Freispruch für Greenspan

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    Freispruch für Greenspan!


    Alan Greenspan lässt uns per morgiger Financial Times (vorab hier ) wissen, dass ihn die ständige Kritik von allen Seiten, wonach die FED und vor allem er selbst Schuld an den Kreditexzessen der letzten 10 Jahre trüge, und damit für die geplatzte Internet- als auch Housing-Bubble verantwortlich sei, ziemlich auf den Keks geht.


    Er wehrt sich mit dem Argument, dass ein Zusammenhang zwischen monetärer Politik und den Bubbles statistisch sehr fragwürdig sei. Zudem sagt er, auch in anderen Ländern mit gänzlich anderer Zentralbankpolitik hätte es starke Anstiege bei den Immobilienpreisen gegeben, ohne dass man gegen die dortigen Verantwortlichen ähnliche Vorwürfe vernehmen würde. Seiner Meinung nach wäre die Hauspreis-Bubble primär durch sinkende Realzinsen verursacht gewesen, welche wiederum durch weltweit hohe Sparquoten (”Savings Glut”) bedingt waren. Und außerdem wären Vorkommnisse wie “Subprime” auf Fehler in der Banken- und Investmentindustrie zurückzuführen, aber nicht auf die Zentralbank.


    Nun ist es bekanntlich sehr populär, über Greenspan zu lästern. Aber mal ernsthaft: ich glaube der Mann hat recht! Die Story vom “Savings glut” kaufe ich zwar weder ihm noch seinem Nachfolger Bernanke ab, der bekanntlich dasselbe Mantra kolportiert. Aber die FED scheint mir an den Bubbles selbst relativ unschuldig und, wenn überhaupt, nur mittelbar verantwortlich. Und zwar aus folgenden Gründen: [Weiterlesen -> ]


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  • Zitat aus dem Artikel von >>weissgarnix<<:
    Er wehrt sich mit dem Argument, dass ein Zusammenhang zwischen monetärer Politik und den Bubbles statistisch sehr fragwürdig sei. Zudem sagt er, auch in anderen Ländern mit gänzlich anderer Zentralbankpolitik hätte es starke Anstiege bei den Immobilienpreisen gegeben, ohne dass man gegen die dortigen Verantwortlichen ähnliche Vorwürfe vernehmen würde. Seiner Meinung nach wäre die Hauspreis-Bubble primär durch sinkende Realzinsen verursacht gewesen, welche wiederum durch weltweit hohe Sparquoten (”Savings Glut”) bedingt waren. Und außerdem wären Vorkommnisse wie “Subprime” auf Fehler in der Banken- und Investmentindustrie zurückzuführen, aber nicht auf die Zentralbank.


    Ist das nicht auch wieder so ein ORAKELSPRUCH eines alten, verbitterten Ex-Guru, den man sein Macht-Spielzeug weggenommen hat?

  • Meiner Meinung nach entstehen große Blasen, wenn vor dem Hintergrund zu großer Geldmengen/Kreditsteigerungen (merklich höher als das reale Wirtschaftswachstum) blasentypische massenpsychologische Phänomene auftreten ( Vgl. Grundidee Mises und Kritik z.B. http://www.rothbard.org/story/1131 ).
    Die Zentralbanken haben das weit über dem realen Wirtschaftswachstum liegende Geldmengen/Kreditwachstum ermöglicht (obwohl sie es verhindern könnten, z.B. Mindestreservesatz Richtung 100%) und tragen deshalb die Hauptschuld an der Blasenentstehung. Greenspan war von 1987 bis 2006 Vorsitzender des United States Federal Reserve Board... die groben Trends im Geldmengen/Kreditwachstum kennt ohnehin jeder, der im Goldseitenforum liest...
    natürlich kann man sich noch in Details verlieren... Moral Hazard, Greenspan-Put, usw...


    zu 4. Produktivitätsfortschritte: z.B. schreiben Leuschel und Vogt in "Das Greenspan-Dossier" (Kapitel New Economy Märchenstunde), daß laut amerikanischer Statistik der durchschnittliche Produktivitätszuwachs von 1951-1973 über der Steigerung von 95-2002 (2,4%) lag und in den Jahren 70-76 auf dem Niveau von 95-2002 lag. Wenn diese Statistik stimmt, ist Greenspans Argumentation ( "...dass die Gewinne der Unternehmen deshalb steigen und damit höhere Bewertungen gerechtfertigt wären..." ) mit diesem Punkt nicht wirklich untermauert...

