Lieber Pauli,
Sie stellen wirklich viele gute Fragen, werde ein paar mehr Postings daraus machen. Mal sehen, wie weit ich heute damit komme.
Zunächst zu dem Thema, das Ihnen wohl am meisten am Herzen liegt, der Frage nach der Absicherung durch eine Inhaberschuldverschreibung. Ich war übrigens überrascht und ein wenig verärgert, als ich gestern den Kommentar von Martin Siegel über Xetra-Gold las. Von einem, der den Begriff "Investment" im Firmennamen führt, dürfte man eigentlich erwarten, dass er die elementaren Grundbegriffe der Finanzwelt besser kennt als ein Fachfremder.
Die Inhaberschuldverschreibung (IHS) ist eine von drei wesentlichen Rechtskonstrukten, mit denen Sie Geld in Wertpapieren anlegen können: Aktie, Fonds, Anleihe/IHS. (Das vereinfacht ein bisschen, ist aber für den Zweck unserer Diskussion hier ausreichend.) Nun ist das Ziel von Xetra-Gold, die sicherstmögliche Verbriefung von Gold zu verwirklichen, die für deutsche Anleger und nach deutschem Recht verwirklicht werden kann.
Ich werde heute die drei grundlegenden Anlagekonzepte diskutieren und sagen, warum die IHS für den Anleger die beste Lösung liefert. Anschließend werde ich verschiedene Formen der IHS vorstellen, auch hier haben wir uns aus guten Gründen für eine bestimmte Form entschieden. Zuletzt werde ich ein paar Grundlagen des Insolvenzrechts darlegen, die hier im Forum anscheinend bei vielen unbekannt sind.
Xetra-Gold konnte nicht als Fonds ausgestattet werden aus zwei Gründen. Das Investmentgesetz (InvG, http://www.bafin.de/gesetze/invg.htm) verbietet Kapitalanlagegesellschaften explizit in §46, Edelmetalle oder Zertifikate über Edelmetalle für ihr Sondervermögen zu erwerben. Hinzu kommt die Pflicht zur Risikostreuung in den jeweiligen Anlageklassen in §§47ff., die die Anlage eines Fonds in einen einzigen Anlagegegenstand ausschließt. Die für den Anleger wünschenswerte Konstruktion des Sondervermögens scheidet also für einen Gold-"Fonds" im hiesigen Rechtsraum aus (in der Schweiz geht das offensichtlich).
Heute morgen kam im hessischen Kulturfunk ein längerer Bericht über die Senckenberg-Stiftung, die in Frankfurt am Main ein Bürgerhospital betreibt. Interessant fand ich die Aussage, dass das Stiftungsvermögen seit 300 Jahren überdauern konnte, weil größere Teile desselben in Aktien und Immobilien angelegt sind. Selbst durch die Weltkriege und die Hyperinflationen des 20. Jahrhunderts sicherten Immobilien und besonders Aktien als Anteilsschein an den Gewinnen von Unternehmen den Wertbestand des Stiftungsvermögens. Es wäre für Xetra-Gold theoretisch denkbar gewesen, eine Zweckgesellschaft in Form einer AG zu gründen, die Gold kauft und Aktien dafür begibt. Das war in unserem Fall nicht praktikabel, da jede Kapitaländerung (=Anzahl begebener Aktien) einer AG notariell beglaubigt und im Handelsregister nachvollzogen werden muss, bevor sie rechtswirksam wird. Das dauert mehrere Wochen in jedem Einzelfall, so lange möchten Anleger bestimmt nicht warten.
Blieb also die Inhaberschuldverschreibung. Wieder ist das Rechtskonstrukt eine Zweckgesellschaft, die so gut wie nichts tut als Gold anzuschaffen und hierfür eine IHS zu begeben. Mit einer IHS kann man im Prinzip jedes Recht verbriefen, auch den Lieferanspruch auf Gold. Es wäre sehr wünschenswert gewesen, den hinterlegten Goldbestand an den Anleger zu verpfänden, um damit das Rechtskonstrukt aus der Fondswelt des Sondervermögens möglichst genau abzubilden.
