Aus einem Leitartikel von Karl Marx, geschrieben für die "New-York Daily Tribune" mit Erklärungen zu Gold, Silber und der Währungskrise von 1856.
Interessant ist, dass auch hier ein jahrzehntelanges Handelsbilanzdefizit dazu führte, dass es eine Umbertung von EM gab (diesmal war es Silber),
die dazu führte dass der Französische Franc strauchelte und die BoE die Leitzinsen erhöhen musste.
Auch wenn wenig über die 1856er Krise geschrieben wird: sie muss wohl recht heftig gewesen sein: ähnlich wie 1929 und auch heute gab es massenhaft Weltuntergangsphantasien.
Karl Marx
Geschrieben um den 17. Oktober 1856.
Erschienen in der "New-York Daily Tribune" Nr. 4848 vom November 1856
"...Dem letzten Ausweis der Bank von Frankreich haben wir entnommen daß ihre Metallreserve die niedrige Summe von etwa dreißig Millionen Dollar erreicht hatte, nachdem sie allein im vorigen Monat um fünfundzwanzig Prozent zurückgegangen war. Wenn dieser Abfluß anhalten sollte, würden die Reserven der Bank bis Ende des Jahres erschöpft sein und die Bargeldzahlungen eingestellt werden. Um dieser äußersten Gefahr vorzubeugen, sind zwei Maßnahmen ergriffen worden. Einerseits soll die Polizei verhindern, daß Silber für den Export geschmolzen wird, und andererseits hat die Bank von Frankreich beschlossen, ihre Metallreserve unter großen Opfern zu verdoppeln, indem sie mit den Herren Rothschild einen Vertrag über die Lieferung von sechs Millionen Pfd.St. abschließt. Das bedeutet, daß die Bank, um ihr Golddefizit wettzumachen, die Disproportion zwischen den Preisen, zu denen sie Gold einerseits kauft und andererseits verkauft, noch weiter vergrößert. Auf Grund dieses Vertrages wurden am 11. Oktober 50.000 Pfd.St. in Gold und am 13. Oktober 40.000 Pfd.St. von der Bank von England abgehoben, und die "Asia", die gestern hier eintraf, bringt Nachrichten über eine weitere Entnahme von mehr als einer halben Million. Infolgedessen herrschte in London allgemein die Befürchtung, daß die Bank von England durch Erhöhung ihres Diskontosatzes die Schraube wieder anziehen würde, um zu verhüten, daß ihr eigener Fonds nach Frankreich abwandert. Als Vorbereitung dazu hat die Bank jetzt abgelehnt, Darlehen auf alle Arten von Staatspapieren außer Schatzwechseln zu geben.
...Doch all das Gold das die Bank von Frankreich in ihre Schatzkammern zu ziehen vermag, wird genau so schnell entweichen wie es hineinfließt - teils als Bezahlung von Auslandsschulden zum Ausgleich der Handelsbilanz, teils, weil es in das Innere Frankreichs abgezogen wird, um das aus dem Umlauf verschwindende Silber zu ersetzen, dessen Hortung natürlich mit der zunehmenden Heftigkeit der Krise Schritt hält, und schließlich für den Bedarf der gewaltigen, in den letzten drei bis vier Jahren errichteten Industrieunternehmen. Die großen Eisenbahngesellschaften zum Beispiel, die zur Fortsetzung ihrer Arbeiten und der Auszahlung ihrer Dividenden und Bonusse mit der Ausgabe neuer Anleihen rechneten, die jetzt unmöglich geworden sind, unternehmen verzweifelte Versuche, das Loch in ihren Kassen zu füllen. So benötigt die Westbahn Frankreichs sechzig Millionen Francs, die Ostbahn vierundzwanzig, die Nordbahn dreißig, die Mittelmeerbahn zwanzig, die Orléans-Bahn vierzig, und so weiter. Man schätzt, daß sich die Gesamtsumme, die alle Eisenbahngesellschaften zusammen brauchen, auf dreihundert Millionen beläuft. Bonaparte, der sich geschmeichelt hatte, die Politik dadurch verdrängt zu haben, daß er das allgemeine Spiel mit dem Gelde aufbrachte, ist nun eifrig bemüht, durch allerlei politische Fragen die Aufmerksamkeit vom Geldmarkt abzulenken, wie durch die Neapelfrage, die Donaufrage, die Bessarabienfrage und die Frage des neuen Pariser Kongresses; doch alles vergeblich. Nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa ist völlig davon überzeugt, daß das Schicksal dessen, was die bonapartistische Dynastie genannt wird, sowie der gegenwärtige Zustand der europäischen Gesellschaft von dem Ausgang der kommerziellen Krise abhängen, von der Paris jetzt den Anfang zu erleben scheint.
Wie wir bereits festgestellt haben, gab die plötzliche Erhöhung des Silberpreises im Verhältnis zu Gold den ersten Anlaß zum Ausbruch der Krise. Diese Erhöhung kann - ungeachtet der immensen Goldgewinnung in Kalifornien und Australien - nur durch den ständig zunehmenden Silberabfluß aus der westlichen Welt nach Asien und besonders nach Indien und China erklärt werden. Seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts hat Asien, insbesondere China und Indien, niemals aufgehört, einen bedeutenden Einfluß auf die Edelmetallmärkte Europas und Amerikas auszuüben. Da Silber das einzige Austauschmittel in diesen östlichen Ländern ist, wurde der Schatz, mit dem Spanisch-Amerika Europa überschwemmte, teilweise durch den Handel mit dem Osten abgezogen, und der Silberimport aus Amerika nach Europa wurde durch den Silberexport von Europa nach Asien ausgeglichen. <66> Freilich fand gleichzeitig ein Goldexport aus Asien nach Europa statt, doch wenn man die von 1840 bis 1850 aus dem Uralgebirge erfolgten Lieferungen außer acht läßt, so war dieser Export zu unbedeutend, um fühlbare Ergebnisse zu haben.