  • ....für Interessierte.




    Freispruch für Greenspan!


    von weissgarnix, 7. April 2008




    Alan Greenspan lässt uns per morgiger Financial Times (vorab hier) wissen, dass ihn die ständige Kritik von allen Seiten, wonach die FED und vor allem er selbst Schuld an den Kreditexzessen der letzten 10 Jahre trüge, und damit für die geplatzte Internet- als auch Housing-Bubble verantwortlich sei, ziemlich auf den Keks geht.


    Er wehrt sich mit dem Argument, dass ein Zusammenhang zwischen monetärer Politik und den Bubbles statistisch sehr fragwürdig sei. Zudem sagt er, auch in anderen Ländern mit gänzlich anderer Zentralbankpolitik hätte es starke Anstiege bei den Immobilienpreisen gegeben, ohne dass man gegen die dortigen Verantwortlichen ähnliche Vorwürfe vernehmen würde. Seiner Meinung nach wäre die Hauspreis-Bubble primär durch sinkende Realzinsen verursacht gewesen, welche wiederum durch weltweit hohe Sparquoten (”Savings Glut”) bedingt waren. Und außerdem wären Vorkommnisse wie “Subprime” auf Fehler in der Banken- und Investmentindustrie zurückzuführen, aber nicht auf die Zentralbank.


    Nun ist es bekanntlich sehr populär, über Greenspan zu lästern. Aber mal ernsthaft: ich glaube der Mann hat recht! Die Story vom “Savings glut” kaufe ich zwar weder ihm noch seinem Nachfolger Bernanke ab, der bekanntlich dasselbe Mantra kolportiert. Aber die FED scheint mir an den Bubbles selbst relativ unschuldig und, wenn überhaupt, nur mittelbar verantwortlich. Und zwar aus folgenden Gründen:


    1. Zunächst mal ist mein Credo bekanntlich, dass monetäre Politik auf die Handlungen der Akteure, wenn überhaupt, nur bescheidene Auswirkungen hat. Im positiven wie im negativen, daher auch meine Behauptung, dass die FED jetzt die Zinsen auch auf Null senken könne, und das gegen die Kreditkrise trotzdem nichts helfen wird. Manche Investitionsvorhaben rechnen sich selbstredend nur bei geringeren Zinsen, das ist wohl war. Nur waren in den letzten 10 Jahren nicht die finanziellen Vorhaben das Problem, die sich “plötzlich” wegen der geringen Zinsen gerechnet hätten, sondern es waren solche, bei denen bereits massiv Spekulation eingesetzt hatte, völlig losgelöst von der Frage, ob sie sich als solches überhaupt “rechnen”. Charles Kindleberger spricht hier von “Spekulation der Phase 2″, in welcher zudem zunehmend “Outsider” am Markt als Käufer auftreten, denen es um die Frage., ob sich Projekte “rechnen” ohnehin überhaupt nicht mehr geht. Die letzten paar Jahre der Subprime-Krise waren in dieser Hinsicht ein Klassiker, wie auch das Eintreten von so kompetenten Playern wie IKB und Sachsen LB in die Welt der ABS und Conduits bestätigt.


