CHINA
Dem Drachen droht der Hitze-Kollaps
Die chinesische Wirtschaft wächst weiter mit Raten von knapp zehn Prozent. Nach Meinung von Experten kann das nicht mehr lange gut gehen: Sie warnen vor Überhitzung und Inflation.
AP
Boomregion China: Selbst Peking tritt auf die Bremse
Das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik hat sich nach Angaben der nationalen Statistikbehörde im ersten Quartal nur minimal abgeschwächt. Nach stolzen 9,9 Prozent Zuwachs im vierten Quartal 2003 folgten im ersten Quartal dieses Jahres 9,7 Prozent Wachstum. Die Wirtschaft zeige Zeichen einer Überhitzung, warnt die Statistikbehörde.
Obwohl die Regierung in Peking das Wachstum in diesem Jahr auf sieben Prozent begrenzen möchte, rechnet das Investmenthaus Goldman Sachs mit 9,5 Prozent Wachstum. Die Zahlen des ersten Quartals weisen in diese Richtung: Die Investitionen im Immobiliensektor stiegen um Schwindel erregende 41 Prozent.
Chinas Zentralbank versucht bereits, die Kreditvergabe der Banken für Neubauprojekte zu begrenzen. Zu den größten Risiken der aufstrebenden Volkswirtschaft gehört die große Zahl an faulen Krediten. Sollte die Immobilienblase platzen, droht China nach den Boomjahren eine scharfe Korrektur.
Rohstoffpreise sind ein Risiko
Der Hunger der chinesischen Volkswirtschaft nach Rohstoff- und Energieimporten bleibt ebenfalls groß. Steigende Energiepreise könnten nach Einschätzung der chinesischen Regierung zu einem verstärkten Preisdruck für die Unternehmen führen. Der Druck auf die Unternehmen wachse, die steigenden Kosten an die Verbraucher weiterzugeben. Die Verbraucherpreise nahmen im ersten Quartal um 2,8 Prozent zu.
Als Nettoimporteur bei Gas und Öl und auf Grund seines wachsenden Bedarfes bleibt China im Energiebereich verwundbar. Das rasante Wachstum des Landes hat nach Auskunft der Investmentbank CSFB im vergangenen Jahr für eine Verdreifachung der Frachtraten gesorgt, was wiederum die Preise für Exporte und Importe (also Rohstoffe und Energie) hochtreibt.
"Aggressive Maßnahmen notwendig"
Angesichts des kräftigen Wirtschaftswachstums in den ersten drei Monaten hat auch das Bankhaus ING seine Wachstumsprognose für das Gesamtjahr angehoben. Chinas Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr werde nicht wie bisher veranschlagt 8 Prozent, sondern 9,5 Prozent betragen. Die Regierung müsse sich Gedanken über Maßnahmen zur Abkühlung des Booms machen. "Kleine Schritte dürften keine bedeutende Bremswirkung entfalten. Es sind aggressive Maßnahmen notwendig", schreiben die Experten.
"Eine Zinserhöhung erscheint unausweichlich", meint Ökonom Dong Tao von Credit Suisse First Boston. Goldman Sachs Volkswirtin Hong Liang hält unterdessen eine Änderung der Wechselkurspolitik für den besseren Weg. Diese sei notwendig, um die Inflationsgefahren zu bekämpfen, heißt es in einer Studie.
Kräftemessen mit den USA
Im Handel mit den USA hatte China im vergangenen Jahr einen Überschuss von 124 Milliarden Dollar ausgewiesen. Washington hatte daraufhin den Druck auf Peking erhöht, die an den Dollar gekoppelte chinesische Währung RMB aufzuwerten - bislang ohne Erfolg. Die Spannungen zwischen Washington und Peking können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass China im globalen Handel inzwischen ebenso wie die USA ein Handelsbilanzdefizit aufweist: Auf Grund der steigenden Importe vor allem aus den asiatischen Nachbarländern ist das chinesische Handelsbilanzdefizit im ersten Quartal 2004 auf 8,4 Milliarden Dollar gestiegen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,295447,00.html