Das Meltdown-Derivat von Goldman Sachs.

  • Sagt ein Goldman-Sachs-Banker zum anderen: “Wir stehen vor einem globalen Meltdown des Finanzsystems!” Antwortet der andere: „Dann sollten wir ein Derivat auflegen, das bei diesem Meltdown gigantische Gewinne beschert.“


    Wer würde nicht etwas darum geben, bei Goldman-Sachs ins Nähkästchen zu gucken. Anders als Lehman-Brothers, die eine Vergangenheit als zupackende, aber wenig analysierende Wallstreet-Broker hatten, stand Goldman in der Tradition von Denkern, Analytikern – aber auch Manipulatoren und Nebelkerzenwerfern.
    Gemeinsam mit den anderen Marktteilnehmern verdiente Goldman prächtig am Subprime-Immobilienmarkt. Als der Markt zusammenbrach, gehörte Goldman (angeblich) zu den wenigen Marktteilnehmern, die sich auf Leisen Sohlen rechtzeitig vom Acker machten.


    Als der Ölpreis bei 150 Dollar/Barrel stand, empfahl Goldman öffentlich beim Öl auf steigende Kurse zu setzen, während man selbst beim Öl shortete.


    Bekannt geworden ist das Beispiel des Investores Paulson, der mit Hilfe von Goldman auf einen Crash des Subprime-Marktes wettete: Goldman baute ihm ein maßgeschneidertes Paket von Subprime-Papieren, die besonders anfällig waren. Paulson investierte sein Geld als Wette gegen das Paket. Goldman verkaufte das Paket als Investment an seine Kunden, z.B. die deutsche IKB.


    Wenn brilliante Analytiker und Nobelpreisträger die Märkte analysieren …. dann können sie komplett falsch liegen, wie der Crash des von zwei Nobelpreisträgern gemanagte Long Term Capital Management Hedge Fonds 1998 zeigte.
    http://www.youtube.com/watch?v=GKhCzubxOW0


    Andererseits: bei den derzeit „ungewöhnlich ungewissen“ Aussichten (Ben Bernenke) wäre es doch recht interessant zu wissen, wie die Analyse von Goldman Sachs über die Märkte aussieht. Also nicht die manipulative Nebelkerze, die den Märkten hingeworfen wird, wie einem Hund der Knochen – sondern die echten Insights.

  • Bei einem Zauberkünstler sollte man nicht auf die Augen oder den Mund oder die kurvenreiche Assistentin achten, sondern auf die Hände.


    Es kommt also nicht darauf an, was Goldman Sachs sagt, sondern was die Firma tut.


    Goldman hat gerade einen neuen Floater aufgelegt.
    Ein Floater ist eine Anleihe mit variabler Verzinsung.
    Eine festverzinsliche Anleihe fällt im Preis, wenn sich das Zinsniveau erhöht – da die anderen Marktteilnehmer sich ja sonst an frisch emmittierten Anleihen auf dem erhöhten Zinsniveau bedienen könnten.


    Ein Floater ist für den Geldanleger eine feine Sache, besonders beim derzeit niedrigen Zinsniveau. Bleibt das Zinsniveau niedrig, gibt es keine Veränderungen. Steigt das Zinsniveau, dann wird der Zinskupon des Floaters angepasst.


    Üblich ist, dass für den Floater ein Referenzzinssatz festgelegt wird, z.B. der 3-Monats-Euribor. Das emittierende Unternehmen zahlt einen festgelegten Zinskupon oberhalb des 3-Monats-Euribors.
    Der 1-Monats-Euribor betrug z.B. 2008 mehr als 4%, heute notiert er bei weniger als 0,65%


    http://de.wikipedia.org/wiki/Floater


    So, und jetzt schätzen Sie mal, wie hoch der Zinskupon von Goldmans neuem Floater ist:
    5,7% + Zinsen des Euribor.


    WKN: GS3BP9


    http://www.goldman-sachs.de/fi…_Yield_Zertifikate_15.pdf


    D.h. auf dem derzeitigen Niveau bekommt man satt über 6% Zinsen, die zudem alle drei Monate ausgeschüttet werden, so dass man sie gleich wieder neu anlegen kann.


    Ein großes „Aber“ gibt es jedoch: das Derivat ist keine ganz echte Anleihe, sondern ein „Aktien“-Floater, d.h. er ist an eine Bedingung aus dem Aktienmarkt geknüpft.


    Wenn während der Laufzeit des Floaters der EuroStoxx 50 einmal 50% niedriger als zur Emission notiert, dann verfällt das Investment komplett, d.h. Goldman würde in diesem Fall Null Euro zurückzahlen.


    Oha.

