Antwort an Theo: Aktien oder Gold?

  • Hallo Herr Dr_ Meyer,


    Ihre Aussage ist nicht unrichtig, aber sicherlich nicht präzise genug. Die allgemeine Aktie wird bei einem wirtschaftlichen Abschwung stark an Wert verlieren. Die richtigen Aktien sind wahrlich kein schlechter Besitz. Also meine Frage an Sie, welchen Aktien geben Sie auf einem längeren Zeitraum, sagen wir von fünf Jahren, den Vorzug. Meines Erachtens werden sich Versorger-, Rohstoff- und einige Industrieaktien als werthaltig über die Zeit erweisen. Wie immer im Leben ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes für den Erwerb und Verkauf der Anlage entscheidend.


    September 2008 wäre ein sehr guter Zeitpunkt zum Einstieg in Minenaktien gewesen. Ich hatte es geahnt, aber nicht gehandelt, obwohl die Abgeltungssteuer auf Kursgewinne noch nicht fällig gewesen wäre.


    es wird immer wieder jemanden geben, der dir irgendeinen chart zeigt "I bought here" - hier habe ich gekauft.


    ich habe im dez 2008 und im märz 2009 gekauft, mit zwei verschiedenen strategien: einmal blue chips durch alle branchen, dann nochmal turn around kandidaten.
    im Sommer 2009 habe ich bei 40% plus alles liquidiert und bin in edelmetalle gegangen. mit einer größeren position platin habe ich dual gespielt, d.h. platin hat sich fast wie eine aktie verhalten, war aber als edemetall vor einer Krise abgesichert. platin habe ich ein paar tage vor dem bailout wochenende anfang mai verkauft, da es heissgelaufen war.


    ich habe nur rohstoff und rüstungsaktien behalten: die position ist klein so dass ich den markt nicht mehr so verfolge.


    wenn man von ganz extremen turn around situationen absieht, ist es oft wichtiger WANN man kauft und nicht WAS man kauft.


    wenn alle welt darüber redet, dass man derzeit Immobilien und Versorgeraktien kaufen sollte, dann sollte man das eher nicht tun.
    ohne ins detail zu gehen: versorger und lebensmittelhersteller sind sehr kreditwürdig und deswegen hoch verschuldet.


    da wir in den letzten 30 jahren an papiergeld und aktienbesitz gewöhnt wurden, ist für uns die hemmschwelle geringer, dort unser geld zu lassen.
    außerdem haben die meisten von uns zu wenig geld, um einen polnischen bauernhof zu kaufen.


    meine aktienquote war ende 2006 gleich Null. Und ich bin nicht schlecht damit gefahren.


    wir sind nicht in einem klaren aktien-bullenmarkt.


    flossbach & storch haben den türkischen aktienmarkt während der zeit der türkischen hyperinflation untersucht: langfristiger vermögenserhalt, ja.
    aber die volatilität war so hoch, dass viele Kunden wohl Herztabletten und Valium bräuchten.


    wenn ich einen versorger oder lebensmittelhersteller suchen würde, dann würde ich einen suchen, der keine schulden hat, also irgendeine kleine gesellschaft mit sauberer bilanz in chile, indonesien oder Polen. (die umschuldung wird in den kommenden jahren wohl schwieriger, da kann dann auch mal ein versorger ins Trudeln kommen, so wie Schäffler oder Porsche, die plötzlich keine Kredite mehr bekommen haben.)

  • es gibt immer wieder das Märchen, dass man jederzeit mit den "richtigen" Aktien den Markt schlagen kann.


    Das stimmt zwar: aber da muss jeder zu sich selbst ganz ehrlich sein, ob er bisher richtig lag.


    Als Basislektüre empfehle ich immer "Die Kunst über Geld nachzudenken" von André Kostolany. auch die anderen Bücher sind schnurrig geschrieben und leichte Kost.


    Jedem, der wirklich mit Aktien Geld machen will, muss klar sein, dass er beim Kauf von Zweifeln geplagt ist und vermutlich körperliche Übelkeit spüren wird.


