Bericht vom DEG-Edelmetallstammtisch in Esslingen (Auszüge)
„Edelmetallinvestoren sind die Elite der Anleger. Sie haben eine eigene Meinung zur Finanzwelt und zu Politik und Gesellschaft und handeln auch danach.“ An dieses Zitat von Folker Hellmeyer fühlte man sich auch beim 2. DEG-Stammtisch erinnert. Ähnlich wie schon beim Stammtisch in Bochum war das vorhandene einschlägige Wissen bei den Teilnehmern trotz naturgemäß z.T. gegenteiliger Ansichten sehr umfangreich, obwohl die Einladung explizit auch die Teilnahme von „Anfängern“ vorgesehen hatte.
Weit gefehlt: Schon die Vorstellungsrunde, bei der die Teilnehmer Herkunft und ggf. den Foren-Nickname aus dem Goldseiten-Forum preisgeben mussten; vor allem aber Ihre Motivation für die Beschäftigung mit Edelmetallen und ggf. konkrete Fragen darlegen konnten, zeugte von der vielfach profunden Kenntnis der Materie.
... [1. und 2.: diverse "Nutzwertthemen", v.a. zu Silber und zu Fiat-Anlagen]
3. Systemvertrauen
- Es wurde festgestellt, dass man der Mainstreampresse vor allem in Finanzdingen wie Papiergeldthemen (aber auch bei anderen Themen) nur noch sehr begrenzt trauen darf …
- … ohne dass die Runde Konsens erzielen konnte, ob dies wegen einer „unsichtbaren“ Mediensteuerung so sei oder ob nach 25 Jahren Edelmetallbaisse bis 1999 in den Redaktionen noch immer keine Kompetenz bzw. kein Bewusstsein für die Bedeutung „wahren Geldes“ bestehe
- Die Teilnehmer führten diverse Beispiele an, wie in der Geschichte der papier-geldbasierten Finanzsysteme regelmäßig Währungszusammenbrüche vorgekommen sind …
- … rein mathematisch spiele dabei der unnatürliche Zinseszinsmechanismus eine entscheidende Rolle, weil Geldvermögen bzw. Verschuldung nicht ewig exponentiell steigen könnten
4. Alternativanlagen
- Aktien wurden zunächst generell diskutiert (Papieranlage oder Substanzwert?) …
- … aber auch hier kam das Gespräch schnell auf konkrete Rohstoff-Aktien und Edelmetalltitel und deren aktuelles Bewertungsniveau
- ...
5. System“ausblick“
- Unvermeidlicherweise interessiert die Nutzwert-orientierten Anleger immer,
> welche Art des Systemkollapses kommen wird,
> was diesen auslösen könnte
> und wie lange er dauert bzw. was danach kommt
- In diesem Zusammenhang wurde intensiv über Qualität und Seriosität der bekannten Eichelburg-Berichte gesprochen. Man einigte sich schließlich darauf, dass diese Berichte sehr gut recherchiert und aufbereitet sind, dass aber die kurzfristige und sehr konkrete Timing-Prognose des Zusammenbruchs sehr gewagt ist. Eichelburg wird in einem Jahr entweder der Guru der ganzen Szene sein (falls er noch 2006/7 „Recht“ bekommt) oder seine Prognosen werden dann nicht mehr ernst genommen werden. Letzteres Schicksal hat leider in den vergangenen Jahrzehnten schon einige Kassandras ereilt, die trotz überzeugender Argumente noch immer auf die reale Bestätigung ihrer Prognosen warten.
- Die Runde erkannte mehrheitlich, dass weder die Frage des „Wann?“, noch die Frage nach „Inflation oder deflationärer Crash?“ seriös prognostizierbar sind! Warum? Weil die Notenbanken der Welt (bzw. vor allem die Fed) je nach ihren Handlungen beide Ergebnisse (evtl. sogar nacheinander) willkürlich herbeiführen können: Eine Straffung der Geldpolitik (z.B. ein Senken der Geldmengenzuwächse per annum auf „nur“ noch 3-5% statt heute noch 8-9% und/oder eine Hebung der Leitzinsen auf z.B. lediglich 7%) würde die Weltwirtschaft unweigerlich in eine Weltwirtschaftskrise stürzen. Dieser deflationäre Kollaps würde alle Assetklassen erfassen – auch Gold und Silber, welche dann jedoch (in physischer Form) trotzdem real an Kaufkraft gewönnen. Alternativ kann die Fed aber auch über eine exorbitante Inflationierung (bzw. Monetarisierung aller Schulden) die zwingend notwendige Entschuldung der USA herbeiführen. Edelmetalle würden in letzterem Szenario jedenfalls auch nominal extrem ansteigen. Details dieser Diskussion führen hier zu weit. Die Runde war sich jedenfalls einig, dass alle Anwesenden diesen Crash noch erleben würden, auch wenn das exakte Timing nicht möglich sei – außer in Form der Diskussion von steigenden Wahrscheinlichkeiten.
