Mein Bauchgefühl sagt mir dass es bald zu einem mächtigen Crash kommt.
Mythos Börsencrash und Börsenblasen
Auf Crash-Propheten hören kann teuer werden
Die Spekulationswut um die Videospielkette Gamestop löst Angst vor einem neuen Crash aus. Doch eine neue Langzeitbetrachtung mahnt zur Gelassenheit.
In der verrückten Geschichte um die Aktie der Videospielkette Gamestop erkennt der legendäre Investor Jeremy Grantham Symptome einer «epischen Blase». Ebenso in der Tatsache, dass der Autobauer Tesla an der Börse mehr wert ist als die fünf grössten Autokonzerne der Welt zusammen.
Das «verrückte Verhalten» vor allem von Kleinanlegern sei das verlässlichste Anzeichen dafür, dass sich die Märkte in der Spätphase einer grossen Blase befänden. Grantham ist nicht irgendwer: Er sah die Börsencrashs 1987, 2000 und 2007 kommen.
Das Shiller-KGV, eine vom Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelte Kennzahl zur Erkennung von Überbewertungen, nähert sich dem Höchststand, den es zuletzt auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase im Jahr 2000 erreicht hatte. Die Anleger sind also gewarnt.
Häuser sind heute 25 Prozent mehr wert als vor dem Immobiliencrash
Allerdings hilft ihnen das nicht viel weiter. Niemand weiss, wann eine Blase platzt. Und selbst das Konzept der Blase ist umstritten. War es tatsächlich eine Immobilienblase in den USA, die 2007 die Finanzkrise auslöste? US-Häuser sind heute über ein Viertel mehr wert als auf dem Höchststand 2006.
Einzelne lokale Märkte waren sicherlich überhitzt. Aber selbst ein Hauskäufer, der ausgerechnet gegen Ende des Booms 2007 eine Hypothek aufgenommen hat und den Immobiliencrash aussitzen konnte, kann sich heute einer deutlichen Wertsteigerung erfreuen.
Der US-Technologieindex Nasdaq Composite stieg bis zum 10. März 2000 auf 5048 Punkte steil an – und brach danach um 78 Prozent brutal ein. Der Dotcom-Boom gilt als Inbegriff einer Spekulationsblase. Doch der Nasdaq steht heute bei 13’856 Punkten – 175 Prozent höher als auf dem Höhepunkt des Dotcom-Wahnsinns.
Wer damals so «verrückt» war, den Index zu kaufen, ist heute sehr viel reicher, und das selbst ohne Berücksichtigung der Wiederanlage der Dividenden.
Wer wusste, dass ausgerechnet ein Buchhändler zum Überflieger wird?
Waren die Technologieaktien damals wirklich extrem überbewertet? Viele Firmen gingen zwar in Konkurs, aber in der Summe ergibt sich ein anderes Bild. Denn die Gewinner hoben ab. Kleinanleger konnten damals unmöglich erkennen, welche Firmen nur heisse Luft darstellten und welche zu Überfliegern werden sollten. Deshalb kauften sie so ziemlich alles. Auch Amazon war damals bloss ein geldverbrennender Händler, der Bücher übers Internet verkaufte.
Ältere Anleger erinnern sich an eine weitere berühmte Spekulationsblase. Am 19. Oktober 1987 kam es zum ersten grossen Börsenkrach nach dem Zweiten Weltkrieg. Er ging als Schwarzer Montag in die Geschichte ein. Der Dow Jones verlor 23 Prozent an einem Tag, und man hatte das Gefühl, die Welt ginge unter.
Doch nach 15 Monaten war das Niveau vor dem Crash schon wieder erreicht. Im Rückblick war die Bewertung am Morgen des Schwarzen Montags, also auf dem Höhepunkt der Blase, sehr viel vernünftiger als in den folgenden Monaten der Korrektur.
Nicht einmal die Profis erkennen die richtige Zeit zum Aus- und Wiedereinstieg
Im Rückblick ist es ziemlich egal, ob ein Anleger auf dem Höhepunkt vor dem Crash oder auf dem Tiefpunkt nach dem Crash eingestiegen ist: Der Renditeunterschied ist minim.
Das Beispiel zeigt: Auf Crash-Propheten zu hören, kann teuer werden. Wie soll der Kleinanleger erkennen, wann der richtige Zeitpunkt zum Ausstieg und zum Wiedereinstieg gekommen ist? Dieses Timing gelingt selbst den Profis nicht.
Eine gelassenere Perspektive legt eine Langfriststudie der Bank Pictet nahe. Sie berechnet die Performance von Aktien und Obligationen in der Schweiz seit 1926. Am Mittwoch veröffentlichte Pictet die Resultate für 2020. Wer das Timing völlig verpatzte, also zum schlechtesten Zeitpunkt einstieg (am 19. Februar, als der Schweizer Börsenindex SPI seinen Höchststand vor der Pandemie erreichte) und auch zum schlechtesten Zeitpunkt wieder ausstieg (am 16. März), machte einen Verlust von 26 Prozent. Aber heute liegt der SPI nur noch ein Prozent unter der Höchstmarke.
[Blockierte Grafik: https://i.ibb.co/gmftRH3/Bild.jpg]
Die Analyse der historischen Renditen zeigt, dass Schweizer Aktien bei Anlagezeiträumen von mehr als 13 Jahren mit einer Ausnahme in den letzten 95 Jahren nie Verluste einfuhren. Die Ausnahme war der Crash von 1929 mit der anschliessenden Weltwirtschaftskrise.
Der durchschnittliche jährliche Wertzuwachs einer Anlage am Schweizer Aktienmarkt lag von 1926 bis 2020 bei 7,8 Prozent. 1000 Franken, die Anfang 1926 in den Schweizer Aktienmarkt investiert wurden, sind heute 1,28 Millionen wert, rechnet Pictet vor. Zieht man durchschnittliche Kosten von 0,5 Prozent pro Jahr ab, resultiert ein Nettogewinn von 814’000 Franken.
Gemäss Pictet besteht die grösste Gefahr für Anleger nicht darin, in einer Spekulationsblase den richtigen Ausstiegszeitpunkt zu verfehlen, sondern auszusteigen und dann den anschliessenden Marktaufschwung zu verpassen. Crashs führen zwar zu vorübergehenden Verlusten, das Verpassen der Hausse in der Regel aber zu dauerhaften Renditeeinbussen.
Für Pensionskassen ist die Langfristperspektive noch wichtiger
Die Langfristperspektive gilt noch stärker für Pensionskassen. Gemäss einer Untersuchung von Finanzfachleuten könnten die Pensionskassen ihre Nettorenditen um etwa zwei Prozentpunkte steigern, wenn sie ihre Aktienanteile erhöhen und in passive Indexfonds investieren würden. Das wären immerhin 20 Milliarden Franken pro Jahr, wie die NZZ berichtet.
Die Geschichte zeigt: Wenn man Aktien über einen langen Zeitraum hält, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass man von einer positiven Gewinn- und Dividendenentwicklung profitieren kann. Aber Sicherheit gibt es nicht. Markteinbrüche wird es immer wieder geben. Wir wissen nicht, wann die Blase platzt.
Ja, wir wissen nicht einmal mit Gewissheit, ob es überhaupt eine Blase war, wenn alles vorbei ist.