interessanter Kinofilm: "Die kommenden Tage"

  • Heißt es nicht immer, dass Künstler die Schwingungen ihrer Zeit besonders aufmerksam aufnehmen?


    Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an das ambitionierte Projekt „24 Stunden Berlin“. Am 5. September 2008 bannten 80 Kamerateams um Regisseur Volker Heise einen Tag in der deutschen Hauptstadt auf Zelluloid. Sie begleiteten die verschiedensten Berliner einen Tag lang, vom U-Bahnfahrer bis zum Chef des Bundeskanzleramts.
    Es ist ein erstaunliches Dokument geworden. Zwei Stunden lang habe ich mir den Film angesehen: Berliner blinzeln in die warme Morgensonne von Berlin Charlottenburg. In der Zeitung steht: „Die Wirtschaft brummt. In den USA ist Wahlkampf.“ Kanzleramtsminister Thomas de Maizière eröffnet irgendeine Sitzung. Wenn ich es recht erinnere, ging es um Tiefbauvorschriften. Es ist ein ruhiger und warmer Tag in Berlin.
    Zehn Tage später riss die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers die Welt in einen Strudel, der das Wirtschaftsleben kurzzeitig fast zum Erliegen brachte. Nach Auskunft des damaligen Finanzministers Steinbrück begannen die Deutschen ihre Konten zu plündern. Ein Zusammenbruch des Finanzsektors und der Welt „as we know“ schien bevorzustehen.


    Obwohl die weltweite Finanz- und Kreditkrise Anfang September 2008 bereits seit über einem Jahr brodelte und es mit der Pleite von Bear Stearns und den Rettungen der Hypothekengeber Freddy & Fanny bereits Zwischeneruptionen gegeben hatte, vernahm niemand das Grollen des Vulkans. „24 Stunden Berlin“ dokumentiert die Taubheit in der „Mitte der Gesellschaft“.


    Fast zeitgleich endeten die Dreharbeiten zu einem ganz anderen Film, der die Vorahnungen empfindsamer und aufmerksamer Menschen weit mehr widerspiegelt. „Die kommenden Tage.“

    „Ahnung, das heißt Vorgefühl, etwas von dem man weis, aber es nicht zu identifizieren vermag…
    Die Dinge werden sich ändern in den kommenden Tagen…


    Am Anfang wird das zerbrechen, was uns unsere Sicherheit gab…


    Bald darauf wird ein Krieg ausbrechen, den wir nicht nur aus der Entfernung beobachten, er wird uns alle betreffen, tief in das Herz unserer Familie eindringen…“
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    Trailerlink: http://www.youtube.com/watch?v=FgQKVKnlYZk

  • Aus der Perspektive einer gutbürgerlichen Familie wird der Zerfall einer Familie und der bürgerlichen deutschen Gesellschaft in einer sehr nahen Zukunft geschildert. Der Film beginnt 2012 und endet 2020.


    Was auf den ersten Blick etwas nach Buddenbrocks klingt, entpuppt sich beim näheren Hinschauen als bedrückendes Untergangsszenario, dass unangenehmerweise bereits übernächstes Jahr beginnt.


    In der dargestellten nahen Zukunft nehmen die sozialen Spannungen in Deutschland zu. Die weltpolitischen Spannungen im Kampf um die letzten Rohstoffressourcen münden in einem Krieg. Kein „bewaffneter Konflikt“, kein „Fernsehkrieg“, der sich mit einem begrenzten Kontingent von 5000 Mann bestreiten lässt und der seltsam fern bleibt, wie derzeit in Afganistan. Nein, diesmal ist es ein großer Krieg, dessen Gefallenenlisten sich tief in die Abiturjahrgänge der Mittelschichtjugend hineinfressen.

  • Nördlich der Alpen rollen klimatisierte ICEs auf Hochgeschwindigkeitsstrecken, südlich der Alpen regiert das Chaos. Am Brennerpass endet das, was man Europa und Zivilisation nennt. Die EU ist zerbrochen und Nordeuropa hat sich mit Waffengewalt und Stacheldraht von den Flüchtlingsströmen des Südens abgeschottet.


