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Atommacht Iran
Vieles spricht dafür, dass die Mullahs die Bombe wollen - und schon in wenigen Jahren bauen können Israel und die USA wollen das nicht zulassen. Doch wie können sie Iran ohne einen neuen Krieg stoppen? Das Szenario ist weit bedrohlicher, als der Fall Irak. Es kann den gesamten Mittleren Osten in Brand setzen
[Blockierte Grafik: http://www.wams.de/media/pic/000/179/17985v1.jpg]Die iranische Atomanlage Bushehr Foto: dpa
In den Regierungsstuben Europas war man nicht begeistert, als im Herbst 2002 die Fragen zum Nuklearprogramm des Iran dringender wurden. Abwiegeln lautete die Devise auch im Berliner Kanzleramt. Einer, der Einblick in die Dossiers der deutschen Nachrichtendienste hatte, sagte: "Wir beteiligen uns nicht an Versuchen, nach dem Irak das nächste Land auf die Agenda zu heben." Nun ist der Iran auf der Tagesordnung der Weltpolitik angekommen. Es braut sich ein Konflikt zusammen, der gefährlicher ist als der Irak-Krieg.
Die Regierung in Teheran selbst forciert eine Entwicklung, die den Staat der Mullahs schnell ins Fadenkreuz einer militärischen Eskalation bringen kann. Jahrelang hat Iran alle Fragen nach dem Hintersinn seines Atomprogramms mit Tricks, Leugnen und Hinhalten abgewehrt. Alle Zusagen zur Zusammenarbeit mit der Atomenergiebehörde IAEA wurden gebrochen.
Nun sprechen auch europäische Politiker wie Außenminister Joschka Fischer von "schweren Fehlern" Irans und warnen vor einer "dramatischen Verschärfung".
Die Verärgerung darüber, wie der Iran vor allem Deutschland, Frankreich und England vorgeführt hat, ist verständlich. Ende Oktober 2003 hatte das europäische Dreigestirn in Teheran das Zugeständnis der Regierung erreicht, das Programm zur Urananreicherung auszusetzen. Doch mit ihrem Schwenk haben die Machthaber in Iran jetzt nur getan, was sie vor dieser Vereinbarung angekündigt hatten, wenn auch nur auf Persisch: sie sogleich wieder zu kündigen.
Hassan Rowhani, der als Kopf des Nationalen Sicherheitsrat für das Nuklearprogramm verantwortlich ist, sagte es deutlich: "Wir werden unser Uran-Anreicherungsprogramm freiwillig aussetzen. Für eine sehr kurze Zeit. Die Frage, das Uran-Anreicherungsprogramm tatsächlich zu beenden, war nie eine Frage, ist keine Frage und wird niemals eine sein." Schon eine Woche vor Weihnachten ließ Rowhani dies in englischer Übersetzung wiederholen.
Nach dem Scheitern der Europäer ist nun wieder die IAEA am Zuge. Sie hat dem Iran eine Frist gesetzt, bis zum 25. November alle rüstungsrelevanten Nuklearaktivitäten, vor allem die Urananreicherung, aufzugeben und rückhaltlos zu kooperieren. Andernfalls muss sich als nächster Schritt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit dem Fall befassen.
Präsident Chatami und seine gemäßigte Regierung versichern indessen fast täglich, das Atomprogramm diene "ausschließlich zivilen Zwecken". Doch die Beteuerungen, Iran wolle die Atomkraft allein zur Energieversorgung nutzen, scheint auf Grund des Ölreichtums des Landes kaum glaubwürdig. Immerhin hat die Islamische Republik das Völkerrecht auf ihrer Seite, solange sie den Atomwaffensperrvertrag einhält. Iran habe das Recht zur Urananreicherung, sagt der Leiter der nationalen Atomenergiebehörde, Gholamreza Aghazadegh.
Die wahren Machthaber im Land aber drehen die Eskalationsschraube. Es sind die Konservativen und der religiöse Wächterrat. Die Hardliner wollen die Regierung Chatami zwingen, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen. Antreiber ist der Parlamentarier Hassan Kamran aus der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und Nationale Sicherheit. Er will die Regierung verpflichten, der IAEA selbst ein Ultimatum bis November zu stellen. Dann müsse die Behörde Irans Akte schließen - mit positiver Bewertung.
