Gold (17.10.2007)
Im abendlichen Chat gibt es einen Teilnehmer, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gerne erklärt, daß Gold ein höchst überflüssiges und eigentlich völlig wertloses Material sei, dessen hoher Preis durch nichts gerechtfertigt ist, seit es 1971 demonentarisiert wurde.
Und, was soll ich Ihnen sagen? Der Mann hat recht! Gold ist zu weich, um daraus nützliche Gerätschaften herzustellen. Es ist verdammt schwer, kann somit als Ballast dienen, aber Wasser, Steine oder Blei sind überall viel leichter verfügbar. Gold hat einen zu hohen Schmelzpunkt, um damit zu löten, es dient nicht als Katalysator und selbst in Legierungen sorgt es nicht für bessere Materialeigenschaften. Gerade einmal für Oberflächenveredelungen kann man es benutzen, oder um haarfeine Drähte für Mikro-Manipulationen zu ziehen, oder als Vehikel, um in kleine Goldkügelchen eingeschlossene Medikamente in Zellen zu schießen.
Das Einzige, was Gold wirklich gut kann, ist gefallen. Also völlig wertlos und höchst überflüssig.
Das mit dem Gefallen hat natürlich einen unwichtigen Nebeneffekt. Schenken Sie Ihrer aktuellen Lebensabschnittsgefährtin (früher: Freundin) doch einmal einen schönen, warmen Pelzmantel. Nagetierfelle halten schön warm, zum Beispiel die von Ratten. Die sind auch größer als Mäuse und wenn Sie davon ein paar hundert wegfangen, ist Ihnen kein Bauer oder Kanalarbeiter böse. Leisten Sie sich einen guten Kürschner und schenken Sie der zeitweiligen Dame Ihres Herzens einen schönen, warmen Rattenfellmantel.
Nachdem Sie Ihre davongelaufene Lebensabschnittsgefährtin durch ein neueres Modell ersetzt haben, wiederholen Sie dieses Experiment mit dem Fell eines anderen, eigentlich vollkommen überflüssigen Nagetiers. Die Chinchillas stammen natürlich aus biologischer Aufzucht, ihre Käfige wurden vom Umweltminister persönlich inspiziert und der Verbraucherschutzminister hat sie eigenhändig gestreichelt, damit sich die Tierchen wirklich wohlfühlen. Wir bringen sie auch ganz schonend um, indem wir sie einer Dauerberieselung durch Videos der Unterhaltungsshows von Gottschalk, Kerner, Beckmann, Will und Schmidt zu Tode langweilen.
Das kann keine Tierquälerei sein, denn sonst würde die doch niemand einschalten und bei der GEZ Tribute dafür entrichten, oder?
Also, Sie schenken der Dame einen Mantel aus den Fellen von biologisch aufgezogenen und nach neuesten Methoden der Zuschauereinschläferung freiwillig gestorbenen und letztlich nutzlosen Nagetieren namens Chinchilla. Dann dürften Sie die nächsten Nächte Besseres zu tun haben, als den Ausführungen des Golddozenten in meinem Chat beizuwohnen.
Gold gefällt nun mal, auch Ihrer Freundin. Wenn Ihnen die Chinchillas und die Zuschauer von ARD und ZDF leid tun, schenken Sie statt eines Mantels eine schöne breite Goldkette, die hat denselben Effekt. Ja, gut, fast... Sie hält leider nicht warm, ist völlig überflüssig und... Ach, reden wir im Chat weiter, ja? Die anderen Leser wissen inzwischen, was ich ihnen sagen möchte.
Seit mindestens 5.000 Jahren verehren die Menschen die Sonne als Gottheit. Von dieser gleißenden Sonne haben jene Menschen ein gleißendes Gegenstück in Flüssen oder Felsen gefunden, ein sonnengelbes Metall, ein Zeichen der Götter - ja, Gold. Mit dem Metall der Sonne schmückten sich Priester und Häuptlinge, Könige und Pharaonen. Gold war begehrt, folglich konnte man Gold gegen alles tauschen, was man haben wollte. Und spätestens seit König Kroisos (Krösus) haben die Menschen Gold in kleine Scheiben gehackt und irgendwelche Abbilder in es hineingeschlagen.
Mit diesen Goldmünzen konnten blutrünstige Römer friedfertige Germanen dazu bringen, sich als Söldner gegen andere friedfertige Germanen zu verdingen. Man konnte auch wunderbar Kriege führen, um die Besiegten nicht nur in die Sklaverei zu verschleppen, sondern auch ihr Gold zu befreien. Mit dem Gold der Kelten, Griechen, Ägypter und Karthager konnten sich die Römer Seide und anderen Luxus in China kaufen, der zu weit entfernt gewesen ist, um ihn mit Legionen zu erobern.