- Was könnte den Kollaps auslösen? Neben den eben beschriebenen (von der Fed) „gewollten“ Auslösern gibt es auch noch möglicherweise unkontrollierbare Auslöser: Hier wurden vor allem die Verwerfungen durch Hedgefonds genannt, deren Derivatkonstruktionen und die zugehörigen riesigen Verschuldungssummen mit x-fachen Hebeln und Kumulrisiken von niemandem wirksam reguliert oder auch nur überschaut werden könnten! Ebenso könnte ein allgemeiner Zusammenbruch des Vertrauens der Bürger ins Bankensystem bzw. ggü. dem Staat den Zusammenbruch herbeiführen. Auch das ist geschichtlich belegbar: Obwohl solche Tendenzen immer wieder von Staaten / Systemen im Endstadium totalitär bekämpft wurden, können diese Maßnahmen den letztlichen Zusammenbruch nur verzögern (u.U. auch einige Jahre lang) – aber nicht verhindern.
- Eine nahe liegende Diskussion darüber, welche konkreten Indizien für einen solchen Vertrauensschwund und für die Totalkontrolle des Staates heute bereits vorliegen, wurde von der Runde kaum gewünscht, weil diese Symptome zumindest in der aufgeklärten Edelmetallgemeinde ohnehin bekannt sind!
- Auch für die ebenso nahe liegende Diskussion, mit welchem Geldsystem ein Neuanfang nach dem Crash möglich sein wird, blieb leider keine Zeit mehr. Diese Diskussion ist nicht trivial! Reinhard Deutsch und andere haben hier viel Vorarbeit geleistet – dennoch darf man nicht einfach eine Edelmetall-gedeckte Währung für die Zeit „danach“ als Nonplusultra anstreben. Martin Siegel hat dankenswerterweise heute [5.12.] in einem Beitrag auf den Goldseiten eine Diskussion um eben diese Frage angeregt. Ob eine solche Diskussion tatsächlich jemals praktisch relevant werden wird oder ob sie rein akademisch bleibt, wird die Zukunft zeigen. Geführt werden muss sie trotzdem…
- Im Zusammenhang mit den Fragen nach Art (Unruhen, Verarmung, evtl. Kriege) und Dauer der Krise kamen dann letztlich auch noch Fragen nach geeigneten persönlichen Vorsorgemaßnahmen auf. Es zeigte sich, dass sich der wirklich aufgeklärte Edelmetallanleger durchaus auch Gedanken über das Überleben seiner Familie und Freunde in der Krise macht. Schließlich kann man Gold und Silber in den „heißen“ Krisenmonaten, in denen mit dem Finanzsystem möglicherweise auch die Warenlogistik zusammenbricht, nicht essen! Auf dem Stammtisch konnte dieses Thema natürlich nicht umfassend behandelt werden, so dass wir auf die einschlägige Subsistenz-Literatur, die Survival-Websites und die Forendiskussionen dazu verweisen mussten.
...
Fazit
Dieser Stammtisch war eine würdige reale Fortsetzung der virtuellen Diskussionen auf den Goldseiten und deren Forum und gab ein gutes Stimmungsbild der Community ab. Allerdings muss man ganz klar festhalten, dass die Stammtisch-Gruppe keinesfalls als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung angesehen werden kann!! Die Community kommt jedoch eindeutig allmählich aus der „Schmuddelecke“ heraus: Ein Teilnehmer stellte zurecht fest, dass solche Stammtische noch vor zwei bis drei Jahren völlig undenkbar gewesen wären, weil die Moderatoren und die Teilnehmer als Sektierer, Häretiker und Exoten abgetan und lächerlich gemacht worden wären. Die Staatsmacht und die internationale Finanzwirtschaft erreichen durch ihre immer totalitäreren Maßnahmen jedoch derzeit ohne es zu wollen, dass die Community weiter wächst – online wie offline.
Der Moderator schloss den Abend nach all den düsteren Szenarien mit der Aufforderung an die Teilnehmer, trotz allem positiv zu denken. Vorbereitetsein ist angesichts der weltgeschichtlich präzedenzlosen internationalen Finanzverwerfungen zwar nicht alles – trägt aber im Gegensatz zu Resignation enorm zu ruhigem Schlaf und zur Lebensfreude bei…
Wir planen als DEG weitere Stammtische und ggf. auch Vorträge, die über die Goldseiten und die DEG-Homepage rechtzeitig bekannt gemacht werden. Wir schließen jede Haftung für Diskussionsinhalte aus und behalten uns vor, künftige Veranstaltungen teilweise nur für DEG-Mitglieder auszurichten.
Peter Boehringer, 2. Vorsitzender der DEG