Die französische Regierung will den Dollar bei einem Teil der europäischen Öl- und Gasbezüge durch den Euro als Abrechnungswährung ersetzen. Entsprechende Vorstellungen wurden beim Treffen der deutsch-französischen Sachverständigengruppe, einem Gremium von Ökonomen, am Montag vorgestellt.
th BERLIN. Der im Ressort von Finanzminister Thierry Breton angesiedelte Industrieminister Francois Loos treibt das Thema systematisch voran. Bislang werden Öl und Gas praktisch ausschließlich in US-Dollar gehandelt. „Wenn es gelänge, solche Lieferungen in Euro abzurechnen, würde das die Rolle des Euros zu Lasten des Dollar stärken“, sagt dazu Thomas Mayer, Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Hinzu kommt, das Wechselkursrisiken und Umtauschkosten entfallen würden.
Pariser Ziel ist ein deutsch-französisches Memorandum, das in eine europäische Initiative münden soll. Die deutschen Reaktionen sind verhalten. Die russische Gazprom hat dagegen nach Aussage von Paul Mentré, der von Loss beauftragt wurde, grundsätzlich Interesse bekundet.
Für die Erdölnotierungen ist eine kleine Zahl von Referenzprodukten ausschlaggebend, für Europa Brentöl. Die Preise für regionale Produkte wie das russische Erdöl werden mit einem Spread vom Brent-Preis abgeleitet. All diese Werte werden in Dollar ausgedrückt, ein wesentlicher Grund für die internationale Bedeutung der US-Währung. Wie die Franzosen selber in einem Bericht feststellen, der dem Handelsblatt vorliegt, sehen die Marktteilnehmer Vorteile darin wegen der Liquidität und leichten Vergleichbarkeit. Eine Erdöl-Notierung in Euro komme für die Industrie nur dann in Frage, wenn es einen liquiden, transparenten und politisch nicht beeinflussten Markt gäbe, der neben Brent bestehen könnte.
Paris erwägt die Einführung eines synthetischen Rohöl-Korbs, der aus dem Verbrauch raffinierter Produkte in Europa errechnet würde. Bei der Erdölindustrie gebe es starkes Interesse dafür, allerdings auch Skepsis, ob die Nachfrage nach in Euro notierten Erdölprodukten ausreiche.
Für etwas leichter halten die Franzosen die Einführung des Euros bei Gaslieferungen, da der Markt wesentlich zersplitterter sei. Da die Gaspreise neben einem festen Element eine Indexierung beinhalteten, die sich oft auf den Erdölpreis beziehe, gebe es auch hier indirekt eine starke Dollarbindung. In Großbritannien existiert allerdings bereits ein eigener Gaspreisindex in Pfund.
Die französischen Experten halten es für möglich, dass Gaslieferanten und -Bezieher sich auf eine Fakturierung in Euro einigen, die mehr wäre als lediglich die Umrechnung von Dollarpreisen in Euro. Der Ausgangspreis würde in diesem Modell in Euro berechnet und die Indexierung könnte sich, wenn der europäische Gasmarkt ausreichend dereguliert und geöffnet sei, nach einem EU-Gaspreisindex richten. Das Ganze stehe und falle mit dem Interesse von Lieferanten und Verbrauchern, auf Euro umzuschwenken.
Bei zwei wichtigen Lieferländern sehen die Franzosen nach den Worten Mentrés handfeste Motive: „Norwegen und Russland exportieren nicht nur in die Eurozone, sondern sie importieren auch in so großem Umfang aus ihr, dass der Euro als Handelswährung die gesamte Abwicklung vereinfachen und ein Währungsrisiko ausschalten würde.“ Zwar können die Liefer- und Bezieherländer sich gegen Kursschwankungen absichern, doch kostet das Geld. Daneben wird die Möglichkeit erwähnt, Projekte zur Erschließung neuer Quellen in Afrika, die in Euro finanziert werden, daran zu koppeln, dass die Rückzahlung durch Erdöllieferungen in Euro notiert wird.
Frankreich will nun die Vorbereitung des deutschen Energiegipfels am 3. April nutzen, um die eigene Idee voranzutreiben.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 15. März 2006, 11:30 Uhr
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