Original von Schwabenpfeil
Kampf um Kaffeekunden drückt die Preise
Verbraucher profitieren - Einzelhandel leidet - Tchibo-Chef warnt vor "ruinösem Wettbewerb"
von Cornelis Rattmann und Frank Binder
Die Kaffeepreise in Deutschland befinden sich erneut im freien Fall: Seit gestern bietet Aldi die 500-Gramm-Packung seiner Eigenmarke "Markus Gold" für nur noch 1,99 Euro an - das sind 20 Cent weniger als bisher. Damit reagierte der Discounter auf Aktionen seiner Wettbewerber. Schon vor einigen Wochen hatten Lidl und einige Drogeriemärkte das Pfund Kaffee ebenfalls zu diesem Preis verkauft. Bei Rossmann gab es dafür sogar Markenware von Onko, Melitta und Jacobs. "Wir haben uns schon gewundert, daß Aldi solange stillgehalten und erst jetzt nachgezogen hat", sagte Winfried Tigges, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes, in Hamburg am Mittwoch der WELT.
Für Tigges sind solche Niedrig-Preise längst nicht mehr nachvollziehbar. "Wir finden diese Entwicklung furchtbar." Man müsse bedenken, daß für ein Pfund der braunen Bohnen in Deutschland allein 1,09 Euro an Kaffeesteuer anfällt. Dazu kommen noch einmal sieben Prozent Mehrwertsteuer. "Übrig bleiben knapp 75 Cent. Daran kann keiner mehr etwas verdienen - weder die Erzeuger noch die Hersteller."
Durch das Vorpreschen der Discounter ist auch der übrige Lebensmitteleinzelhandel gezwungen, den Kaffee billiger anzubieten. Zumindest die Verbraucher wird es freuen. "Im letzten Jahr lag der Durchschnittspreis für ein Pfund bei knapp drei Euro. Jetzt sind es nur noch 2,82 Euro", so Tigges. Nach Schätzung des Verbands müßten die Preise aber rund 50 Cent höher liegen, "damit es den Produzenten wieder Freude macht". Das sieht auch Tchibo-Chef Dieter Ammer so. Er spricht von einem "ruinösen Wettbewerb" und hält die Kaffeepreise für "absolut unzureichend". Nach seiner Einschätzung müßten die Preise sogar um mindestens 70 Cent steigen. Derzeit deckt der Weltmarktpreis nicht einmal die Produktionskosten.
Gerade Discounter und größere Einzelhändler würden den Kaffee als Billigangebot nutzen, um Kunden in ihre Geschäfte zu locken und sie zum Kauf anderer Waren zu animieren. Vor allem vier große Anbieter kämpfen um die Gunst der Kaffeetrinker und beherrschen den Markt: Tchibo, Kraft Foods (Jacobs, Onko, Haag), Melitta und Aldi. Unter der Preisschlacht müssen vor allem die kleinen Einzelhändler leiden. Sie können mit den Dumping-Angeboten nicht mithalten, verlieren so immer mehr Kunden und müssen zunehmend um ihre Existenz bangen.
Trotzdem haben die stark gesunkenen Preise bislang keinen höheren Kaffeekonsum ausgelöst: "Der Verbrauch ist seit letztem Jahr von 156 auf 153 Liter pro Kopf sogar leicht gesunken", meint Tigges. Damit ist Kaffee aber noch immer vor Mineralwasser der Deutschen liebstes Getränk.
Den Billiganbietern kommt zugute, daß die Lagerbestände in Deutschland noch immer groß sind. "Das Angebot übersteigt die Nachfrage derzeit um zehn bis 15 Prozent", erklärt Tigges. Und dies, obwohl die letzte Ernte im Haupterzeugerland Brasilien schwächer als gewohnt ausfiel. Aus dem südamerikanischen Land kommen derzeit 30 Prozent des in Deutschland angebotenen Kaffees. Weitere 13 Prozent liefert Vietnam, elf Prozent werden aus Kolumbien und weitere sieben Prozent aus Indonesien eingeführt.
Mit einem Wert zwischen fünf und 14 Milliarden Dollar war Kaffee in den letzten zehn Jahren der wertmäßig zweitwichtigste Rohstoff der Erde - nach dem Erdöl. In den Anbauländern sind rund 25 Millionen Menschen mit dem Anbau der Kaffeepflanze sowie mit dem Handel und dem Transport beschäftigt.
Artikel erschienen am Don, 4. November 2004
Die Welt