    2. Die Bubbles in Asien 1997 sowie in USA ab Mitte der 90er (Internet, dann Immobilien) waren wohl eine direkte Folge der Implosion der japanischen Asset-Bubble in 1990, wenn man der Analyse von Kindleberger folgt. Letztere war wohl für die globalen Finanzmärkte sowas wie ein Minsky “Displacement”, ein exogener Schock, der die ökonomischen Aussichten in anderen Märkten/Regionen signifikant änderte und zu einer massigen Redistribution von Kapital dorthin führte. In Kindlebergers “Manias, Panics & Crashes” wird argumentiert, dass das Platzen der Asien-Bubble (Bangkok, Kuala Lumpur, Philippinen) kardinal für das Anschwellen der Bubble in den USA ab 1997 war, weil nunmehr Kapital hauptsächlich dorthin floss und an den US Aktienmärkten nachfragewirksam wurde. Wenn man so will, dann müßte man also primär der BoJ die Schuld an den späteren Bubbles geben, die sie befeuerte, indem sie ihre eigene anfang der 90er zum Platzen brachte.


    3. Eventuell trifft Greenspans These von den “sinkenden Realzinsen” ja tatsächlich zu, dann hätten wir es nach Meinung von Autoren wie Irving Fisher oder Knut Wicksell gar nicht mit “Spekulation” im engeren Sinne zutun gehabt, sondern mit durchaus rationalem Handeln. Die Akteure wären dann nämlich als Investoren der “Monetären Illusion” nicht erlegen, und hätten in die sinkenden Realzinsen hinein in Aktien investiert, der Überlegung folgend, dass bei einer derartigen monetären Entwicklung die Unternehmensgewinne kräftig steigen müssten. Es gibt einiges, was gegen diese Theorie spricht, aber ganz von der Hand zu weisen ist sie auch nicht, also sollten wir sie Greenspan für seine Verteidigung gestatten.


    4. Als Greenspan 1996 seine Rede von der “Irrational Exuberance” hielt, zeigte die US Wirtschaft tatsächlich starke Produktivitätsfortschritte. Seinem damaligen Argument, dass die Gewinne der Unternehmen deshalb steigen und damit höhere Bewertungen gerechtfertigt wären, kann man à priori nicht widersprechen, auch wenn es ein wenig so klingt wie das berüchtigte “Diesmal ist alles anders”.


    Ein 5. Argument bringt Greenspan in diesem Beitrag selber, nämlich dass sich nur im Nachhinein mit Sicherheit feststellen ließ, dass die US Konjunktur ab 2004 bereits wieder robust am Wachsen war. Vorwürfe, man habe damals die Zinsen zu spät angehoben, wären demnach zwar zutreffend, aber eben nur in der Retrospektive gerechtfertigt.


    Auch das trifft meiner Meinung nach zu, auch wenn es sich um ein rein formales Argument handelt, aber immerhin leitete der Mann nicht irgendeine Kreissparkasse, sondern die wichtigste Zentralbank der Welt. Mit derselben Begründung bin ich aktuell der Meinung, dass die EZB recht daran tut, auf die Kakophonie der Experten nicht zu hören, und die Zinsen unverändert zu lassen.


    Mithin komme ich also zum Schluss, dass man den Schuldigen an der aktuellen Misere wirklich nicht bei Greenspan oder der FED suchen sollte. Eventuell wären die Bankenaufsichten der beteiligten Länder der bessere Angeklagte, aber das ist wiederum eine ganz andere Geschichte …


    -Ende-

  • Greenspan wehrt sich mit dem Argument, dass ein Zusammenhang zwischen monetärer Politik und den Bubbles statistisch sehr fragwürdig sei. Zudem sagt er, auch in anderen Ländern mit gänzlich anderer Zentralbankpolitik hätte es starke Anstiege bei den Immobilienpreisen gegeben, ohne dass man gegen die dortigen Verantwortlichen ähnliche Vorwürfe vernehmen würde. Seiner Meinung nach wäre die Hauspreis-Bubble primär durch sinkende Realzinsen verursacht gewesen, welche wiederum durch weltweit hohe Sparquoten (”Savings Glut”) bedingt waren. Und außerdem wären Vorkommnisse wie “Subprime” auf Fehler in der Banken- und Investmentindustrie zurückzuführen, aber nicht auf die Zentralbank.