    Gegen einen dekadenten Staat und aus Protest gegen den Krieg formt sich eine Widerstandsbewegung, die mit terroristischen Mitteln eine wie auch immer geartete Änderung des Systems erzwingen will. Erinnerungen an die RAF und die blutigen 70er Jahre werden wach.


    Ob es auch Andeutungen über Hyperinflation gibt, weis ich nicht. Immerhin will der Trailer die Leute ja nicht verschrecken, sondern ins Kino locken. Und es wäre vermutlich zu viel verlangt, wenn in so einem Film auch noch die tieferen Ursachen der Krise des Schuld- und Papiergeldsystem erklärt werden.


    Aus einer Radio-Rezension weis ich, dass gegen Ende des Films die Fassade der bürgerlichen Gesellschaft komplett zerreißt. Was Roland Leuschel den „Zerfall der öffentlichen Ordnung“ nennt, bekommt ein Gesicht: Auch in Deutschland wird die Lage so unsicher, dass Security-Männer die Supermarktkunden bis zum Auto bringen müssen.
    In den Straßen von Berlin-Charlottenburg liegen Tote, um die sich niemand kümmert. Gewalt, Angst und Unsicherheit dringen bis in die Vorgärten der oberen Mittelschicht vor.


    Viele Dinge, über die wir in den Foren diskutieren, sehen sehr hässlich aus, wenn man sie zu Ende denkt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann wollte Regisseur Lars Kraume keinen politischen Film machen, sondern nach der Geburt seines ersten Kindes darüber nachdenken, in was für einer Welt sein Kind einst leben wird.


    Auch wenn „Die kommenden Tage“ nicht den ursachenforschenden Ansatz verfolgt, den wir verfolgen und auch kein politischer Film sein will, liefert der Film doch genau die Bilder, die uns wie Dämonen in dunklen Momenten verfolgen: Krieg, Terrorismus, Einschränkung der Bürgerrechte, Verfall der öffentlichen Ordnung – und das mitten in Deutschland.

  • Niemand erwartet von Künstlern ein maßstabsgetreues Modell der Zukunft, von daher sehe ich mir den Film einmal ganz unbefangen an und bin gespannt, wie sich Filmleute, die Talent und Budget hatten, eine Zukunft vorstellen, in der Merkels Fünfjahrplan zu Wachstum und Prosperität von negativen Ereignissen überrollt wurde.


    Ich vermute, dass die Rolle von Schulden und Geld in dem Film gar nicht vorkommt. Ich glaube Thomas Mann schrieb einmal, dass nicht einmal der Weltkrieg den Kern der deutschen Gesellschaft so gründlich zerstört hat, wie die Hyperinflation von 1923. Viele Versuche von Künstlern und Historikern, sich dem Phänomen des politischen Extremismus in den 30er Jahren zu nähern, waren zum Scheitern verurteilt, weil sie das Phänomen der „Entkernung“ der bürgerlichen Gesellschaft durch die Hyperinflation von 1923 nicht berücksichtigen.

  • Auch in den 70er Jahren gab es übrigens düstere „Dark Future“-Visionen („Mad Max“ 1980). Umweltverschmutzung, Atomkriegsgefahr, Vietnamkrieg und Inflation waren der Nährboden für diese dunklen Visionen.
    Schnell vergessen wird aber, dass nicht Margaret Thatchers Reformen Großbritannien aus der Krise geholt haben, sondern das Nordseeöl. Und in Deutschland und den USA hat man in dieser Zeit zwar kein neues Öl gefunden, aber eine vermeintliche „Goldader“: die Herausgabe lang laufender Staatsanleihen.

  • ..........ich gebe es gleich auf....zwei mal geschrieben, ständig Zusammenbruch des servers.....


    Also, wollte bloß schreiben das mir der Film als "The Road " Abklatsch vorkommt.
    Deutsche Filmemacher eben.


