http://www.spiegel.de/reise/metropolen/0,1518,380312,00.html
besonders niedlich: "...Und auch für Bus- und Taxi-Fahrer hat sich Jacobs etwas einfallen lassen: Serviceschulungen und Waffenverbot...."
JOHANNESBURG
Operation am stockenden Herzen
Von Roman Heflik, Johannesburg
Johannesburg, chaotische Metropole im Touristenland Südafrika, bereitet sich auf den ersten nationalen autofreien Tag vor. Damit wollen die Behörden für Busse und Bahnen werben. Die Bewohner von "Joburg" reiben sich verwundert die Augen: Was für Busse und Bahnen?
Eigentlich hatte Ignatius Jacobs den Morgenzug von Soweto ins nahe Johannesburg nehmen, dort mit einem der üblichen Minibus-Taxis ein bisschen herumfahren und schließlich einen Linienbus zurück in die Innenstadt nehmen wollen. Es wäre keine aufwendige Tour geworden - vorausgesetzt, sie hätte durch eine europäische Großstadt geführt.
Skyline von Johannesburg: "What public transport?"
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Skyline von Johannesburg: "What public transport?"
In Soweto dagegen rollte der Zug erst mit einer halben Stunde Verspätung aus dem Gleis, im Gruppentaxi fehlte der Tacho, und der Bus kam überhaupt nicht. "Meine Beamten haben die Strecke gestern abgefahren, und da fuhr noch einer", beteuert Jacobs. Der Verkehrsminister der Gauteng-Provinz, zu der auch die Multi-Millionen-Metropole Johannesburg gehört, lächelt amüsiert. Die kleine Erkundungstour hat seine schlimmsten Vermutungen über den maroden Zustand des südafrikanischen Transportsystems bestätigt. Aus gutem Grund antworten Südafrikaner auf die Frage nach öffentlichen Verkehrsmitteln häufig mit einem bitteren "What public transport?" Und Reiseführer raten zum Thema "Fortbewegung in Johannesburg" nur zu zwei Dingen: Mietwagen oder - sofern kein Minibus vorhanden - Taxi.
Und trotzdem hat Südafrika den Oktober zum Monat des öffentlichen Personennahverkehrs ausgerufen. Dessen nicht genug: Den 20. Oktober haben die Politiker zum autofreien Tag erklärt - dem Ersten in der Geschichte Südafrikas und des ganzen afrikanischen Kontinents. So viele Johannesburger wie möglich sollen Jacobs' Erfahrungen teilen - auch die, die sonst lieber in ihren Limousinen durch die Stadt rollen. "Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir auf die Verkehrsunternehmen Druck ausüben", erklärt der vor Zuversicht strahlende Provinzpolitiker während einer Pressekonferenz. "Na toll, dann brauche ich ja von meinem Township zur Redaktion zwei Stunden mehr", knurrt ein schwarzer Reporter.
Angst vor Überfällen
Auf noch weniger Begeisterung dürfte der Plan bei der weißen Bevölkerung stoßen: Wenn sie ihre mit Mauern, Stacheldraht und Elektrozäunen gesicherten Heime einmal verlassen, dann höchstens im Wagen. Angesichts der großen Armut und den extrem hohen Kriminalitätsraten haben sie - die durchaus begründete - Angst, Opfer eines Überfalls zu werden. Dass sie sich am autofreien Tag zu Fuß zur nächsten Bushaltestelle vorwagen, ist wenig wahrscheinlich.
Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie der Personennahverkehr in Johannesburg funktioniert, genügt es, sich morgens um acht Uhr an die Jan Smuts Avenue zu stellen. Die Sonne, die noch schräg am Himmel steht, heizt bereits den Asphalt der vierspurigen Fahrbahn auf, die von den hügeligen Villenvierteln im Norden auf die graubraune Skyline von Südafrikas größter Metropole zuläuft. Wagen drängt sich an Wagen. Johannesburgs Oberschicht macht sich auf den Weg zur Arbeit. Meist sind es Weiße, die die modern-mondänen Geschäftsviertel wie Sandton oder Rosebank ansteuern. Dorthin haben fast alle größeren Unternehmen in den neunziger Jahren ihre Firmensitze verlegt: Downtown-Johannesburg war nach dem Ende des Apartheid-Regimes zu schmuddelig und für Weiße zu gefährlich geworden.