  • Ein interessantes „Produkt“ (ich wage kaum das Wort „Produkt“ für diese Konstrukte zu benutzen.)
    Eine als sehr sicher eingestufte Anlageform (Anleihe) wird mit einem extrem attraktiven Zinskupons ausgestattet und als Knock-Out mit einem Ereignis gekoppelt, das aus Sicht des Normalanlegers nahezu unmöglich erscheint.
    Da im Anleihemarkt dank der Nullzinspolitik von EZB und FED deftiger Anlagenotstand herrscht, wird es nicht lange dauern, bis Sparer sich im Netz von Goldman verfangen und diese wunderbare Hochzinsanleihe zeichnen.


    Auf den ersten Blick für Kleinsparer eine sichere Sache: eine systemisch relevante Bank, die nicht Pleite gehen kann, bietet 5,7% Zinsen oberhalb des Euribor an, die ständig angepasst und ausgeschüttet werden. Und als einziges Risiko steht ein Fall des EuroStoxx 50 in den Büchern. Also wirklich: das Elite-Aktien des EuroStoxx um 50% sinken, ganz ehrlich: wie wahrscheinlich ist das? Wir reden hier doch von der Allianz und Axa, von Bayer und BASF, von Daimler, Deutsche Bank und France Telecom, von L’oreal, Nokia und RWE.
    Wie sollte dieser noble Index um 50% unter die Räder kommen.


    Aber wie bezahlt Goldman dann 5,7% Zinsen?


    Kaum aus Staats- und Unternehmensanleihen, die bringen weniger. Auch nicht aus den Dividenden von EuroStoxx50-Titeln, die dürfte wohl irgendwo zwischen 1,5 und 3 Prozent liegen.


    Ich habe länger nachgedacht und bin nur auf eine Idee gekommen: der Aktienfloater ist vermutlich ein Papier, das als Counterpart für Aktienputs, vielleicht auch Calls eingesetzt wird.


    Banken geben Call- und Put-Optionsscheine aus. Die meisten davon verfallen wertlos. Aber für diejenigen, die nicht wertlos verfallen, muss die Bank das Risiko managen.
    Im Idealfall gibt es genau so viele Optimisten wie Pessimisten, d.h. Calls und Puts auf den EuroStoxx und auf Aktien von BASF, Nokia und France Telecom gleichen sich genau. Was passiert bei einem Überhang an Optimisten oder Pessimisten? Vermutlich muß dann die emittierende Bank andere Modelle finden, um dass aus Calls oder Puts resultierende Risiko zu managen.

  • Dirk Müller empfiehlt allen Aktienbesitzern, dividendenstarke Titel zu halten und die Bestände komplett mit Puts abzusichern. Er hatte das mal an mehreren Beispielen durchgerechnet. Die Performance des Depots leidet nur wenig und bei schlechter Entwicklung egalisieren die gewinne aus den Puts den Ver


    http://www.bloomberg.com/news/…ry-s-market-rebounds.html


    Aber wenn Dirk Müller seine dividendenstarken Titel mit Puts absichert, dann muß irgendjemand ja gegen Dirk Müller wetten.
    Wenn alle (Profianleger) mit einem Crash rechnen (wie aus dem Bloombergartikel ersichtlich), wer wettet dann auf steigende Märkte und ist der Counterpart.


    Im Falle der gigantischen Subprime-Spekulation gab es unter den Goldman-Klienten einen klassischen Contrarian, Mr. Paulson, der im großen Stil gegen den Subprime-Markt spekulieren wollte. Goldman stellte ein Portfolio von Subprime-Papieren zusammen, die besonders wackelig waren und verkaufte die Pakete als Anlage z.B. an die nichtsahnende IKB.


    Wenn niemand von den Profiinvestoren auf steigende Märkte wetten mag: wo könnte man noch einen Dummen finden? Bei den Kleinanlegern, die sich über niedrige Zinsen ärgern.


    Für Goldman wäre das wieder ein idealer Deal: falls es nicht zu einem Crash kommt, verfallen die Puts der Profianleger.


    Falls es zu einem Crash kommt, verfällt das Investment des Floaters komplett und Goldman kann daraus die fälligen Auszahlungen an Put-Optionscheininhaber vornehmen.


    Wie im Bloomberg-artikel ersichtlich, ist der Pessimismus und die Volatilität derzeit auf einem historischen Höchststand. Mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 1:7 könnte das jetzt derzeit der Tiefpunkt bei Aktien sein und positive Nachrichten könnten eine Rally auslösen.


    Im Mai 2008 gab es aber schon einmal eine vergleichbare Situation. Da kam es in dr Folgezeit nicht zu einer Rally, sondern einem Crash von 40%.


