Interview Uwe Bergold

  • "100 Dollar für ein Fass Öl"
    Die Rohstoffpreise zeigen steil nach oben - Der Ölpreis könnte in einigen Jahren 100 Dollar je Fass erreichen, analysiert Rohstoffexperte Uwe Bergold im STANDARD-Gespräch mit Karin Bauer


    Standard: Die Aprilkontrakte für Rohöl haben mit über 38 Dollar ein 13-Jahres-Hoch erreicht. Alles spricht für einen weiteren Anstieg auf 40 Dollar. Warum?


    Bergold: Als Begründungen werden derzeit eigentlich nur die Nebenschauplätze zitiert. Genannt wird ein ungeheurer Nachfrageschub. China verbraucht derzeit pro Kopf ein Fass Rohöl pro Tag, Tendenz stark steigend. Auch die Nachfrage aus Indien zieht an. In den USA liegt der Verbrauch auf 27 Fass pro Jahr pro Kopf, Tendenz steigend, und die Lager sind leer, die privaten Rohöl- und Benzinreserven in den USA befinden sich auf historischen Tiefständen. Dazu kommt natürlich auch Spekulation und Verunsicherung, ausgelöst etwa durch die Abwertung der Ölreserven um mittlerweile ein Viertel bei Shell.


    STANDARD: Wenn das die Nebenschauplätze sind, was sind dann die Hauptschauplätze?


    Bergold: Die Kurse der Rohstoffe geben eine Vorschau auf das, was passieren wird. Die Stahlpreise sind derzeit schon außer Kontrolle. Die Kurse der Ölbohrfirmen haben eine extreme Performance gehabt. Platin hat sein Hoch von 1980 übertroffen. Auch die Minenaktien sind nicht aufzuhalten. Der Grund liegt in der expansiven Geldpolitik der Notenbanken, die mit der enormen Nachfrage einen gewaltigen Inflationsschub produziert. Das zeigt auch der zuletzt wieder gestiegene Goldpreis (auf 412 Dollar je Unze, Anm.).


    STANDARD: Selbst von optimistischen Ökonomen werden die hohen Rohstoffpreise, vornehmlich beim Öl, als größte Gefahr für die Konjunktur gesehen. Wohin gehen die Preise?


    Bergold: Das High beim Öl hatten wir 1980 bei über 41 Dollar je Fass. Damals notierte aber Gold auch bei 850 Dollar je Unze mehr als doppelt so hoch wie derzeit.


    STANDARD: Ein Szenario auch für 2004?


    Bergold: Wenn Öl über die 40 Dollar ausbricht, dann könnte der Ölpreis in fünf bis acht Jahren 100 Dollar je Fass erreichen.


    STANDARD: Und bricht Öl über 40 Dollar aus?


    Bergold: Ja, wenn man ernst nimmt, dass wir auch ein Ressourcenproblem haben, nämlich dass die Neuerschließung von Ölvorkommen abnimmt.


    STANDARD: Beim Goldpreis sind wir aber noch weit entfernt vom 1980er-Niveau.


    Bergold: Ja, aber das gegenwärtig faire Niveau beim Gold liegt auf 600 Dollar je Unze. Diese Lücke wird sich schließen. Es war historisch auch immer so, dass man für ein Fass Öl 20 Unzen Gold kaufen konnte.


    STANDARD: Warum steigt das Gold?


    Bergold: Gold steigt immer, wenn Inflation vor der Tür steht. Die Investoren gehen raus aus dem Papiergeld und kaufen Gold. Noch dazu, wo die USA mit einem Prozent Leitzinsen und über zwei Prozent Inflation ja schon real negative Zinsen haben. Da geht Geld ins Gold. Die Goldverkäufe der Notenbanken sind dabei vernachlässigbar. (Der Standard, Printausgabe, 20.03.2004)


    derstandard.at

  • Dem Interview kann man nur zustimmen. Gerade haben Sie im TV gebracht, dass die irakische Ölindustrie absolut desolat ist und am Boden liegt. Die Amerikaner müssen für die Grundversorgung der Bevölkerung selbst Öl aus Kuwait importieren ! Und es wird noch einige Zeit dauern bis die irakische Ölindustrie wieder auf Vordermann gebracht wurde.

  • Bergold:


    Zitat

    Dazu kommt natürlich auch Spekulation und Verunsicherung, ausgelöst etwa durch die Abwertung der Ölreserven um mittlerweile ein Viertel bei Shell.





    Handelszeitung Geld vom 09.03.2004


    Ölaktien kommen wieder in Fahrt. Wie bitte, Ölaktien? Was ist denn bei Shell passiert, wundern sich vielleicht die Investoren. Der Konzernchef der Firma wurde vergangene Woche gefeuert, weil er - ob in gutem Glauben wird vermutlich bald ein Richter klären - die Reserven im Wert um 20% zu hoch in die Bilanz gestellt hat. Enron lässt grüssen.
    [...]


    www.handelszeitung.ch

  • Die Welt (19.3.) widmete beinahe 1 Seite dem Thema Öl:


    * Shell mußte neben der schon genannten 20%-prozentigen Korrektur auch die norwegischen Ölressourcen um 1,6% reduzieren
    * Nach Ansicht von Stephen Leeb (Author des Bestsellers "Oil Factor" könnte der Ölpreis bis zum Ende der Jahrzehnts bis auf 100 Dollar steigen, möglicherweise sogar schon früher.
    * In einer Expertise der Investmentbanker von Dresdner Kleinwort Wasserstein rehnen diese nicht mit einem schnellen Versiegen der Ölquellen, jedoch gehen sie davon aus, dass der Ölpreis allein schon wegen höherer Förderkosten dauerhaft ansteigt.
    * Die amerikanischen Ökonomie ist am stärksten vom Ölpreisanstieg betroffen. Faustformel: Anstieg von 50 Cent an den Tankstellen entzieht den Konsumenten 100 Mrd. Dollar an Kaufkraft.
    * Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds reduziert ein Ölpreisanstieg um 30% das globale Wirtschaftswachstum um 0,6 %.
    * immer mehr Analysten sehen sich gezwungen angesichts des Ölpreisanstiegs ihre Prognosen an der Realität anzupassen = zu erhöhen.
    * Bei den Vorhersagen fällt auf, dass es sich nicht um kurzfristige Anpassungen handelt. Der Ölpreis wird auch auf Sicht von mehreren Jahren höher eingeschätzt (!!)
    * Trendwende auf dem Ölmarkt basiert auf folgenden Ursachen:
    1. hohe Nachfrage (insb. auch durch China und Indien), deren Öldurst schneller wächst als vorhergesehen.
    2. OPEC hat in den letzten Jahren wieder deutlich an Marktmacht zurückgewonnen und vor allem halten sich bei einer Ölverknappung auch die Mitgliedstaaten weitgehend daran.
    3. niedrige Lagerbestände, die vor allem in den USA langjährige Tiefs erreicht haben (= Gefahr drohender Lieferengpässe)
    4. Kosten für die Ölproduktion nimmt massiv zu, da die alten Ölfelder bei vielen Firmen nahezu aufgebraucht sind


    * Mehrzahl der Anleger gehen fälschlicherweise immer noch davon aus, dass das jetzige Hoch nur vorübergehend ist und der Ölpreis bald wieder auf 20 Dollar zurückfällt

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