    Das erzählt sich im Nachhinein immer ganz lustig, wenn man während des Golfkriegs Aktien gekauft hat, während der NTV-Kommentator brüllt "Hier ist die totale Panik, alle wollen verkaufen".


    Kostolany redete bei Gewinnen aus Aktienspekulationen von "Schmerzensgeld": erst kommen die Schmerzen, dann das Geld.


    Manchmal kommen auch nur schmerzliche Erfahrung.


    wer spekulieren will, sollte sich ernsthaft mit dem psychologischen Phänomen der Overconfidence beschäftigen (google, wikipedia).

  • Leider ist es seit Jahren so, dass Anleger mit sicheren Anleihen und Sparbuch NACH Inflation und Steuern einen Vermögensverlust erleiden.


    die einzige gesellschaftlich anerkannte Anlageform, mit der es mögluch war, nach Inflation und Steuern das Vermögen zu erhalten, waren Aktien.


    da aber Aktien volatil sind und diese Volatilität gerade historische Ausmaße annimmt, würde ich aktien derzeit nur für vollprofis empfehlen.


    Das Szenario des Crack up boom steht im Raum: da könnten aktien haussieren.


    aber es gibt auch diverse ebenso wahrscheinliche szenarien ohne aktienhausse.


    ZU dem gleichen Thema "Aktien oder Gold" habe ich vor ein paar Wochen schon mal einen Artikel geschrieben:
    guckst Du HIER


    steinigt mich jetzt nicht, dass ich einen Link nach draußen setze, aber es wäre Quatsch, das gleiche nochmal 1:1 abzuschreiben.

  • oft heisst es, versorger und lebensmittelhersteller hätten ein stabiles geschäft: aber sind das nicht auch die firmen, die bei einer inflation am meisten unter staatlichen preiskontrollen zu leiden hätten? Staatliche Deckelung von Gaspreisen, Strom und Lebensmittelpreisen - scheint schon heute für viele Länder recht wahrscheinlich.
    Düngemittelhersteller? Die waren eine Zeit lang schon zu sehr Mode.

  • oft heisst es, versorger und lebensmittelhersteller hätten ein stabiles geschäft: aber sind das nicht auch die firmen, die bei einer inflation am meisten unter staatlichen preiskontrollen zu leiden hätten? Staatliche Deckelung von Gaspreisen, Strom und Lebensmittelpreisen - scheint schon heute für viele Länder recht wahrscheinlich.

    Andrerseits kann man sich keine Pleitewelle in diesem Bereich leisten. Jedenfalls nicht, solange man noch die Hoffnung hat, den Bürgerkrieg oder ähnlich unkalkulierbare Formen des Zerfalls abzuwenden. Ich habe wie du im Sommer 2009 Aktien zugunsten von Pd/Pt großteils abgestoßen, aber Versorger zum Zweck der Diversifizierung durchgehalten. Gegenüber Anleihen sind solche Aktien sogar renditemäßig höchst interessant. Nur sollte man nicht auf 'die Firma' setzen, sondern allenfalls auf das Segment. Für Anlagebeträge im Sparbuchumfang empfiehlt es sich deshalb weniger.


    Gruß
    Klaus_H.

  • Hallo Herr Dr_Meyer,


    eine Danke schön ihre ausführliche Antwort auf meine Frage. Als Kleinanleger konnte ich ein paar neue Aspekte kennenlernen. Die Motivation zu meinem Aktienbesitz heißt Diversifikation fürs Altersvermögen. Das sind dann Vermögenswerte, die nicht schnell angetastet werden sollen bzw. die zum Leben nicht direkt benötigt werden. Über einen längeren Zeitraum bleiben die Emotionen über die Kurswerte an den Börsen flacher und nur während der Erwerbsphase steigt der Blutdruck. Da mir nicht viel Zeit bleibt, um sich mit den Aktien zu beschäftigen, liegt mir die schnelle Spekulation nicht im Blut.


