http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_427164
08.04.2010 15:12
Wie die Fed den Goldpreis manipuliert
Berichte über die Manipulation des Goldpreises gab es schon häufiger. Doch nun gibt es neue Hinweise, dass der Goldpreis ein Spielball der internationalen Notenbanken ist. boerse.ARD.de sprach mit dem Analysten Dimitri Speck, der in seinem neuesten Buch die Goldpreisentwicklung analysiert.
boerse.ARD.de: Herr Speck, Sie haben den Goldmarkt umfassend untersucht und festgestellt, dass die internationalen Notenbanken den Goldmarkt systematisch manipulieren. Welche Hinweise haben sie dafür gefunden?
Dimitri Speck: Am Goldmarkt gibt es immer wieder schockartige Kurseinbrüche binnen kurzer Zeit ohne Anlass und auch starke Bewegungen an anderen Märkten. Ich bezeichne diese Preisbewegungen als "Intraday-Anomalien". Sie lassen sich seit dem 5. August 1993 statistisch nachweisen. Der häufigste Zeitpunkt für die Interventionen ist das Nachmittagsfixing in London, um 10 Uhr New Yorker Zeit. Zu dieser Zeit gerät der Goldpreis häufig auffallend stark unter Druck.
Mehr zum Top-Thema
boerse.ARD.de: Wie laufen diese Manipulationen ab?
Speck: Ursprünglich setzten die internationalen Zentralbanken auf Verkäufe von physischem Gold, um den Preis zu drücken. Später gingen die Notenbanken dazu über, Gold an so genannte "Bullion Banks", also spezialisierte Geschäftsbanken, zu verleihen. Inzwischen werden die Preisinterventionen hauptsächlich an den Terminmärkten unter Einsatz von Derivaten durchgeführt.
boerse.ARD.de: Aber warum sollten die Notenbanken den Goldpreis manipulieren, schließlich haben Sie doch große Mengen an Gold in ihren Tresoren?
Speck: Zentralbanken haben in erster Linie geldpolitische Aufgaben. Sie sollen die Inflation niedrig halten. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve rechnete im Jahr 1993 mit einem Szenario wie in den Siebziger Jahren - einem starken Anstieg der Inflation. Trotzdem wollte sie die Leitzinsen nicht erhöhen, um die Konjunktur nicht zu belasten. Der Goldpreis drohte daher stark zu steigen und die 400-Dollar-Marke zu überschreiten. Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich die Fed, einen weiteren Anstieg zu verhindern.
Bild zum Artikel vergrößernSo wird der Goldpreis gedrückt
boerse.ARD.de: Welche Ziele verfolgte die Fed mit dieser Politik?
Speck: Es ging darum, die Psychologie der Sparer zu ändern. Denn Gold ist, wie es der damalige Fed-Chef Alan Greenspan ausdrückte, ein Thermometer für Inflation. Wird dieses nach unten manipuliert, schätzen die Marktteilnehmer die Inflationsgefahren auch bei einer laxen Geldpolitik als weniger gefährlich ein. Die Sparer geben sich dann mit niedrigeren Zinsen für ihre Anlagen zufrieden. Gleichzeitig ist auf diese Weise möglich, die Verschuldung und auch das Leistungsbilanzdefizit stärker zu erhöhen und auch den US-Dollar zu stärken.
boerse.ARD.de: Sie haben dargelegt, mit welchen Mittel die Zentralbanken den Goldpreis nach unten manipulieren. Aber warum steigt seit dem Jahr 2001 dann der Goldpreis?
Speck: Mittlerweile verfolgen Sie nicht mehr das Ziel, den Preis zu drücken, sondern nur noch einen Anstieg zu kontrollieren. Im Jahr 2001 entschlossen sich die Zentralbanken, die Goldausleihungen zurückzuführen. Nach meinen Untersuchungen waren um die Jahrtausendwende rund 7.000 Tonnen verliehen, mittlerweile dürften es aber nur noch 4.000 Tonnen sein. Wobei diese Werte unsicher sind, da die Notenbanken keine offiziellen Daten veröffentlichen. So trennt beispielsweise die Bundesbank in ihrer Bilanz entgegen den HGB-Vorschriften nicht zwischen dem Goldbestand und den Goldausleihungen.
Dimitri Speck (Quelle: privat) Dimitri Speck
boerse.ARD.de: Sie haben davon gesprochen, dass heute die Manipulationen in erster Linie an den Terminmärkten durchgeführt werden. Aber jede Position, die zu einem Goldpreisrückgang eingegangen wird, muss doch irgendwann auch einmal zurückgeführt werden, was wiederum zu einem Anstieg des Goldpreises führt. Das ist wohl eher ein Nullsummenspiel.
Speck: Nein, denn Ziel ist es, die Investoren durch die Goldpreisinterventionen zu entmutigen und vom Gold abzuhalten - also die Goldnachfrage nachhaltig zu senken. Dies ist bei Gold möglich, denn Gold ist ein Anlagegut und kein Verbrauchsgut wie andere Rohstoffe. Angesichts der hohen weltweiten Verschuldung könnte es jederzeit eine deflationäre Schuldenkrise geben, auf die die Zentralbanken mit einer Monetarisierung der Schulden reagieren würden. Solche Maßnahmen würden stark inflationär wirken.
Sowohl bei Inflation als auch bei Deflation wäre Gold ein liquides Wertaufbewahrungsmittel, das nicht Pleite gehen kann, und das auch bei einer hohen Inflation seinen Wert bewahren würde. Durch die Interventionen allerdings wird Papiergeld relativ gesehen attraktiver gemacht. Dies ist keine echte Medizin. Sie kann nicht ewig wirken.
Das Gespräch führte Mark Ehren.
Dimitri Speck hat sich auf empirisch messbare Marktanomalien und die Analyse vernetzter Fragestellungen spezialisiert. 2001 entdeckte er mithilfe von Intradaykurs-Anomalien, dass Zentralbanken bereits seit 1993 systematisch Interventionen am Goldmarkt durchführen. Das Thema hat Speck ausführlich in seinem Buch "Geheime Goldpolitik - warum Zentralbanken den Goldpreis steuern" behandelt. Speck ist Chef-Entwickler für die quantitativen Handelsstrategien der Staedel-Hanseatic-Gruppe, die vor allem Aktienfonds berät. Zudem konzipierte er den von der Deutschen Börse veröffentlichten Stay-C Commodity Index. Speck ist Herausgeber der Finanz-Website http://www.seasonal-charts.com.