Moin,
da es offensichtlich bei vielen Zeitgenossen Nachholbedarf zum Patent- und Urheberrecht gibt, hier mal ein Artikel von mir.
Zusammenfassung:
Dieser Artikel beschreibt zunächst die historischen Gegebenheiten und andere Faktoren des Patent- und Urheberrecht. Im Anschluss werden die Begriffe auf ihre Bedeutung hin untersucht. Festzustellen bleibt, dass die Begriffe irreführend sind. Der Autor kommt darüber hinaus zu der Meinung, dass das derzeitige Patent- und Urheberrecht mindestens deutlich überarbeitungsfähig ist. Allerdings nicht im Sinne der gestellten Ziele der Regierungen der EU und insbesondere Deutschlands. Diese möchten noch mehr Bürokratie in diesem Bereich und weitergehende Einschränkungen freier Entwicklungstätigkeiten, was als innovationshemmend angesehen werden kann.
1. Patent- und Urheberrecht in der Übersicht
Das Patent- und Urheberrechtswesen oder besser Unwesen treibt seine Blüten. Da gibt es dann so schöne Patene wie das "Ein-Klick-Patent" oder ein Patent auf Fortschrittsbalken bei Software oder auf Eierbecher, die man in den Kühlschrank stellen kann. Man stelle sich einmal ein Patent vor, dass das Gießen von Gold oder Silber in Barrenform zum Inhalt hat. Abwegig? Keinesfalls!
Aber selbst von diesen Stilblüten, die keineswegs Einzelfälle sind, abgesehen, lohnt es, sich mit der Materie Urheber- und Patentrecht einmal grundsätzlich zu beschäftigen. Das Patentwesen und das Rechtswesen in diesem Zusammenhang und im Zusammenhang mit Urheberrechten ist zu einer Multimilliardendollar-Industrie avanciert. Es ist keine Seltenheit, dass auch Unternehmen mit guter Bonität durch Verstoß gegen Paten- oder Urheberrechtsgesetze Konkurs anmelden müssen.
Patent- und Urhebergesetze wurden einmal zum Schutz der Erfinder oder Urheber ersonnen. Patentämter wirkten nicht nur als Schutzinstitutionen, sie galten auch als eine Art Börse für Ideen, als es elektronische Kommunikationsbörsen wie das Internet oder das WWW noch nicht gab.
Seit einem Jahrzehnt nun ist sowohl das Patent- wie das Urheberrecht im Wandel. Das Recht auf Privatkopie, früher unantastbar, wie das Bankgeheimnis, gilt keinesfalls mehr ausnahmslos. Durch Patentierungsbestrebungen großer Konzerne auf Software ist auch hier eine rege Diskussion im Gange. Witzigerweise kann man bemerken, dass hier die Bestrebungen nicht von den Erfindern selbst, sondern regelmäßig von ganzen Konzernen ausgehen.
2. Geistiges Eigentum, was ist das?
Am Anfang allen Rechts steht das Eigentum. Geistiges Eigentum sei zu schützen, meint die gesetzgebende Gewalt. Also schauen wir uns doch mal dieses geistige Eigentum an. Nicht zuletzt, da dieser Begriff durch die gleichen Begriffe wie Raubkopie usw. flankiert wird, die es auch bei Eigentum auf ein greifbares Gut gibt.
Prinzipiell besteht dieses geistige Eigentum aus Information. Und zwar ausnahmslos. Waren früher weitgehend analog gespeicherte Informationen nur schwer in großem Maßstab kostengünstig verbreitungsfähig, gelingt dies mit aktuellen digitalen Informationen kostenlos. In Sekundenschnelle gelangen so die Informationen rund um den Erdball in jeden noch so kleinen Haushalt.