    Zitat

    ...außerdem haben die meisten von uns zu wenig geld, um einen polnischen bauernhof zu kaufen.

    Auch wenn das Geld da ist, sollte überlegt werden, ob es dort einem Investoren nicht wie bei den österreichischen Landerwerbern von ungarischen Bauernhöfen ergehen kann. Denn das habe ich hier über die Minenaktien gerlernt, die politische Stabilität soll mit einem hohen Entscheidungswert beim Erwerb gewichtet werden.


    Zitat

    ...wir sind nicht in einem klaren aktien-bullenmarkt.


    Genau deswegen hatte ich nachgefragt und stehe auch dem Neuerwerb von Aktien skeptisch gegenüber, besser, ich bin unsicher Geld in Aktien umzuschichten. Wenn, würde ich trotz Klumpenrisikos auf Einzeltitel setzen, auch durchaus deutsche Aktien.


    Edit:


    Hallo Klaus_H,


    Zitat

    ...aber Versorger zum Zweck der Diversifizierung durchgehalten.

    Meine Versorgeraktien (Belegschaftsaktien) ergaben über ein Jahrzehnt immer eine Divendende von über 4%. Das habe ich mit keinem Sparbuch oder Festzinsanlage erreicht. Nur EM war die letzten Jahre ergiebiger, dennoch nur rein virtuell. Daher die Frage, was verstehst du unter Sparbuchumfang ;) ? Das Palladium und Platin hältst du physisch? Mein Palladium beschränkt sich auf zwei MLs und ich ärgere mich nicht etwas mehr gekauft zu haben.

  • Meine Versorgeraktien (Belegschaftsaktien) ergaben über ein Jahrzehnt immer eine Divendende von über 4%. Das habe ich mit keinem Sparbuch oder Festzinsanlage erreicht. Nur EM war die letzten Jahre ergiebiger, dennoch nur rein virtuell. Daher die Frage, was verstehst du unter Sparbuchumfang ;) ? Das Palladium und Platin hältst du physisch? Mein Palladium beschränkt sich auf zwei MLs und ich ärgere mich nicht etwas mehr gekauft zu haben.

    Sparbuch - bzw. bei heutigen Zinssätzen Kopfkissen - ist für Beträge, die man flüssighalten will und bei denen die Spesen zweier Transaktionen in keiner Relation zum Kapital stehen. Ich würde sagen: irgendwo zwischenbei 3 und 30kEUR dürfte für die meisten die sinnvolle Grenze einer Aktienanlage unter sonst sinnvollen Umständen sein. Ich selber mache aus historischen Gründen Geldanlagen für einen größeren Familienclan, da stellt sich diese Frage nicht, weil in den Pool nur das geht, was auch angelegt werden soll.


    Die Platinmetalle resultierten aus der Überlegung, daß man sich irgendwo zwischen 'Krise ist zu Ende, der Aufschwung kommt' und 'desaströser Doppeldip steht vor der Tür' positionieren mußte (ich glaube übrigens nicht, daß das schon ausgestanden ist und halte sowas wie eine hochinflationäre Depresssion in 2-3 Jahren nicht nur für eine theoretische Möglichkeit). Und in Unkenntnis der Zukunft schienen mir Pd/Pt das insgesamt deutlich kleinere Risiko gegenüber einem 08/15-Aktienquerschnitt zu sein. Gold schien mir eine zu einseitige Spekulation auf den Kollaps, aber physisch werden die Platinmetalle aus denselben Gründen gehalten, aus denen andere Leute Gold einsammeln.Mit diesem habe ich mich persönlich schon um 2001 herum hinreichend positioniert - da mache ich erstmal nichts.


    Rückblickend: der Hellsehende hätte auf dem Höhepunkt der Internetblase vor 10 Jahren den Totalschwenk von Aktien zu EM vollzogen - natürlich unter Ausklammerung von Pd...Man sehe sich dazu im Chartthread mal die Gold-vs.-Dow-Kurven an.


    Gruß
    Klaus_H.

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