Nun sagte uns unser Wirtschaftsprüfer, dass ein verbriefter Lieferanspruch in Verbindung mit einer Verpfändung an den Käufer des Wertpapiers dazu führt, dass das verpfändete Gut bereits in das Eigentum des Käufers übergeht und dort bilanziert werden muss. Das wäre für den Privatanleger kein Problem, wohl aber für institutionelle Anleger, die ja laut $46 InvG kein Gold erwerben dürfen. Es musste also eine Entscheidung getroffen werden, ob entweder der Lieferanspruch oder die Verpfändung umgesetzt werden sollte. Die Wahl fiel klar auf den Lieferanspruch. Restlos alle Anleger, mit denen ich bis heute gesprochen habe, sehen gerade in diesem Produktmerkmal von Xetra-Gold ihre Sicherheitsbedürfnisse am besten berücksichtigt. Wer also heute Gold haben will, soll Gold kaufen, wer mit der Verwahrung von Gold selbst nichts zu tun haben möchte, kann Xetra-Gold kaufen und es in physisches Gold umwandeln, wann immer er will.
Es gibt verschiedene Verbriefungsformen der Inhaberschuldverschreibung. Zum einen ist da die Festbetragsurkunde ("ich bin unterteilt in 100 Stücke zu 10 Euro und zusammen 1000 Euro wert") und die Bis-zu-Rahmenurkunde, bei der nur festgelegt werden muss, wie viele Teilschuldverschreibungen ("Stücke") maximal begeben werden können. Der tatsächliche Wert der Bis-zu-Rahmenurkunde bemisst sich nach der Anzahl der "begebenen" Stücke.
Zunächst müssen 10.000 Stücke begeben werden, um ein Wertpapier zum Börsenhandel zuzulassen. Dies erfolge bei Xetra-Gold zum 29. November. Es wurden also 10 kg Gold angeschafft und im Gegenzug 10.000 Stücke Xetra-Gold neu geschaffen. Heute, am dritten Handelstag, sind 140.000 neue Stücke auf Xetra verkauft worde, die von Börsenteilnehmern nachgefragt wurden. Zug um Zug wird der Deutsche Börse Commodities bis morgen Nachmittag 140kg Gold verschafft und bei dessen Nachweis wird dann die Bis-zu-Rahmenurkunde (hoch-)"valutiert". Damit werden 140.000 neue Stücke Xetra-Gold in den Markt gegeben, wo sie dann in der Nacht auf Donnerstag auf die Depots der Käufer von Xetra-Gold übertragen werden.
Bis-zu-Rahmenurkunden werden in der Regel mit einem so hohen Maximalbetrag ausgegeben (bei Xetra-Gold 10 Milliarden Stück, vgl. S. 1 im Prospekt), dass der Maximalbetrag auch bei bestem Markterfolg niemals erreicht werden kann. In solch einem Fall müsste nämlich ein neues Wertpapier herausgegeben werden. Es ist also schlicht Unsinn zu behaupten, wir müssten jetzt 10.000 Tonnen Gold vom Markt nehmen oder wir hätten für diese (Un-)Menge Gold verbrieft.
Wie kann nun über eine Inhaberschuldverschreibung Insolvenzschutz sicher gestellt werden?
Hierzu zunächst ein paar Grundlagen, damit wir von der selben Basis ausgehen. Das meiste ist Ihnen sicher nicht neu, nur ist hier im Forum ein recht unterschiedlicher Wissensstand über dieses Thema messbar. Ich hoffe, dass ich die Materie nicht zu sehr verknappe und hoffe, dass Berufenere die Ausführungen präzisieren, sollte das notwendig sein.
Unternehmen müssen ab einer gewissen Größenordnung eine Bilanz erstellen. Diese besteht aus den Aktiva (Geldvermögen, Anlagen, kurz- und langfristige Forderungen gegen zB Kunden, aber auch Markenwerte, also immaterielle Vermögenswerte). Diese müssen im Geldwert exakt den Passiva entsprechen, das sind kurz- und langfristige Verbindlichkeiten, Kredite, Anleihen / Inhaberschuldverschreibungen und das Stammkapital.
Eine Insolvenz kann auf zweierlei Weise ausgelöst werden: entweder durch Überschuldung (die Aktiva decken nicht mehr den Wert der Passiva) oder durch Zahlungsunfähigkeit, also eine Geldzahlung wird fällig, die Aktiva des Unternehmens können aber nicht kurzfristig mobilisiert werden um die Forderung zu begleichen.
