Zitat
Original von mesodor39
...
Letzte Fragen dazu:
Angenommen die Emittentin oder die deponierende Stelle oder die Deutsche Bank geht konkurs (letztgenannt eist ja durchaus subprimegeschädigt). Ist das Gold dann außerhalb der Konkursmassen anzusiedeln und ist und bleibt es Eigentum der Anteilsscheininhaber?
Ist es dann ähnlich geschützt, wie das Vermögen eines Aktien- oder Renten- oder Immobilienfonds.
Kann / darf das GOLD von anderen als den Anteilsscheininhabern beliehen oder auf Dritte übertragen weren?
Ist sichergestellt, daß beispielsweise die Deutsche Bank AG keine Leerverkäufe von Xetra-Gold vornehmen kann (sog. "naked short sales";)?
Alles anzeigen
Hallo Mesodor39,
ich schulde schon länger die Antwort auf die sehr berechtigte Frage nach dem Insolvenzrisiko der Beteiligten in den Geschäftsprozessen hinter Xetra-Gold. De jure hat der Anleger in Xetra-Gold zwar keinen Durchgriff auf das Gold der Deutsche Börse Commodities, da es kein Sondervermögen ist, de facto ist das Risiko eines Ausfalls des Lieferanspruchs aber vernachlässigbar klein. Lassen Sie uns die verschiedenen Fälle von Insolvenz durchspielen.
Deutsche Bank
Bei Ausfall der Deutsche Bank AG muss sich die Deutsche Börse Commodities schnellstmöglich ein anderes emissionsbegleitendes Institut suchen. In der Zwischenzeit bleibt der Lieferanspruch zwar bestehen, nur müsste sich die Deutsche Börse Commodities selbst um diejenigen Teilprozesse kümmern, die ab Handelsstart die Deutsche Bank übernimmt.
Glücklicherweise (und nicht ganz zufällig) ist unter den Gesellschaftern der Deutsche Börse Commodities auch eine weitere Bank, die direkten Zugang zum Londoner Goldmarkt hat und große Erfahrung als Designated Sponsor auf Xetra: Die Commerzbank könnte für die Deutsche Bank einspringen, sollte es notwendig sein.
Clearstream
Die Clearstream Banking AG ist eine Wertpapiersammelbank und darf nur risikoarme Geschäfte tätigen. Sie verwahrt in Deutschland Wertpapiere im Wert von derzeit 5900 Milliarden Euro und bald einige Tonnen Gold, die im Auftrag von Kunden aufbewahrt werden, im Insolvenzfall der Clearstream aber nicht deren Gläubigern zustehen, sondern direkt den Kunden. In unserem Fall ist das die Deutsche Börse Commodities, die bei der Clearstream (und in begrenztem Maß bei Umicore) ihr Gold verwahrt.
Umicore
Die Deutsche Börse Commodities unterhält ja bei der Umicore AG & Co. KG ein Buchgoldkonto, das zur effizienten Ein- und Auslieferung von Gold in den / aus dem Tresor der Clearstream dient. Dieses Buchgold ist über die Bilanz der Umicore abgesichert.
Bei einem Ausfall der Umicore würde die Deutsche Börse Commodities als ein Gläubiger unter vielen auf Lieferung des Goldes drängen müssen. Bevor es so weit kommt, werden die Gesellschafter der Deutsche Börse Commodities die Bilanz der Umicore jedes Quartal überprüfen und auf Risiken für Xetra-Gold hin untersuchen. Derzeit gibt es kaum ein finanziell solideres Unternehmen als die Umicore, vgl. http://www.investorrelations.umicore.com/en/financials/
Emittent
Ein Ausfall der Deutsche Börse Commodities verdient die genaueste Betrachtung.
Zunächst zu ihrer Gesellschafterstruktur. Anteilseigner sind die Deutsche Börse, fünf sehr namhafte Banken und die Umicore. Die Gesellschafter sind teilweise seit Jahrhunderten am Markt (Deutsche Börse, Bankhaus Metzler), die anderen seit einem Jahrhundert. Keine dieser Firmen könnte sich den Reputationsschaden aus einer Insolvenz der Deutsche Börse Commodities leisten. Im Zweifelfall werden die Gesellschafter eher Nachschüsse aufs Stammkapital leisten als eine Insolvenz der Deutsche Börse Commodities riskieren.
Dann zur Bilanz. Die Deutsche Börse Commodities ist eine Zweckgesellschaft, die unter ihren Aktiva fast ausschließlich Gold hat (weit überwiegend physisches Gold, bis maximal 5% Buchgold bei Umicore). Auf der Passivseite hat sie fast ausschließlich eine einzige Inhaberschuldverschreibung, die auf Xetra-Gold. Bei Ausgabe oder Rücknahme von Xetra-Gold wird die Bilanz der Deutsche Börse Commodities verlängert oder verkürzt (auf beiden Seiten gleichzeitig um den selben Betrag verändert), OHNE dass Geld fließt. Daher kann hieraus auch keine ZAHLUNGS-Unfähigkeit (=Insolvenz) herrühren.
