GEOLOGIE: Der Traum vom Rheingold
Schatzsuche in der Kiesgrube: Mit einer Pilotanlage filtert ein spanischer Geologe wertvolle Goldpartikel aus den Sedimenten, die Flüsse einst hinterlassen haben. Auch in anderen europäischen Abbaustätten ließen sich tonnenweise Edelmetalle gewinnen - speziell in deutschen Gruben.
Der Teppichverkäufer schüttelte nur mit dem Kopf, als Geologieprofessor Manuel Viladevall, 57, von der Universität Barcelona ihm erzählte, was er mit seinen Studenten vorhabe: "Die spinnen!" Doch der Ingenieur ließ sich nicht beirren und kaufte 15 Quadratmeter Teppichboden.
Den Bodenbelag benötigte Viladevall für ein ungewöhnliches Experiment, bei dem ihn der Betreiber einer hundert Hektar großen Kiesgrube am Rande der katalanischen Stadt Balaguer unterstützte. Dort errichtete der Geologe aus dem Teppich eine Art Rampe. Darüber kippte er dann ein Gemisch aus Wasser und Kies. Insgesamt 20 000 Tonnen dieser Brühe rutschten den Hang hinab; in den Teppichhaaren jedoch blieb ein extrem wertvolles Edelmetall hängen: Gold. Genauer gesagt: etwa zwölf Prozent jener Menge, die der Rio Segre auf seinem Weg aus den Pyrenäen in seinem Sediment hinterlassen hat.
Fast alle europäischen Flüsse führen Spuren von Gold mit sich. In Schweden oder in der Schweiz wird es als Freizeitspaß mit flachen Tellern herausgewaschen. Wirklich rentabel ist die Gewinnung dieser bescheidenen Mengen bislang nicht.
Wahre Werte, so hatte Viladevall mit seinem Teppichexperiment bewiesen, stecken heute nicht mehr in den Flüssen, sondern dort, wo die ehemals vom Wasser gerundeten und zu Sand zermahlenen Gesteine gewerbsmäßig abgebaut werden: in den Kiesgruben. Als Nebenprodukt, rechnet der Geologe vor, könnten in den Lagerstätten der EU-Länder insgesamt 3475 Tonnen Gold gewonnen werden.
Denn während der industriellen Sieb- und Waschvorgänge, so fand der Forscher bei seinen Erkundungen in Spaniens größter Kiesgrube heraus, nimmt die Gold-Konzentration bereits um das Fünffache zu. Mit der Teppich-Rampe gelang es ihm, das Gold noch weiter anzureichern - weil die schweren Partikel so gut an den synthetischen Haaren haften.
Für einen wirtschaftlichen Betrieb ist das Goldwaschen mit Teppichböden natürlich nicht effizient genug. Viladevall hat sich deshalb aus Kanada, wo noch Goldlagerstätten im Bergbau ausgebeutet werden, eine spezielle Konzentrator-Zentrifuge besorgt, die in der spanischen Kiesgrube nun im Pilotbetrieb läuft.
Rundum türmen sich auf dem weiten Gelände zwischen den Kränen die Kegel aus Sand, Kies und Steinen, je nach Bauzweck in unterschiedlicher Korngröße. Zehn Stufen steigt man hoch zum Herzen der trichterförmigen Goldgewinnungsanlage. Wie in der Trommel einer Waschmaschine wird das per Förderband zugeleitete Material, mit Wasser vermischt, geschleudert - die Zentrifugalkraft drückt die Gesteinspartikel an die Wand.
Dort, in schräg verlaufenden seitlichen Rillen, so zeigt der Wissenschaftler, bleiben nur die schweren Minerale hängen - Gold, Ilmenit und Magnetit. Die leichteren Bestandteile hingegen fallen wieder ins Innere der Trommel zurück.
Auf diese Weise wird das Gold aus täglich 1500 Tonnen Kies herausgewaschen und in einem geschlossenen Trichter gesammelt. Bevor er in die Trommel kommt, muss der Kies noch fraktioniert werden: Wirklich ergiebig sind nur die Korngrößen bis fünf Millimeter Durchmesser. "Gröberen Kies in den Konzentrator zu schicken lohnt sich nicht", sagt der Geologe.
