Verstaatlichung der bolivischen Rohstoffe stockt
Guarani-Indianern ist ihr Präsident Morales zu bürgerlich/Proteste im Süden des Landes
Von Falk Hornuß
Bild: Valter Campanatno/ABr
Evo Morales, ein Aymara-Indio, ist seit einem Jahr Präsident Boliviens. Am 1. Mai 2006 verstaatlichte der Sozialist Morales die Erdgasindustrie des Landes. Er erfüllte mit diesem international umstrittenen Schritt sein Wahlversprechen gegenüber der indianischen Bevölkerung. Trotz seines Reichtums an Bodenschätzen (früher Silber und Zinn, heute Erdgas) ist Bolivien eines der ärmsten Länder Südamerikas. Vielen Indianern geht Morales Verstaatlichungskurs allerdings nicht weit genug. Deshalb gehen sie nun auf die Barrikaden.
Im Süden Boliviens haben sich die Guarani-Indianer jetzt mit Gewerkschaftern zusammengeschlossen. Seit einer Woche protestieren sie laut der â“Jungen Weltâ“ mit Straßensperrungen für eine „žvollständige Verstaatlichung“ der Rohstoffreserven. Zudem wurde für mehrere Stunden eine Erdgasleitung unterbrochen. Die Sicherheitskräfte beendeten diese Blockade gewaltsam. Dabei gab es zehn Verletzte. Die Mitglieder des Bürgerkomitees werfen der Regierung Morales vor, den im Land operierenden Konzernen zu weit entgegengekommen zu sein.
In Bolivien arbeiten die 12 ausländischen Konzerne mit neuen Verträgen in der Erdgas- und Erdölproduktion im Süden und Osten des Landes weiter, doch sie halten sich momentan mit Neuinvestitionen zurück. Es sind denn auch die politisch ähnlich veranlagten Regierungen der Nachbarstaaten Argentinien und Brasilien, die ihre Konzerne zwangen, auf die Forderungen von Morales bereitwillig einzugehen. Bolivien erhält nun offiziell statt 18 Prozent Anteil am geförderten Gas und Erdöl deren 82 Prozent. Doch auch schon vorher gab es Sondersteuern, die den Staatsanteil auf bis zu knapp 50 Prozent brachten.
Den bolivianischen Bergbausektor erwarten vielleicht bald ähnliche Entwicklungen. Da drohen Konflikte mit der eigenen Basis, sind in diesem Bereich doch viele kleine Kooperativen tätig. Die Regierung will auch den ehemals staatlichen Telekommunikationskonzern Entel wieder unter ihre Kontrolle bringen. Dieser war erst 1996 privatisiert worden. Die Aussichten für Boliviens Wirtschaft sind daher momentan nur schwer zu beurteilen. Wirklich schlecht sind sie aber kaum. Doch noch fehlt dem Land hauptsächlich Industrie.
Erschwert wird die innenpolitische Lage Boliviens durch Autonomiebestrebungen einzelner Landesteile. Dazu gab es bereits eine Volksabstimmung. In den vier östlichen reichsten Departaments des Tieflandes stimmte die eher europäisch-stämmige Bevölkerung für die Einführung einer föderalen Staatsstruktur mit regionaler Autonomie, in den fünf westlichen Departaments im indianischen Hochland (Chuquisaca, Cochabamba, Oruro, La Paz und Potosí) lehnte die Bevölkerung dagegen die Autonomiebestrebungen ab und stimmte für die Beibehaltung eines zentralistischen Staats. Die angestrebte Verfassungsreform kommt deshalb nicht voran. Denn Morales sozialistische MAS hat keine Zweidrittel-Mehrheit.
Veröffentlicht: 7. Februar 2007