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"Das Gesetz verpflichtet die Regierung zwingend, den Atomwaffensperrvertrag aufzukündigen und jede Überwachung, sowie alle Kontrollen zu verhindern, wenn die IAEA das Ultimatum nicht erfüllt", sagte Kamran.
Setzt er sich durch, droht eine unheilvolle Dynamik. Die Regierung Chatami steht einem Parlament gegenüber, das von Konservativen dominiert wird, die Kamran unterstützen. "Auf jeden Fall werden wir unser Nuklearprogramm fortsetzen. Egal ob wir unter Beobachtung stehen oder nicht", sagt auch der Präsident.
Dass der Wächterrat, die radikal ausgerichtete Theologenrunde, die jedes Gesetz auf Vereinbarkeit mit dem Islam überprüft, Kamrans Vorlage absegnet, gilt als sicher. Weniger glaubwürdig sind die Dementis des Regierungssprechers Abdollah Ramezanzadeh: "Den Atomwaffensperrvertrag aufzukündigen steht nicht auf der Regierungsagenda." Auf Nachfrage präzisierte er am Montag: "Zurzeit."
Europäische Diplomaten in Teheran sind besorgt. "Da tickt eine Bombe", sagt einer. "Es riecht nach Krieg", ein anderer. "Europa hat in den letzten beiden Jahren zu viel Zeit verloren, seine Chance, rechtzeitig politische Lösungen zu implantieren, verschlafen."
Was da verschlafen wurde - darauf machte schon am 24. November 2003 Ahmad Shirzad in öffentlicher Sitzung des iranischen Parlaments aufmerksam. Den Abgeordneten aus Isfahan nannte der Sohn Chatamis "eine von den drei Personen im Iran, die sich als Spezialisten qualifiziert zu nuklearen Fragen äußern können". Dieser Shirzad also redete Klartext. Er benannte geheime unterirdische Labors, Fabriken und Anlagen zur Urananreicherung. So etwa in Isfahan eine 20 000-Quadratmeter-Anlage, 50 Meter unter der Erde. Eine unterirdische Waffenfabrik in Parchin, südöstlich von Teheran, eine in den Bergen, nordwestlich der Hauptstadt. "Irans Kinder hungern", klagte Shirzad im Parlament, "während Mullahs in geheimen Anlagen Uran anreichern."
Was Shirzad öffentlich machte, dürfte nur die Spitze eines Eisberges sein."Wir haben nie eines der wirklich geheimen Rüstungsprojekte der Sowjets entdeckt. Nie haben wir die geheimen Nuklearanlagen in Pakistan entdeckt. Was bringt Sie zu der Annahme, dass wir im Fall Irans erfolgreicher sind", sagt ein westlicher Sicherheitsexperte.
Hinweise gibt es genügend. Gholamreza Aghazadegh, der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, sagte schon 2002 öffentlich, sein Land wolle den kompletten nuklearen Brennstoffkreislauf von der Uranförderung über die Anreicherung bis zur Endlagerung etablieren. Der Atomwaffen-Experte des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, Robert J. Einhorn, wertete dies als ein Alarmzeichen:
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"Ein Land, das den geschlossenen nuklearen Brennkreislauf hat, ist in der Lage, beide Wege zur Atombombe zu gehen: Die Plutonium-Route und den Weg über hochangereichertes waffenfähiges Uran."
Auf dem Weg scheint das Land weit fortgeschritten. Der Iran verfügt über reiche Uranvorkommen in der Provinz Yazd und hat längst eine nukleare Infrastruktur etabliert. Nutzt er sie zur Energiegewinnung oder für die Bombe? "Atombombe?" fragt Ex-Staatspräsident Hashemi Rafsanjani nach: "Ich hasse diese Waffe." Das Programm sei allein für zivile Zwecke ausgelegt. Nur dazu dienten die mindestens zwei Dutzend ober- wie unterirdischen Atomfabriken und Forschungszentren.
Diese Kapazitäten und die jahrelange Verschleierung lassen für Gary Samore vom Londoner Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) nur einen Schluss zu.
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"Je früher das iranische Atomprogramm und das, was drum herum geschieht, gestoppt wird, desto besser. Wenn wir die jetzige Situation sich weiterentwickeln lassen und nichts tun, werden die Iraner näher und näher an den Punkt kommen, an dem sie den technischen point of no return erreicht haben."