Am Rütteltisch im Labor steht Pedro Vergel, Viladevalls 29-jähriger Kollege. Er überwacht die dann folgende Trennung des puren Goldes von den ebenfalls wertvollen und ähnlich schweren anderen Mineralen. Gelblich glänzt auf dem Transportband der breite Streifen von Flitter und Blättchen, schwarz zeichnet sich die Spur der übrigen Minerale ab.
"Das ist immer wieder spannend", sagt Vergel, "denn jede Ladung fällt anders aus." Gelegentlich ist auch mal ein richtiges Nugget dabei. Doch weder den jungen Praktiker noch seinen altgedienten Professor fasziniert das Gold als Wertgegenstand. Für Vergel ist es "ein Mineral wie jedes andere, aber besonders schön", für Viladevall ist "nicht der Preis, sondern die Exploration" aufregend.
Goldenes Zeitalter für Europas Kiesgruben
Auf dem Boden des dunklen Gummi-Eimers, in dem die gerüttelte Masse unterhalb des Bandes endet, hebt sich schließlich das Gold ab. Mühe macht nur die Trennung vom ebenso schweren Blei, das die Jäger bei der Verfolgung von Rebhühnern ehemals auf dem Gelände hinterlassen haben: Die Überreste jagdlichen Eifers müssen mit der Hand herausgeklaubt werden.
Jeden Abend verschließt Vergel den Ertrag im Tresor; von dort wandert das Gold in die Gurkengläser von Kiesgrubenbesitzer Julio Sorigué: Der 70-Jährige, der seine Anlage mit Kunstwerken und dem lateinischen Eingangspruch "Digna merces labore" ("Die Arbeit wird würdig belohnt") verziert hat, ist ein höchst eigenwilliger Millionär.
Sieben Kilogramm Gold pro Jahr holen die Geologen inzwischen aus den Hinterlassenschaften des Rio Segre. Doch immer noch, bedauert Viladevall, "gelangt viel zu viel Gold mit dem Kies in den Beton". Zwölf Kilogramm Ausbeute pro Jahr könnten es werden, wenn die Waschmethode weiter verfeinert würde: Das wären, beim gegenwärtigen Goldpreis, rund 125 000 Euro Gewinn jährlich - ganz nebenbei.
Auf einem internationalen Symposium in Dublin hat Viladevall unlängst vorgetragen, was nach seinen Hochrechnungen den Europäern zurzeit verloren geht: 4,4 ungeborgene Tonnen Gold pro Jahr.
Dass mit der am Rio Segre praktizierten Methode für Europas Kiesgruben tatsächlich ein goldenes Zeitalter anbrechen könnte, glaubt auch Viladevalls deutscher Kollege Klaus Bitzer, 46. Der Geologe von der Universität Bayreuth hat schon 20 Eimer Material aus dem Fichtelgebirge mit nach Barcelona geschleppt, um sie dort auf ihre Goldhöffigkeit zu untersuchen.
Der Goldgehalt, das zeigten die Proben, war erheblich größer als in der katalanischen Abbaustätte. Durch bergmännischen Gold- und Zinnabbau wurde das Fichtelgebirge noch bis zum Anbruch des 19. Jahrhunderts verwüstet.
Der Goldgehalt der Kiesgrube beim oberpfälzischen Städtchen Pressath beispielsweise, der Bitzer die Proben entnahm, erwies sich als "viermal so hoch wie in Katalonien". Auch am Oberrhein, so vermutet der Geologe, könnten Gruben "beträchtliche Mengen liefern": Dort, in Alpennähe, hält Bitzer die Gewinnung von Rheingold (das in Wagners gleichnamiger Oper auf dem Grund des Flusses gehütet wurde) für besonders aussichtsreich.
Weil die "hypothetischen Reserven" (Viladevall) der künftig 25 EU-Länder noch viele hundert Jahre ausgebeutet werden könnten, möchten die beiden Geologen die Europäer jetzt in einen Goldrausch versetzen: Die Forscher hoffen auf Förderung durch ein EU-Programm, das die Entwicklung kleiner und mittlerer Betriebe in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen unterstützt.
"Gebraucht wird jeweils nur ein Konzentrator und ein Arbeitsplatz für den Betrieb und die Optimierung der Goldaufbereitung", sagt Bitzer. "Das ist für den Betrieb und die Bergung solcher Schätze ziemlich bescheiden."
RENATE NIMTZ-KÖSTER