Nachdem @skeptisch4ever schon so schön den Bogen geschaffen hat, greif ich den Ball mal auf..
"wurden diese nicht gerade zu dem Zweck erfunden, Ritterrüstungen UND den darin enthaltenen Brustkorb zu lochen?"
Ich hab in meinem letzten Kommentar bisschen was zur Leistung einer Armbrust geschrieben und dass diese im, bzw. über dem Bereich von Schusswaffen liegt.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Schusswaffen zwar eine höhere Projektil-Geschwindigkeit, jedoch bei wesentlich geringerem Projektil-Gewicht erreichen. D.h. der Bolzen einer modernen Jagdarmbrust ist zwar rund 30% langsamer, hat jedoch eine wesentlich höhere Masse beim Einschlag. Während das Projektil für eine sehr kurze Zeit eine sehr hohe Energie abgibt, die zur mechanischen Verformung führt, ist die Energieübertragung des Bolzens geringer aber dafür wesentlich länger andauernd und führt zu keiner mechanischen Verformung des Bolzens. Absolut betrachtet ist es aber die gleiche Energiemenge die dort abgebaut wird!
Wenn man mit beiden nun auf unterschiedliche Materialien schießt, erkennt man schnell die Auswirkungen dieses Unterschieds. Das Projektil baut sehr viel seiner Energie durch die mechanische Verformung ab, während der Bolzen durch die schnelle Geschwindigkeitsänderung zu Schwingen beginnt, was zu einer Art bohrenden Bewegung führt.
Hängt man in 30cm Abstand 10 Handtücher auf die Wäscheleine so wird der Bolzen bereits nach 4-7 Tüchern sicher von diesen gehalten. Dias Projektil durchdringt diese jedoch, da die Bewegung der Tücher zu träge ist um dessen Energie aufzunehmen. Schieß man dagegen auf Bleche, bei denen eine .22 oder.38 Projektil eine Delle verursacht und herunter fällt, so wird dieses vom Bolzen mühelos durchdrungen. Womit wir wieder bei Rittern und deren Rüstungen wären.
Aber dieser Vergleich ist nun keinesfalls fair, denn zwischen diesen Extremen liegen noch viele praktische Möglichkeiten bzw. Anwendungen und der Punkt, an dem der Bolzen ins Hintertreffen kommt ist sehr nah den Handtüchern!
Zur persönlichen Sicherheitsausrüstung von Sicherheitsdiensten gehören heute weltweit weichballistische Schutzwesten SK1/2, also ohne schwere Keramik oder Stahlplatten. Diese sind 5-8mm dick und aus mehreren Schichten Kevlar oder Aramid-Gewebe in einer textilen Hülle aufgebaut.
Hängt man so eine Schutzweste nun auf einen Bügel und schießt darauf passiert meist nicht viel. Zieht man die Weste jedoch einer Schaufensterpuppe an, so kann der Bolzen zumindest die vordere Lage durchschlagen.
Dies liegt daran, dass der Handtucheffekt quasi ausgeschaltet wird und die Schutzweste zwar im Test besteht, aber in der Praxis versagt. Doch auch wenn der Bolzen die Schichten nicht durchdringt, verursacht er schwere Trauma und Rippenbrüche. Bei unserem Dummy waren das dann mehrere Zentimeter große Löcher im Kunststoff.
Übrigens bieten diese Schusswesten auch bei Messerangriffen nur einen geringen Schutz, abhängig von der Klinge und Stichtechnik. Der physikalische Hintergrund ist dabei der selbe wie beim Armbrustbolzen - Mittlere Energie über einen längeren Zeitraum.
Dieser Effekt ist auch den Herstellen der Westen bekannt, weshalb man dort auch Stichschutzwesten entwickelt hat. Diese können zwar durchdringende Klingen besser abhalten, jedoch keine Bolzen oder Projektile.
Ein besserer Schutz wird erst durch Schutzwesten SK3/4 (gegen Langwaffen) erreicht, aber dies habe ich mit aktuellen Armbrüsten noch nicht getestet.
Ich hab vor einigen Jahren mal intensiv mit dem Thema befasst, da ich einen geeigneten Körperschutz für mich selbst suchte. Gefunden hab ich nichts brauchbare: Entweder war die Schutzwirkung zu gering oder das ganze nicht mehr tragbar...
Auch wenn dieses Thema hier sicherlich etwas fehl am Platz ist, denke ich dass es für den Einen oder Anderen recht interessant ist. Wenn Interesse besteht kann ich gerne noch etwas dazu schreiben oder Fragen beantworten, ansonsten belasse ichs mal dabei