Damit das immer so funktioniert, dürfen die Goldbestände der Deutsche Börse Commodities nur angefasst werden, wenn die Clearstream dem zustimmt - also kein Verleihen der Goldbestände, keine sonstige wirtschaftliche Verwertung. Das Gold liegt nur da und keiner darf es bewundern. Die Clearstream wird einer Bestandsveränderung an Gold nur zustimmen, wenn gleichzeitig der begebene Bestand an Xetra-Gold in entsprechender Menge geändert wird. Die Rolle der Clearstream könnte mit einem Treuhänder verglichen werden, der im Namen der Anleger von Xetra-Gold über die Richtigkeit der Geschäfte der Deutsche Börse Commodities wacht.
Was zu "fast ausschließlich" in der Bilanz fehlt, sind das Stammkapital über 1 Mio Euro zur Bezahlung der Miete, zur Erstellung der Jahresbilanz, zur Durchführung von Marketing-Maßnahmen etc. Hierfür gibt es einen zu veröffentlichenden Jahresabschluss, ein Budget, eine Geschäftsführung, einen sehr kompetenten Verwaltungsrat aus dem Kreis der sieben Gesellschafter und die üblichen Versicherungen. Die beteiligten Personen haften laut GmbH-Gesetz mit ihrem persönlichen Vermögen, wenn die Deutsche Börse Commodities aus persönlichem Verschulden eines Mitglieds dieses Personenkreises insolvent wird. Das sollte Motivation genug sein für sauberes Arbeiten und gegenseitige Kontrolle.
Die Geldströme durch die Deutsche Börse Commodities sind im Verhältnis zum Golddeckungsbestand also sehr gering, aber spielen wir den schwierig herbeizuführenden Fall einer Zahlungsunfähigkeit dennoch durch. Läge der Bestand an Xetra-Gold beispielsweise bei (in Euro umgerechnet) 100 Millionen Euro, die Überschuldung bei 1 Mio. Euro, würde sich im Fall der Insolvenz der Deutsche Börse Commodities der Lieferanspruch mengenmäßig um ca. 1% reduzieren, um die Ansprüche aller Gläubiger aus der Inhaberschuldverschreibung zu befriedigen. Das Risiko des Xetra-Gold-Anlegers ist daher sehr begrenzt.
Systemisches Risiko
Theoretisch denkbar und hier im Forum mehrfach andiskutiert ist der Fall, dass zwar alle Beteiligten bei Xetra-Gold ihren Job machen wollen, aber der Staat alle erreichbaren Goldbestände einfriert. Gegen "Eingriffe von hoher Hand" ist die Deutsche Börse Commodities über die Clearstream zunächst bis zu einem Betrag von 125 Millionen Euro versichert. Erst bei einem Gesamtbestand an Xetra-Gold über 125 Millionen Euro würden die Anleger das Risiko tragen, dass der verbriefte Lieferanspruch nicht bedient werden kann bzw in solch einem Fall mit einer Zahlung des Gegenwerts von Gold ausgeglichen würde.
Sollte der Staat das Recht auf Eigentum so eklatant missachten, dass er private Goldbestände einzieht, ist dieses Wirtschaftssystem am Ende. Chaos auf den Straßen, Plünderungen mit Mord und Totschlag, unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, dramatisches Absinken der Wertschöpfung wären die Folgen. Ob dieses Szenario schon morgen oder erst am Namenstag des Heiligen St. Nimmerleins realistisch ist, möge jeder selbst beurteilen. In der Geschichte haben sich politische Änderungen solch weitreichender Art aber über Monate und Jahre angekündigt. Gerade für diesen Fall ist der verbriefte Lieferanspruch von Xetra-Gold sinnvoll: Als Anleger kann man sich sein angespartes Gold noch schnell liefern lassen und im Wald vergraben, bevor der Staat darauf zugreift.
Naked short-selling
Dies kann im Markt immer wieder in vorkommen, ist aber kein Risiko für denjenigen, der Xetra-Gold hat: A verkauft an B Stücke Xetra-Gold, hat dieses aber nicht im Depot. Platzt das Geschäft deswegen, hat B eben keine Stücke und hoffentlich noch kein Geld bezahlt (Börsengeschäfte bleiben in solch einem Fall unerfüllt. Daher ist das Risiko für Käufer, dass sie Geld bezahlen ohne Wertpapiere zu bekommen an der Börse Null.) Leiht sich A Xetra-Gold von C, um das Geschäft mit B erfüllen zu können, muss C dem einwilligen. Solange die Stücke von C verliehen sind, können sie natürlich nicht von C ausgeübt werden. Fazit: Durch Naked Short-selling wird der Gesamtbestand an Xetra-Gold nicht verändert, daher muss der Golddeckungsbestand auch nicht angepasst werden.
Viele Grüße und so long,
Björn Peters