde sich aus der bisherigen Rohstoff-Rally ein langfristiger Trend entwickeln. „Hier deutet sich eine Turnaround-Story an“, meint Wilke. 20 Jahre lang war er eher skeptisch, was die Entwicklung der Rohstoffmärkte angeht. Das habe sich in den vergangenen Monaten geändert. Denn nach der dreijährigen Aktienbaisse seien viele Anleger so verunsichert, dass der Wunsch, das Geld in „sicheren Häfen“ anzulegen, weiter zunehmen dürfte. Zudem ist es für Firmen auf Grund der aktuell niedrigen Zinsen billig, Rohstoffe auf Pump zu kaufen. Und: Viele Rohstoffproduzenten haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten relativ wenig getan, um neue Abbaugebiete oder Förderquellen zu erschließen. Das heißt: Steigt die Nachfrage, kann das Angebot nicht in gleichem Maße erhöht werden.
Allerdings: Jedes Gut unterliegt speziellen Marktmechanismen, zudem beeinflussen politische Entwicklungen oder auch das Wetter den Preis. Nicht umsonst hängt in der Rohstoffbörse von Chicago, der CBOT (Chicago Board of Trade), ein riesiger Bildschirm in der Saalecke, wo rund um die Uhr die aktuellen Wetternachrichten gesendet werden. Je nachdem, ob gerade ein Sturm heraufzieht oder Sonnenschein herrscht, sinken oder steigen am Terminmarkt die Preise für Weizen oder Mais. „Gerade Nahrungsmittel sind extrem risikoreich“, sagt Johann Fürstenberger, Fondsmanager des Activest Geotech-Fonds.
Er rät deshalb zu speziellen Rohstoff-Fonds. Allerdings: Bislang ist die Performance dieser Fonds nicht sonderlich berauschend. Fast alle Fonds liegen seit Anfang 2002 deutlich im Minus. Doch es gibt Ausnahmen: Der World Mining-Fonds von Merrill Lynch (WKN 986932) ist auf 52-Wochen-Sicht gut neun Prozent im Plus. Doch auch hier lässt die Kursentwicklung seit 1. Januar 2003 zu wünschen übrig.
Die Rally des CRB-Index hat dagegen kein einziger Fonds mitgemacht. Die Ursache: In den Portfolios der Fondsmanager liegen viele Minen-Aktien, und deren Kurse hinken zum Teil den Rohstoffpreisen deutlich hinterher. Das liegt mit daran, dass die Minen erst mit Zeitverzögerung von gestiegenen Preisen profitieren. Denn sie verkaufen ihre Produktion am Terminmarkt Monate im Voraus zu Festpreisen. Dennoch: Als Depotbeimischung sollte ein Rohstoff-Fonds nicht fehlen.
Zudem gibt es Teilmärkte wie Gold, die sich auch durch Zertifikate oder Optionsscheine abdecken lassen. Beim Gold erwarten Experten dauerhaft steigende Preisen. „Ich rechne für dieses Jahr mit einem Höchstkurs von 420 Dollar pro Unze“, sagt Wolfgang Wrzesniok-Roßbach, Edelmatall-Experte bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein. Steigende Preise, wenn auch aus anderen Gründen, erwarten Branchenkenner auch für Platin und verschiedene andere Metalle. Am Ende dürfte Kostolany Recht behalten: „An der Börse ist zwei mal zwei nicht vier, sondern fünf minus eins“. Denken Sie mal drüber nach.
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Auf dem Weg zu alten Höchstständen
Es ist erstaunlich: Obwohl die weltweite Konjunktur sich in keiner allzu guten Verfassung befindet, legen die Preise der Basismetalle kontinuierlich zu: Aluminium hat sich seit Ende 2001 um knapp 40 Prozent verteuert, Nickel sogar um 60 und Kupfer um gut 20 Prozent. In der Regel deuten solche Kurssteigerungen auf eine wirtschaftliche Belebung hin. Denn Alu und Co gelten als absolute Frühzykliker.
Egal ob in der Autoindustrie, in der Chip-Produktion oder im Flugzeugbau, überall werden die Basismetalle gebraucht. Doch die Weltwirtschaft lahmt. Warum also ziehen die Preise dennoch an? Ulf Moritzen, der bei der Fondsgesellschaft Nordinvest den Rohstoff-Fonds managt, sieht dafür drei Gründe: Zum einen würden viele Anleger wegen der Krise an den Aktienmärkten verstärkt in Sachanlagen investieren. Zum anderen gleiche die steigende Nachfrage in China die schwache Konjunktur in Europa und den USA aus. Und denkbar sei schließlich auch, dass die wenigen großen Minengesellschaften das Angebot an Basismetallen ganz bewusst knapp halten. Fondsmanager Moritzen glaubt, dass die jüngsten Preissteigerungen anhalten werden. „Kommt die Konjunktur erst wieder in Schwung, wird dies den Preisen weiter Auftrieb geben“, sagt er. Zumal die Lagerbestände so gut wie leer sind.