    Greenspan ist nicht nur ein alter Bubbler, sondern auch ein alter Blubberer. Wenn er vor lauter Floskeln überhaupt mal was Substanzielles sagt, ist es daher entweder bewusst irreführend ("conundrum"-Rede) oder wird durch eigene Taten widerlegt (pro-Gold-Rede von 1966). Eigentlich sollte man ihm daher nicht ernst nehmen und auch nicht über ihn diskutieren. Er ist nicht mehr im Amt und daher ist seine selbst-apologetische Rede hier für die heutigen Märkte irrelevant.


    Andererseits müssen wir uns von dem alten Herrn aber auch nicht unwidersprochen auf den Arm nehmen lassen. Daher kurz zum oben unterstrichenen Satz: Was glaubt denn Greenspan, wo negative Realzinsen herkommen? Fallen die vom Himmel? Nein: Nach landläufiger Definition sind Realzinsen die Zinsen sicherer Anlagen (Staatsanleihen) abzüglich der jeweiligen Inflationsrate. Und nach der noch immer mehrheitsfähigen monetären bzw. Geldmengen-getriebenen Inflationsdefinition ist die Inflation eine direkte Funktion der Geldmengenerhöhung und der Gütermengenerhöhung [ weissgarnix: Dein Protest an dieser Stelle ist zu Protokoll genommen - aber so sind wir hier nunmal].


    Und daher: Greenspan kann sich keinesfalls über irgendwie vom Himmel gefallene "sinkende/negative Realzinsen" exkulpieren! Denn die sind direkte Folge seiner eigenen Zins- und Geldmengenpolitik! Selbst wenn einige der Greenspan´schen Schlussfolgerungen (siehe Artikel von weissgarnix) durchaus plausibel und stimmig sind. Der AUSGANGSPUNK "sinkende Realzinsen" hat Gründe - und die liegen wiederum bei Greenspan selbst.


    Ein klassischer Catch-22 in der Argumentation. Greenspan´sches Spindoctoring in Hochform. Muss man nicht drauf reinfallen.


    Nutzwertiges PS: Die Realzinsen sind ehrlich gerechnet bei etwa -8% oder sogar noch tiefer! Aktien- / Immo- und Goldinvestments sind daher völlig rational. Natürlich mit Unterschied: Got Gold?

    Erst wenn die letzte Bank pleite, der letzte Staat ruiniert, die letzte Währung wertlos geworden ist, werdet Ihr merken, dass man Gold nicht drucken kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Pauli ()

  • Das Wissen um die Gründung der FED, der gesetzten Ziele und ihrer Hintermänner, zu denen man getrost Greenspan zählen kann (im religiösen Sinne), verbietet geradezu eine ehrliche und ernstgemeinte Beschäftigung mit deren Treiben.


    Gruß
    Eulenspiegel

  • Misanthrop,


    danke fürs Reinkopieren, aber der Grund, warum ich nur per Links auf Blog-Einträge verweise ist der: wenn du mit vollem Namen und Adresse Artikel ins Web stellst, dann gibt es ratzfatz schlaue Anwälte, die dir höflich aber bestimmt mitteilen, dass du gewisse Inhalte ändern oder löschen mußt, andernfalls muchos $$$ an Kosten/Zivilstrafen drohen. Ist mir zwar bis heute noch nicht passiert, aber falls das mal der Fall ist, dann möchte ich möglichst in der Lage sein, den Beitrag zentral von einer Stelle aus per ein paar Klicks zu modifzieren. Das kann ich aber nicht, wenn ich ihn 1:1 in ein halbes Dutzend Foren einstelle.


    Ich kann zwar niemand daran hindern, die Beiträge aus dem Blog zu kopieren, aber ich hoffe, es ist nun jederman klar, worum es mir geht, wenn ich nur dorthin verlinke.

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