Bisher gibt es zwar starke Indizien. Doch die "smoking gun", der Beweis, dass Iran die Bombe baut, fehlt. Auf Nachfrage, was wirklich hinter Irans Atomprogramm stehe und wo denn Beweise seien, antwortete kürzlich ein IAEA-Fachmann in Wien mit dem US-Bild für eine klare Angelegenheit: "Es watschelt wie eine Ente, sieht aus wie eine Ente, und macht quak, quak. Was zum Teufel glauben Sie, ist das wohl?" Den Inspektoren fällt es schwer, den rein zivilen Charakter zu glauben. "Eine smoking gun wäre wie im Fall Pakistan ein erfolgreicher Test der Bombe."
So lange will man andernorts nicht warten. In den USA nicht und vor allem nicht in Israel. Der jüdische Staat ist die einzige Atommacht im Nahen Osten. Dies zu bleiben gilt in Tel Aviv als überlebenswichtig. Aus diesem Grund bombardierte Israel schon 1981 Atomanlagen in Irak.
In Tel Aviv fürchten viele, dass die Zeit für einen vorbeugenden Militärschlag im Falle Irans bald abläuft. Der Punkt, an dem niemand Teheran mehr hindern kann, die Bombe zu bauen, sei erreicht, sobald der Iran die Fähigkeit besitze, den nuklearen Brennstoffkreislauf zu schließen. "Wenn sie nicht gestoppt werden, sind sie in einem Jahr so weit", warnen Fachleute.
Irans Hardliner wiederum lassen an ihren Absichten gegenüber Israel wenig Zweifel. Zwar hatte Revolutionsführer Ayatollah Khomeini das noch unter dem Schah-Regime begonnene Atomprogramm zunächst als "unislamisch" verdammt. Doch schon 1981 korrigierte Ayatollah Beheshti, Ziel des Programms sei es einzig, die Bombe zu bauen. Das dies mehr ist als radikale Rhetorik, verdeutlichte Rafsandschani nach dem Waffenstillstand mit dem Irak vor Offizieren. "Im Hinblick auf chemische, biologische und radiologische Waffen ist es während des Krieges mehr als klar geworden, dass diese Waffen sehr entscheidend sind. Wir sollten uns vollkommen ausrüsten für beide Fälle: offensiv und defensiv chemische, biologische und radiologische Waffen zu benutzen."
Rafsandschani nannte anlässlich des Al-Quds-Tages in Teheran am 14. Dezember 2001 auch ein Ziel einer iranischen Bombe.
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"Die Anwendung einer einzigen Atombombe würde Israel völlig zerstören, während sie der islamischen Welt nur begrenzte Schäden zufügen würde. Die Unterstützung des Westens für Israel ist geeignet, den Dritten Weltkrieg hervorzubringen, zwischen den Gläubigen, die den Märtyrertod suchen, und jenen, die der Inbegriff der Arroganz sind."
Wenn Iran über Atomwaffen verfüge, erklärte Rafsandschani, würden diese im Hinblick auf Israel "nicht nur zur Abschreckung dienen".
Für Israel ist dies die größte Bedrohung seit der Staatsgründung. Seit längerem lanciert die Regierung Berichte, israelische Piloten würden in der Negew-Wüste Angriffe auf iranische Atomanlagen trainieren. Angeblich hat Israel Bunker brechende Bomben bei den USA bestellt.
Auch der Angriff selbst wäre kaum ohne Zustimmung der USA möglich. Die Amerikaner kontrollieren den Luftraum über dem Irak, Korridore, die Israels Luftwaffe nutzen müsste. Doch ein Angriff Israels auf Ziele in Iran birgt Risiken, die kaum kalkulierbar sind. Irans Atomanlagen sind militärisch stark gesichert. Iran besitzt mit den Shahab-3-Raketen Waffen, die nicht nur Israel, sondern jeden US-Stützpunkt im Mittleren Osten erreichen können.
Vergangene Woche testete Iran die Langstreckenrakete Shahak 4, die Ziele in Europa erreichen kann.
Hinzu kommt, dass Iran jederzeit in der Lage wäre, den Guerillakrieg gegen die USA im Irak anzuheizen. Es ist auch kaum ein Zufall, dass die Mullahs im Atomkonflikt in dem Moment zu ihrer harten Haltung zurückkehrten, als die Schwierigkeiten der USA im Irak deutlich wurden.
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"Die USA versinken im Morast des Iraks. Sie sollten schleunigst verschwinden. Dort erwartet die Amerikaner ein Schicksal, das schrecklicher als Vietnam ist", warnt Rafsandschani. Bruno Schirra