Wird ein Werk, also eine geistige Gesamtleistung, geschützt, dann spricht man von geistigem Eigentum. Im Patentwesen muss dieses Werk explizit geschützt werden. Im Urheberrecht genießt der Urheber diesen Schutz implizit. Grundsätzlich wird in der Industrie von Raub gesprochen, wenn dieses Werk ohne Einverständnis Dritten zukommt.
3. Das Rauben von geistigem Eigentum
Dieser Begriff, Raub, egal in welchem Zusammenhang (Raubkopie, ...) ist allerdings irreführend. Bei Eigentum eines Autos z. B., das geraubt wird, kann der Eigentümer nicht mehr über das Gut verfügen. Dies betrifft ausnahmslos jedes reale Gut. Anders bei geistigem Eigentum. Der "Raub" kann sogar gänzlich unbemerkt bleiben. Raub wäre es im Zusammenhang mit geistigem Eigentum, wenn jemand ein Werk entwenden würde, d.h. er würde z. B. eine Compactdisk stehlen und der Urheber, der darauf seine Werke gespeicher hat, hätte keine Kopie davon.
Alleine hieran sieht man, dass die Industrie mit der Prägung solcher Begriffe Emotionen schürt, die der Sache unangemessen sind. Ausnahmslos spricht die Industrie von Raubkopie, egal ob eine Software oder ein Musikstück kopiert wurde. Noch interessanter wird es, wenn man sich einmal bei Musikstücken oder Software ansieht, wer eigentlich der geistige Eigentümer ist.
4. Mieten - kaufen?
In beiden Fällen, von weitgehend nicht kommerziellen Ausnahmen abgesehen, ist der Eigentümer nicht etwa der Urheber. Also der der Softwareentwickler oder der Komponist oder Sänger. Es ist in beiden Fällen der Konzern. Ein Konzern erwirbt regelmäßig die Rechte an geistigem Eigentum von den Urhebern. Und nun wird es noch interessanter. Denn er verkauft nicht etwa das Eigentum. Ein Käufer einer Software oder einer Musk-CD erwirbt nicht etwa Eigentumsrechte an dem Werk. Er kauft lediglich ein Nutzungsrecht. Das ist so, als wenn man nicht ein Auto kauft, sondern es mietet. Das birgt ähnliche Vor- und Nachteile wie bei gemieteten Autos. Man darf das Werk z. B. regelmäßig nicht verändern oder erweitern. Es würde hier zu weit führen, alle Einschränkungen auszuführen. Die mittlerweile zu kleinen Büchern gediehenen Lizenzbedingungen von Software sprechen da für sich.
5. Geistiges Eigentum ist Unsinn
Geht man noch weiter und guckt sich einmal an, was der Unterschied zwischen geistigem und realem Eigentum ist, dann kann man nur feststellen, dass auch der Begriff des geistigen Eigentums unsinnig ist. Geistiges Eigentum wäre etwas, was jemand für sich behielte. Ein Geheimnis also, aus dem jemand persönlich oder als Gruppe Vorteile ziehen kann.
Sind kommerziell vermarktete Produktionen von Musik, Software und so weiter Geheimnisse? Natürlich nicht! Bei Software könnte man noch argumentieren, dass es hierbei vielfach nicht erlaubt ist, den Sourcecode, also die geheimen Quellen zu entschlüsseln. Aber auch das ist mit modernen Softwareprogrammen durch Recompiling, d. h. das übersetzen des fertigen Programms in die Urbestandteile möglich.
6. Mögliche Entwicklungsprozesse von Werken
Nachdem wir nun sehen, dass sich geistiges Eigentum natürlich nur durch ein Geheimnis, widernatürlich nur durch zusätzliche Maßnahmen wie eine rechtliche Sicherung bewahren kann, lassen wir unseren Blick noch ein wenig über die aktuelle Entwicklungssituation bei Software und Musik streifen. In der Softwarebranche haben sich grundsätzlich zwei Entwicklungszweige durchgesetzt. Opensource Software und Closedsource Software (OSS und CSS). In der Musik spricht man von kommerzieller und unabhängiger (independent) Musik.