Wenn erst einmal das Insolvenzverfahren über ein Unternehmen eröffnet wird, wird ein Insolvenzverwalter bestimmt, der die Interessen der Gläubiger des Unternehmens vertritt. Der Insolvenzverwalter bestimmt zunächst, welche Aktiva welchen Forderungen gegenüber stehen, unterteilt dann die Gläubiger nach Vorrang. Den höchsten Vorrang genießt der Staat und die Sozialversicherungen, dann kommen die Angestellten, dann die Kreditgeber und die Gläubiger der Inhaberschuldverschreibungen, zuletzt die Geber des Stammkapitals. Bei der AG sind dies die Aktionäre, die bei einer Insolvenz in der Regel leer ausgehen. Die Halter von Anleihen, Kreditgeber und Lieferanten mit ausstehenden Rechnungen bekommen idR nur einen Teil ihrer Forderungen zurückbezahlt, sind aber besser gestellt als Aktionäre.
Bei Xetra-Gold funktioniert der Insolvenzschutz auf die folgende Weise: (1.) Zunächst ist die Deutsche Börse Commodities keine komplexe Unternehmung, sondern eine Zweckgesellschaft mit nur einem Zweck, der Emission einer Gold-gedeckten IHS gegen Anschaffung von Gold. Auf ihrer Bilanz stehen also unter den Aktiva nahezu ausschließlich Gold und auf der Seite der Passiva nahezu ausschließlich die Anzahl begebener Stücke Xetra-Gold. (2.) Bei der Schaffung neuer Stücke Xetra-Gold wird immer im Gegenzug Gold angeschafft oder weggegeben, ohne dass Geld fließt. Dadurch bildet der Goldbestand der DB Commodities und die Anzahl begebener IHS eine sog. "wirtschaftliche Einheit". Dies besagt, dass der zu bilanzierende Wert von Gold und IHS in Euro immer exakt gleich ist, da ja dafür gesorgt ist, dass für jedes Stück Xetra-Gold auch ein Gramm Gold vorrätig ist. Eine Überschuldung der DB Commodities ist aus den Aktivitäten bei der Begebung und Rücknahme von Xetra-Gold daher nicht möglich. (Dafür haftet die Deutsche Börse über ihre Tochter Clearstream mit bis zu 50 Millionen Euro pro Kalenderjahr, vgl. erster Satz auf S. 16 im Prospekt.)
Alle operativen Prozesse der DB Commodities sind an die Gesellschafter über Verträge ausgelagert und die üblichen Versicherungen wurden abgeschlossen. Die DB Commodities unterliegt daher nach menschlichem Ermessen keinen existientiellen Risiken, die zu einer plötzlichen Verschuldung führen könnten. Eine Zahlungsunfähigkeit kann nur dadurch entstehen, dass die (verhältnismäßig geringen) Kosten für zB Verwahrung von Gold, Miete, Geschäftsführung, Bilanzierung, Steuern etc. nicht beglichen werden können. Da diese Beträge auch und gerade im Verhältnis zum Wert des eingelagerten Goldes schon in Bälde vernachlässigbar klein sein werden, benötigt die DB Commodities nur ein Stammkapital von einer Million Euro.
De jure wurde mit dieser rechtlichen Konstruktion kein Sondervermögen geschaffen, in der wirtschaftlichen Wirkung kommt es dem aber beliebig nahe. Ob sie nun der Zürcher Kantonalbank oder der Deutsche Börse mehr vertrauen, dass das "Sondervermögen" auch als solches behandelt wird, muss ich Ihnen überlassen. (Ich würde beiden vertrauen
Laut Depotgesetz (http://www.bafin.de/gesetze/depotg.htm) spielt derjenige Verwahrer, der die Bestände seiner Kunden verleiht, in unberechtigter Weise herausgibt oder sonstwie wirtschaftlich nutzt, mit seiner Lizenz und die beteiligten Personen riskieren empfindliche Freiheitsstrafen (vgl. zB §§2, 12 und 34 DepotG). Dies würde auch dann gelten, wenn die Aktionäre der Deutsche Börse wechseln würden. Da die Clearstream-Tochter derzeit die einzige Wertpapiersammelbank in Deutschland ist, würde ein Lizenzentzug dazu führen, dass in Deutschland keine Wertpapiertransaktionen mehr durchgeführt werden könnten. Entsprechend sorgsam gehen wir mit der Lizenz um. Die Spekulationen über die Anteilseigner der Deutsche Börse AG laufen daher ins Leere.
So weit für heute. Ich hoffe, dass meine Ausführungen verständlich sind und dazu beitragen, den sperrigen Begriff der Inhaberschuldverschreibung zu entdämonisieren. Morgen werde ich mich an Ihre anderen Fragen setzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Björn Peters
Deutsche Börse AG