Trotz der jüngsten Preisanstiege liegen die Kurse von Alu und Co zum Teil noch 50 Prozent unter dem Niveau früherer Jahre. Anlegern empfiehlt Moritzen die großen Minengesellschaften wie BHP Billiton oder Rio Tinto, die Kupfer, Nickel und andere Metalle schürfen. „Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren, als die Preise im Keller waren, so extrem ihre Kosten gesenkt, dass sie selbst bei niedrigen Preisen Gewinne machen.“ Problematischer sieht es dagegen bei Konzernen wie Alcoa aus, die sich auf die Förderung und Verarbeitung von Aluminium konzentriert haben. Grund: China will ab diesem Jahr das Leichtmetall im großen Stil exportieren – und das dürfte den Preis drücken. Auch für den deutschen Konzern Norddeutsche Affinerie ist Moritzen eher skeptisch. Zwar sei Europas größter Kupferproduzent technologisch sehr stark, im internationalen Vergleich allerdings zu klein, um große Investoren anzuziehen.
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Nicht nur als Schmuck begehrt
Alles spricht zurzeit von Gold. Doch auch der Platin-Kurs feiert eine Hausse. Anfang Februar wurden 705 Dollar pro Feinunze bezahlt, so viel wie seit 23 Jahren nicht mehr. Und die meisten Rohstoffexperten sind sich sicher: Die Jahreshöchstkurse wurden noch nicht gesehen. „Ich rechne damit, dass der Platin-Preis in der Spitze auf 750 Dollar steigen wird“, sagt Wolfgang Wrzesniok-Roßbach. Anleger, die auf einen steigenden Platin-Preis setzen wollen, sind am besten mit einem Zertifikat der Dresdner Bank bedient (WKN 684651), das die Notierung des Edelmetalls im Verhältnis 10:1 widerspiegelt.
Doch Vorsicht: Die Wette auf Platin ist spekulativ, starke Kursrückschläge sind möglich. So wird der Preis aktuell von Nachrichten aus Russland getrieben, wo in der fünftgrößten Platinmine der Welt ein Streik droht. „Befürchtungen wegen Lieferengpässen stehen derzeit im Mittelpunkt“, erklärt Experte Wrzesniok-Roßbach. Anfang März wollen sich die Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern zusammensetzen. Entspannt sich dort die Lage, könnte dies den Platin-Kurs schnell unter Druck bringen. Auf der anderen Seite gibt es im Markt Gerüchte, dass Fonds den Preis um weitere 100 bis 200 Dollar nach oben treiben wollen.
Trotz der aktuellen Unsicherheit dürfte langfristig die Nachfrage steigen. Denn anders als Gold ist Platin ein Industriemetall, das beispielsweise für Diesel-Katalysatoren benötigt wird. Und der Anteil an Dieselfahrzeugen nimmt ständig zu. Auch bei Brennstoffzellen kommt Platin zum Einsatz. Zudem ist das edle Metall in der Schmuckindustrie immer mehr gefragt – besonders in China. Der steigenden Nachfrage steht ein begrenztes Angebot gegenüber. Erst in vier bis fünf Jahren, so Schätzungen, dürften neue Schürfstätten erschlossen sein.
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Die Gold-Hausse ist noch nicht vorbei
Bis auf 388 Dollar war der Preis für die Feinunze Gold geklettert, inzwischen notiert sie nur noch bei 352 Dollar. Viele Anleger fragen sich: War’s das? Wohl kaum. Denn der Rückgang war nicht mehr als eine „zu erwartende Korrektur“, wie Edelmetall-Experte Wolfgang Wrzesniok-Roßbach sagt. In der Tat: Nach dem 20-prozentigen Anstieg seit November haben viele Anleger erste Gewinne eingesackt.
Zudem ist die Nachfrage in Indien, dessen Schmuckindustrie einer der größten Gold-Käufer ist, wegen des hohen Preises um 30 Prozent zurückgegangen. Die Korrektur könnte jedoch von kurzer Dauer sein. Gold-Experte Manfred Siegel sieht den fairen Preis bei 600 Dollar. Das wichtigste Argument: Gold wird als Anlagemöglichkeit erst wieder entdeckt. „Die alte Regel, dass jedes Portfolio zu mindestens fünf Prozent aus Gold-Investments bestehen sollte, gilt wieder“, sagt Wrzesniok-Roßbach. Dabei reichen in dem relativ engen Markt Bruchteile aller Anlagegelder, um den Preis nach oben zu treiben. Würden beispielsweise alle Kunden der vier großen deutschen Banken ihr Geld in Gold anlegen, würden sie die gesamte Jahresproduktion von 2500 Tonnen aufkaufen.
Der lange Zeit unberechenbare Markt ist überschaubarer geworden, seit die wichtigsten Notenbanken 1999 beschlossen haben, nicht mehr als 400 Tonnen pro Jahr zu verkaufen. „Die Verkäufe lasten zwar auf dem Markt, aber sie sind transparent“, erklärt Wrzesniok-Roßbach. Er geht deshalb davon aus, dass der Goldkurs noch in der ersten Jahreshälfte auf 420 Dollar zulegen wird. Für Anleger, die sich das krisensichere Investment ins Depot legen wollen, bieten sich Zertifikate auf den Goldpreis an. Risikoreicher, aber mit einem Hebel ausgestattet, sind Turbo-Optionsscheine wie der Gold-Call der DZ Bank (WKN 758558). Unter den Minen-Aktien ist die besonders effektiv arbeitende Gesellschaft Goldcorp (WKN 890493) aus Kanada interessant.