    Der Floater von Goldman ist ein perverses Konstrukt, da Menschen, die sich einen Aktiencrash von 50% nicht vorstellen können, zu Counterparts von Börsenprofis werden, die sich derzeit gegen einen Aktiencrash von genau solchen Dimensionen absichern.
    Goldman ist nur der Dealer.
    Die Drogenbarone sitzen im EZB-Tower, denn mit den Zinsen unterhalb der Inflationsrate werden Kleinanleger in höher verzinste, risikoreichere Anlagen getrieben, deren Risiken sie nicht verstehen.

  • Interessanterweise funktioniert das Floater-Konstrukt von Goldman auch bei einem Crack up Boom.
    Falls es eine Entwertung der Währung gibt und Aktien und Edelmetalle durch die Währungsentwertung haussieren, dann dürfte es Goldman leicht fallen, aus einem klaren Haussetrend mehr als 5,7% Rendite zu erwirtschaften.


    Und es sieht so aus, als ob Goldman gute Informationen hat, dass die Zinsen auf Papiergeld nachhaltig unterhalb der realen Inflationsrate bleiben, so dass es denen leicht fallen wird, 5,7% Euro-Zinsen zu zahlen.


    Im amerikanischen Englisch nennt man einen „Floater“ übrigens eine Leiche, die im Fluß treibt. Könnte gut sein, das mit diesem Floater bald deutsche Anleger, die ein Zinsschnäppchen machen wollten, den Fluß runtertreiben.

  • Im amerikanischen Englisch nennt man einen ?Floater? übrigens eine Leiche, die im Fluß treibt. Könnte gut sein, das mit diesem Floater bald deutsche Anleger, die ein Zinsschnäppchen machen wollten, den Fluß runtertreiben.


    Doc hc, wen interessiert, ob Papierheinis den Fluß runtertreiben?
    Könnte man als Kollateralschaden beim Kampf physische Edelmetalle gegen EM Derivate betrachten (ist klar das es hier um allgemeine Konstrukte geht).
    Ja da werden noch einige den Bach runtergehen, aber Zeit genug zum Umdenken hatten sie. :rolleyes:


  • Und es sieht so aus, als ob Goldman gute Informationen hat, dass die Zinsen auf Papiergeld nachhaltig unterhalb der realen Inflationsrate bleiben


    Ich glaube niemand mit Sachverstand würde dies bestreiten. Die Kreditgeld/Schulden-Umverteilung kann im grossen Stil nur so funktionieren. Kaputtsparen, Katalog der Grausamkeiten etc. reichen nicht aus, um die Schulden/Geldberge über die Zeit hinweg-erodieren zu lassen. Die letzten Börsen Kasino-Events haben deutlich gezeigt, wie umfassend solche Umverteilungsprozesse schlagartig in Erscheinung treten. Der nä. Knall wird Subprime zum Kinderfasching degradieren.


    @ Dr Meyer:
    Mit welchem Zeithorizont könnte dieses Szenario zugunsten Goldman-Sachs angedacht sein?

    (1) Biggest enemy of freedom is government.
    (2) Letzter Funkspruch der Titanic: "Wir schaffen das!"

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  • Ich glaube niemand mit Sachverstand würde dies bestreiten. Die Kreditgeld/Schulden-Umverteilung kann im grossen Stil nur so funktionieren. Kaputtsparen, Katalog der Grausamkeiten etc. reichen nicht aus, um die Schulden/Geldberge wegerodieren zu lassen.


    @ Dr Meyer:
    Mit welchem Zeithorizont könnte dieses Szenario zugunsten Goldman-Sachs angedacht sein?


    Laufzeit drei jahre, soweit ich es überflogen habe,
    start im september.

  • Doc hc, wen interessiert, ob Papierheinis den Fluß runtertreiben?
    Könnte man als Kollateralschaden beim Kampf physische Edelmetalle gegen EM Derivate betrachten (ist klar das es hier um allgemeine Konstrukte geht).
    Ja da werden noch einige den Bach runtergehen, aber Zeit genug zum Umdenken hatten sie. :rolleyes:


    naja, die Papierheinis, das sind unsere Onkels, Tanten, mein Zahnarzt und mein Rechtsanwalt.
    kaum ein volk in europa hamstert so viel gold wie die Deutschen - aber immer noch wenig im vergleich zu asiaten.
    irgendwie wre es mir schon ganz lieb, wenn die Deutschen gut durch die währungsturbulenzen kommen.

  • Danke Doc,


    wieder mal interessanter Beitrag. Absolut.


    Ein Überlegung bzw. Aussage vermisse ich jedoch:


    Falls GS die Kleinanleger mit dem Floater dazu benutzen will um sich gegen mögliche Zahlungen an die "Experten" abzusichern, so müsste doch auch das Volumen der Anlage dem der Gegenanlage in etwa gleichkommen?


    Das erscheint mir denn doch sehr gewagt. Oder übersehe ich da etwas?

    "Gerade wieder frisch gelesen: George Orwell`s 1984..... am Ende jubeln sie dann alle."

    Connor MacLeoad

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