    Richtig gute Filme zu dem Thema gab es schon vor Jahren von den Russen. Lubaschenkos "Briefe eines toten Mannes" von 1986 und "Stalker" vom genialen Tarkovskij (lief nur in der DDR zwei Tage und wurd dann verboten).
    Da kommt keine gottesfürchtige Ami-Schnulze made in Hollywood und auch kein hausbackener doitscher -Gewollt und leider nicht Gekonnt- Film ran!

    [Blockierte Grafik: http://i53.tinypic.com/24vuzyt.jpg]

  • Na ja, hab mir gerade den Trailer angesehen.... Und denke ich werde mein Geld nicht für den Film springen lassen ^^ .Kommt mir vor wie ein typischer deutscher Film der letzten Jahre (incl. Daniel Brühl), der so ein bisschen auf alternativ gemacht ist (siehe die Wolke u.ä) und ernste Themen behandeln will, letzlich aber an den selbst gesetzten Grenzen scheitert. So ein bisschen nach dem Motto: die Welt geht unter, aber gemeinsam und durch die Liebe :love: schaffen wir das ^^. Also echte Weltverbesserung. Aber naja... muss ehrlich zugeben, dass ich in Bezug auf Filme sehr sehr skeptisch geworden bin. Meiner Ansicht nach sind die wenigsten Drehbücher durchdacht oder logisch, sondern es geht halt vielfach nur noch darum Staraufgebot in einer mehr oder weniger reißerischen Story zu präsentieren und ein paar Klischees zu bringen. Das sollte dann für einen Kinoerfolg reichen :love:
    Okay. Genug der Kritik. Ich habe den Film ja nicht gesehen Wünsche trotzdem viel Spaß beim Gucken


    Viele liebe Grüße, Johnny Nebrasko Nashville [smilie_blume]

  • "The day after tomorrow" vor ein paar Jahren; "2012" vor nicht allzu langer Zeit; "Die Straße" vor kurzem und jetzt wieder ein Ding aus diesem Horrorszenario-Genre....


    Also, wenn ich da länger drüber nachdenke kommt bei mir der Verdacht auf, wir sollen irgendwie auf irgendwas vorbereitet werden. Soviel Zufall kann das kaum noch sein, dass derartige Filme momentan wie aus der MPi geschossen kommen; ist ja fast wie Dauerfeuer.....

    Silber ist nun etabliert. Silber ist nicht mehr geheim. Silber ist frei. Silber ist sexy!
    Zitat "Bürgerrechtler" am 05.05.2011 ( mein Zusatz: Silber macht frei ! )



    Offenbar haben Menschen ein Problem damit, Ungeheuerlichkeiten zu glauben und sich dieser Realität zu stellen.

  • Also, wenn ich da länger drüber nachdenke kommt bei mir der Verdacht auf, wir sollen irgendwie auf irgendwas vorbereitet werden. Soviel Zufall kann das kaum noch sein, dass derartige Filme momentan wie aus der MPi geschossen kommen; ist ja fast wie Dauerfeuer.....


    Das ist so wie die ganzen Terroristenfilme der 90iger. Und was kam danach ??

  • ... Kinofilme sind m.E. zum großen Teil nur ein Ventil für die Massen. Auch dieser Film. Das ist so ähnlich wie im alten Rom im Amphitheater: unten stechen sich die Gladiatoren ab und auf den Rängen kann sich die Masse austoben.


    Und bei diesem Film kann man sich dann richtig schön gruseln über die kommende Katastrophe, kippt hinterher noch ein Bierchen, schaut auf die Uhr: "Oh, schon 22.30 Uhr. Jetzt aber schnell heim, damit ich morgen auch aus'm Bett komme!"


    Ebenso ist es bei den meisten anderen Filmen: im Film werden Gefahren bestanden oder Menschen gehen heldenhaft auf die Suche, ihr Leben zu ändern und zu verbessen und zu meistern. Nur der Zuschauer ändert nicht sein Leben, sondern betäubt sich für 90 Minuten im Kinosessel, um dann den gleichen Trott unzufrieden weiterzumachen wie bisher.


    Deswegen gehe ich immer weniger ins Kino. Ist im Vergleich zum realen Leben einfach langweilig. Jede Skatrunde ist spannender ...


    Besten Gruß
    goldmartin

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