Um diesen Artikel nicht unnötig aufzublähen und weil sich der Autor dort besser auskennt, beschränkt er sich auf die Softwarebranche. Historisch betrachtet waren am Anfang alle Programme OSS. Programmierer waren gleichzeitig Entwickler und Anwender. Eine Trennung gab es nicht. Mit dem Aufkommen kleiner leistungsfähiger Personal Computer hab es zunehmend auch immer mehr Anwender, die nicht selbst programmierten. Damit erfolgte eine Trennung von reinen Programmierern, die selbstverständlich auch immer Anwender sind und reinen Anwender, die aber nicht programmieren.
Diese reinen Anwender, die heute die deutlich größere Gruppe stellen, stellen damit eine potenzielle und auch reale Kundengruppe für die Industrie dar. Diese Industrie bedient sich der ersten Gruppe, der Programmierer, um durch deren Leistung einen Gewinn zu schöpfen, der der zweiten Gruppe zu verdanken ist, die dafür (meist) bezahlen müssen. Dieser ganze Prozess führte zu CSS. Nun spricht natürlich nichts dagegen, in einer Marktwirtschaft Gewinne zu erwirtschaften. Und das war auch nicht der Grund, warum sich der Zweig der OSS herausbildete. Es war schlicht die restriktive Lizenzpolitik der Konzerne, die immer wieder kleine Grüppchen von Programmierern veranlasste, eigene Software für ihre eigenen Bedürfnisse zu entwickeln.
7. Die Nachteile geistigen Eigentums
Witzigerweise ist aus diesen kleinen isolierten Grüppchen eine weltweite Bewegung beachtlichen Ausmaßes mit milliardenschweren Umsätzen geworden. Zunehmend zeigen sich Vorteile von OSS gegenüber CSS. Bei CSS arbeiten die Firmen und Konzerne hauptsächlich isoliert. Synergieeffekte bleiben aus. Bei OSS arbeiten alle Gruppen interdisziplinär zusammen und es entsteht ein großer Pool an verwirklichten Ideen, auf die durch die Offenheit jeder andere Programmierer zugreifen kann.
Mittlerweile kann man beobachten, dass praktisch auch jede große Firma, die CSS herstellt, sich der Früchte der OSS bedient. Man kann sehr schön sehen, dass OSS deutlich innovativere Ergebnisse hervorbringt, während die Unternehmen und Kunden von CSS mehr damit beschäftigt sind, Lizenzmanagement zu betreiben, d. h. sich um die rechtlichen Belange zu kümmern und zu streiten.
Als Beispiel für erfolgreiche Unternehmen im OSS-Umfeld kann beispielsweise die Firma Google dienen, die wohl mittlerweile jeder Erdenbürger kennt, der einmal einen Computer bedient hat. Deren Software ist fast ausnahmslos OSS. Aber auch in anderen Bereichen ist OSS auf dem Vormarsch. Der Autor sieht es als Frage der Zeit, wann sich OSS auch auf Personal Computern mit einem Marktanteil von deutlich über 50% durchsetzt. Zunehmend begreifen nämlich die Kunden, dass OSS leistungsfähiger und innovativer daherkommt, als die gängige CSS. Man kann nur hoffen, dass auch die Politik irgendwann realisiert, dass die verkrusteten und lobbyträchtigen Patent- und Urheberrechtsgesetze einer Diät bedürfen. Wenn nicht hier, dann vielleicht in anderen Ländern wie China oder Indien, die OSS schon heute deutlich aufgeschlossener gesonnen sind.
Ich hoffe, dieser Artikel hat etwas Klarheit in die doch recht komplexeren Zusammenhänge gebracht.
Ach ja, dieser Artikel untersteht dem Urheberrecht. (c) 2004 by Kaufrausch. Alle Rechte vorbehalten.