Asia Times: Washington plant Übergang zu Guerilla-Taktik und offenem Terror im Ukraine-Krieg
Wegen des Ukraine-Krieges liegen die Nerven blank in Washington. Dieser Tage hat ein hochrangiger US-Außenpolitik- und Militärexperte Klartext geredet. Kiew wird den Krieg verlieren. Die USA werden ihre Methoden ändern – hin zu mehr Terror und einer Aufstandstaktik. Kiew und Europa sollen auf antirussischem Kurs gehalten werden.
Machtkampf in Kiew
Als Aufhänger des Artikels dienen die Gerüchte, die im gegenwärtigen Kiewer Machtkampf die Runde machen: Präsident Selenskij würde in nächster Zeit den Noch-Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, General Waleri Saluschny, durch den Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kirill Budanow, ablösen. Budanow gilt als skrupelloser und ideologischer Hardliner, der loyal zu Selenskij steht. Seit Monaten soll das Vertrauensverhältnis zwischen Selenskij und Saluschny belastet sein. Im Gegensatz zu Saluschny verfügt Budanow allerdings über keine eigentliche militärische Erfahrung, sondern stammt aus dem Geheimdienst.
Der US-Experte resümiert die militärische Lage der Ukraine und gibt zu, dass die ukrainischen Truppen auf breiter Front schwere Verluste hinnehmen müssen. Zwar könne die Ukraine das russische Militär eine Weile lang aufhalten, nicht jedoch stoppen. Wenn Kiew von anderswo Truppen nach Awdejewka verlege, würden neue Schwachstellen an den jeweiligen Frontabschnitten entstehen, die von der russischen Seite ausgenutzt werden könnten. Die europäischen und amerikanischen "Verbündeten" Kiews, die der Ukraine immer noch Waffen und Finanzhilfen versprechen, wüssten jedoch, so Bryen, "dass die Ukraine dem russischen militärischen Druck nicht standhalten kann". In dieser Lage könnte der Durchbruch russischer Einheiten in Awdejewka von Selenskij als Vorwand genutzt werden, um Saluschny zu entlassen.
Neue Taktik: Diversion und Terror
Diese neue Politik werde von der mehr oder weniger konventionellen Kriegsführung zu einer terroristischen Taktik gegen Russland übergehen, so Bryen:
Zitat"Operativ wird die Politik wahrscheinlich darin bestehen, Spezialoperationen, Attentate, Bombenanschläge und andere Mittel, einschließlich der möglichen Sprengung eines Kernreaktors, einzusetzen, um die Russen zu bestrafen und sie aus dem Gleichgewicht zu bringen."
Die ukrainische Öffentlichkeit sei durch Präsident Selenskij bereits vor Monaten auf diesen Wechsel eingestimmt worden, indem er behauptete, Moskau werde "einen Kernreaktor in die Luft jagen". In Moskau sei man sich, so der US-Experte, "zweifellos bewusst", dass für einen solchen Anschlag ein Kernkraftwerk im Westen Russlands ausgewählt werden könne und "dass es ukrainische Saboteure sein werden, die den Auftrag ausführen".
"Drei Notwendigkeiten"
Diesem offenen Bekenntnis zu Terroranschlägen – auch gegen Nuklearanlagen – in Russland lässt Bryen eine Liste mit drei Punkten folgen, um die es Washington mit dem Ukraine-Krieg gehe. Der US-Autor schreibt ganz offen:
Zitat"Für Washington gibt es drei Notwendigkeiten. Die Erste besteht darin, den Krieg weiterzuführen und vom Kongress weiterhin Geld zu fordern. Das ist ein schwieriges Unterfangen, denn wenn die Ukraine kollabiert, wird es schwer sein, Unterstützung für ein aussichtsloses Unterfangen zu bekommen."
Tatsächlich ginge das Weiße Haus unter Joe Biden vermutlich nicht davon aus, dass der US-Kongress noch weitere Milliarden zur Verfügung stellen wird, "vor allem, wenn es so gut wie sicher ist, dass sie in ein Rattenloch fließen". Vielmehr ginge es den US-Demokraten aus innenpolitischen, also insbesondere wahlkampftaktischen Gründen darum, "dem Kongress und den Republikanern die Schuld für den Verlust der Ukraine" zu geben.
Erst der zweite Punkt betrifft eigentlich die Ukraine, wodurch das rein instrumentelle Verhältnis Washingtons zum Land am Dnjepr deutlich wird:
Zitat"Die zweite Notwendigkeit besteht darin, eine prowestliche ukrainische Regierung am Laufen zu halten, selbst wenn sie Kiew verlassen muss. Das bedeutet auch, dass die derzeitige Regierung politisch überleben muss: Wenn es zu einem Staatsstreich kommt, dann ist alles verloren."
Zumindest in den nächsten Monaten – vor den Wahlen im November 2024 – ist Washington daher bestrebt, einen offenen "politischen Zusammenbruch" in Kiew zu verhindern. Wie Bryen zugeben muss, sei dies ein "schwieriges Unterfangen". Denn die Ukrainer seien "verständlicherweise unzufrieden, ja sogar unglücklich". Der Grund: "Junge und alte Männer" würden "gezwungen", in "einem verlorenen Krieg" zu kämpfen. Und viele von ihnen würden nicht mehr nach Hause zurückkehren.
Die dritte von Bryen benannte "Notwendigkeit" erinnert an die vielfach kolportierte Gründungsmaxime der NATO, die dem britischen Lord Ismay zugeschrieben wird ("to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down" – "die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten"):
Zitat"Drittens muss Russland aus Europa herausgehalten werden, das heißt, die europäischen Länder müssen davon abgehalten werden, ihre eigenen Abkommen mit Moskau zu schließen. Wenn Kiew untergeht, gehen auch Europa und die NATO unter."
Sollte es Moskau gelingen, eine prorussische Regierung in Kiew einzusetzen, wären die Europäer faktisch darauf angewiesen, wieder zu einem pragmatischen Miteinander mit Moskau zu kommen. Eine zentrale Rolle spielt, so Bryen, Deutschland in diesem Zusammenhang. Zwar wolle die gegenwärtige Bundesregierung "nicht mit Russland reden", allerdings nur "zumindest nicht jetzt". Und Bryen drückt die US-Befürchtung aus, dass sich diese Berliner Haltung sogar "in naher Zukunft" ändern könne.
Der Schlussabsatz des Artikels bringt, an eine Freudsche Fehlleistung erinnernd, die Befürchtungen Washingtons zum Ausdruck. In wenigen Sätzen werden darin die US-Kriegsziele deutlich, beziehungsweise was aus Sicht der US-Machteliten auf Biegen und Brechen verhindert werden muss:
Zitat"Wenn die Ukraine fällt, wird Deutschland seine Politik ändern müssen. Der einfachste Weg für seine Regierung, die Richtung zu ändern, besteht darin, den Vereinigten Staaten die Schuld für etwas zu geben, zum Beispiel für die Zerstörung der Nord-Stream-Pipeline. Das würde die Tür für ein Gespräch mit Putin öffnen."