Vom Straßenrand drängelt sich hupend ein Toyota-Minivan zwischen die wartenden Fahrzeuge und bringt die langsam vorwärts rollende Karawane der Berufspendler ins Stocken. Hinter den Scheiben des Vans sind ausschließlich schwarze Gesichter zu sehen, zwölf Personen drängen sich auf die vier Bänke, die man hinter den Fahrersitz montiert hat. Aus einem heruntergekurbelten Fenster dröhnt Kwaitoo-Musik, die afrikanische Mischung aus House-Music und Gangsta-Rap. Die Autofahrer fluchen, doch sie lassen den Kleinbus einscheren: Die Beulen im Blech, die zerknickte Stoßstange und die zerbrochenen Scheinwerfer verraten ihnen, was demjenigen droht, der nicht den nötigen Respektsabstand wahrt.
Minibus für alle
Kaum ein anderes Verkehrsmittel ist in Johannesburg so umstritten wie das Minibus-Taxi - und kaum ein anderes Vehikel ist derart unverzichtbar wie die Fahrzeuge von Toyota, Nissan und VW, von denen einer amtlichen Erhebung zufolge in Johannesburg und Umgebung rund 24.000 als Taxis fungieren. Fast alle verkehren auf festen Routen in die Stadt hinein und wieder zurück. Wer mitgenommen werden will, muss vom Bürgersteig aus mittels bestimmter Handzeichen angeben, wohin er möchte. Für den Großteil der Bevölkerung stellen die Minibusse die einzige Möglichkeit dar, um zur Arbeit zu gelangen: Gerade mal fünf Rand, umgerechnet etwa 60 Cent, kostet eine Fahrt von Soweto, dem riesigen Township im Südwesten Johannesburg, in die Innenstadt.
Viele der Minibus-Lenker haben nie eine Fahrschule von innen gesehen. Und ihre Hemmungen, das Tempolimit zu überschreiten, spülen nicht wenige mit einem ordentlichen Schluck Alkohol herunter. Wozu das führen kann, war erst in der vergangenen Woche in allen Zeitungen nachzulesen: In der Western Cape Provinz hatte es ein Autofahrer gewagt, einen Fahrer wegen seines rüden Fahrstils zur Rede zu stellen. Der beleidigte Chauffeur zog kurzerhand eine Pistole, schoss auf das Auto seines Kritikers - und traf dessen achtjährige Tochter in die Hüfte.
Gewalt in Bahnen
Auch Busse und Bahnen haben unter Johannesburgern einen Ruf, der schlechter nicht sein könnte - wobei Omnibusse lediglich als teuer, unpünktlich und dreckig verrufen sind. Bahnen dagegen gelten als gefährlich: Immer wieder berichten die Medien des Landes von Überfällen und Vergewaltigungen, die sich in den Vorortzügen ereignen. Pannen der im Schnitt 30 Jahre alten Züge sind an der Tagesordnung. Die entnervten Passagiere greifen mitunter zu drastischer Vergeltung: Aus Wut über mehrstündige Verspätungen zündeten Fahrgäste in East Rand in der Provinz Gauteng drei Züge an und verursachten einen Schaden von etwa vier Millionen Euro.
Laut Ignatius Jacobs soll all dies nun anders werden - nicht zuletzt wegen der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft, die Südafrika 2010 ausrichtet. Milliarden Rand pumpen Land und Provinz bereits in einen Hochgeschwindigkeitszug, der Johannesburg mit dem Regierungssitz Pretoria verbinden soll. Weitere Milliarden sollen in neue Nahverkehrszüge, Busse, Straßen und moderne Verkehrsleitsysteme gesteckt werden. Und auch für Bus- und Taxi-Fahrer hat sich Jacobs etwas einfallen lassen: Serviceschulungen und Waffenverbot.