Die symbolische Eroberung der Arktis Bemannte «Mir»-Tauchkapseln haben gestern auf dem Meeresgrund am Nordpol eine russische Flagge aus Titan aufgestellt. Mit der spektakulären Aktion macht Moskau seinen Anspruch auf die Arktis-Rohstoffe geltend. Dreissig Jahre nach Ankunft des ersten Atomeisbrechers «Arktika» am Nordpol zieht Russland in den Kampf um die Öl- und Gasvorräte im Eismeer. Vorerst hat Moskau nur den atomaren Eisbrecher «Rossija», das Forschungsschiff «Akademik Fjodorow», «Mir»-Tauchkapseln und Helikopter zum nördlichsten Punkt der Erde entsandt. Doch das unter Präsident Wladimir Putin erstarkende Riesenreich lässt keinen Zweifel daran, dass die Gebietsansprüche ernst gemeint sind. Gestern stellte Russland 4302 Meter unter der Eiskappe am Nordpol die russische Trikolore aus rostfreiem Titan auf. «Die Arktis gehört uns» Wie die USA mit ihrer Mondlandung 1969 machten die Russen damit – wenn auch rechtlich ohne Bedeutung – zumindest mit starkem Symbolgehalt ihren Besitzanspruch geltend. «Die Arktis gehört uns», sagte Expeditionschef Artur Tschilingarow. «Wir müssen die Grenze bestimmen, die nördlichste Grenze des russischen Kontinents», sagte er. Putin persönlich hatte den Chef des russischen Polarforscherverbandes und Duma-Abgeordneten zum Beauftragten für das Internationale Polarjahr ernannt. Im Eiltempo hatte sich die Arktis-Mission in den letzten Tagen mit mehr als 100 Teilnehmern durch den Eispanzer des Nordpolarmeers gebrochen. Die dänische Regierung bewertete Russlands Nordpol-Aktion mit Blick auf Territorialansprüche als «bedeutungslosen Gag für die Medien». Gleichwohl erheben Dänemark und die anderen Polarstaaten Kanada, Norwegen und die USA seit langem Ansprüche. Sowohl die Klimaerwärmung, die das Eis schmelzen lässt, als auch immer bessere Fördertechniken lassen die Gewinnung der entlegenen Bodenschätze unter dem Wasser immer realistischer werden. Vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen im kommenden Winter gibt der Kreml mit der noch bis zum 5.Oktober dauernden Mission einmal mehr die Richtung vor. Bereits seit der Stalinzeit betrachtet Moskau die Gewässer zwischen der Halbinsel Kola und der Beringstrasse als sein Eigentum. Nach der UN-Seerechtskonvention von 1982 können die Anrainer eine Fläche bis zu 200 Seemeilen (370 Kilometer) von ihrem Festland entfernt als Wirtschaftszone nutzen. Bisher aber hat sich keiner daran gestört, dass Russland 600 Kilometer von Murmansk entfernt das Erdgasfeld Schtokman erschliessen will. Öl- und Gasreserven Die modernen bemannten «Mir»-Kapseln aus einer Nickel-Stahl-Legierung brachen ihren bisherigen Tiefenrekord von rund zwei Kilometern am Nordpol mühelos. Vor allem geht es den Experten nun darum, vom Grund Bodenproben mitzubringen, um Russlands Ansprüche zu belegen. Russische Wissenschaftler gehen fest davon aus, dass der unter Wasser liegende Lomonossow-Rücken die natürliche und damit geologisch identische Fortsetzung des sibirischen Teils des Landes bildet. Gleichwohl haben auch Dänemark und Kanada längst ihren Anspruch auf den 1800 Kilometer langen und bis zu 3700 Meter hohen Unterwasser-Gebirgszug angemeldet und Gutachten angekündigt. Immerhin liegt der Lomonossow-Rücken näher am dänisch regierten Grönland und an der kanadischen Ellesmere-Insel als am russischen Festland. Am Nordpol werden zehn Milliarden Tonnen Öl und Gas im Wert von mehr als 1000 Milliarden Dollar vermutet. Zudem gehe es um grosse Mengen von Gold und Diamanten. «Feilschen» hat begonnen Die international übliche Praxis der 200-Meilen-Wirtschaftszone sei für Russland nicht befriedigend, sagte der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter des Geografie-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Dmitri Oreschkin. «Dies ist eine Situation, in der man beim Feilschen exklusive Rechte fordern und diese notfalls mit Gewalt durchsetzen muss», forderte Oreschkin. Am Ende hoffe Russland auf zusätzliche 1,2 Millionen Quadratkilometer Festlandsockel – das wäre eine Fläche mehr als doppelt so gross wie Frankreich. Quelle: http://www.espace.ch/artikel_403287.html