Nur leider hat Gold einen winzigen Nachteil: Es wächst nicht nach, läßt sich nicht vermehren. Wenn ein Barbarenstaat wie Rom einem zivilisierten Reich wie China keine Produkte anbieten kann, sondern nur Gold zum Bezahlen hat, geht irgendwann einmal das Gold aus und die Römer versinken im dunklen Zeitalter. Erst die Briten haben eine Lösung für dieses Problem gefunden: Man versenkt solange chinesische Schiffe, bis die Chinesen bereit sind, preiswertes Opium aus britischen Kolonien für richtig wertvolle Güter einzutauschen.
Ach ja, heute produzieren die Chinesen wieder eine Menge Güter, welche die barbarischen Nachfolger der Briten dringend benötigen. Fürs erste hat man die Chinesen mit selbstgedruckten Dollars bezahlt, doch jetzt haben die Chinesen derart viele Dollars, daß die Amerikaner auf den alten Trick zurückgreifen müssen. Sie machen Afghanistan zu ihrer Kolonie, schicken die Bundeswehr als Hilfstruppe hin, um den Opiumanbau zu fördern, und wenn die Chinesen nicht wollen, daß man wieder ihre Schiffe versenkt, lassen sie diesmal das Opium ohne Widerstand ins Land.
Gut, das ist Spekulation, aber man sollte aus der Geschichte lernen, zumindest aus dem Teil der Geschichte, aus dem die daraus zu ziehenden Lehren noch nicht vorgeschrieben sind.
Da die Römer es nicht geschafft haben, genügend chinesische Schiffe zu versenken, hat es gut tausend Jahre gedauert, bis Europa wieder eine richtig schöne Goldwährung gehabt hat. Zuerst gab es eine Währung aus Gold und Silber, doch im 19. Jahrhundert hatte man sich schließlich darauf geeinigt, Gold als Maßstab der Weltwährung einzuführen.
Über die Jahrhunderte hinweg haben immer wieder Alchimisten versucht, Gold herzustellen. Alchimisten waren leider nicht sehr erfolgreich, deshalb haben sich 1913 zwölf große Bankhäuser in Amerika zusammengetan, um hier Abhilfe zu schaffen. Kluge Leute, die einer kleinen, von Gott gesegneten Religionsgemeinschaft angehörten, haben beschlossen, Gold künftig zu drucken. Zuerst sollte das Vertrauen durch die Aufschrift: "In Gold we trust" jedem zeigen, daß dieses grüne Papier mindestens so gut ist, wie es zuvor das Gold war, doch dann haben sie beschlossen, lieber dem gütigen Gott zu danken, der schon in alten Zeiten ganze Völker hingemordet hat, um diese kleine Glaubensgemeinschaft zu schützen. Deshalb steht jetzt auf dem gedruckten Gold "In God we trust".
Damit die Völker der Welt auch wirklich an die neuen, von Jahwe gewollten Papierdollar glaubten, brach kurz danach der erste Weltkrieg aus. Hätte man weiterhin mit Gold bezahlt, wären nach einem halben Jahr die beteiligten Staaten pleite gewesen, hätten die Kämpfe beendet und die Angreifer hätten keine Waffen mehr in den USA kaufen können. Also haben jetzt alle Gold gedruckt, damit noch ein paar Millionen Menschen mehr auf den Schlachtfeldern dahingemetzelt werden können und die Großbanken bestens daran verdienen.
Nach dem Krieg haben die Großbanken festgestellt, daß noch nicht genügend Gold in ihren amerikanischen Tresoren lagert, folglich haben sie flugs den zweiten Weltkrieg organisiert. In diesem Krieg mußten die Amerikaner möglichst früh selbst mitspielen, weil nur das gewährleistet hat, daß möglichst viel Gold der anderen Nationen befreit werden konnte.
Nach dem absolut großartig verlaufenen zweiten Weltkrieg war nur noch das gedruckte Gold aus Amerika echtes Geld, alle anderen Währungen (bis auf den Schweizer Franken, der bis 1987 selbst goldgedeckt war) leiteten ihren Wert vom Dollar ab. Das heißt, bis 1971 hatten wir eine weltweite Goldwährung, die in Dollar ausgedrückt wurde, statt in Unzen oder Gramm.
Dann aber hatten die Amerikaner mit dem echten Gold das gleiche Problem wie einst die Römer: Wenn niemand mehr da ist, den man überfallen und ihm das Gold abnehmen kann, wandert das Gold in die Taschen jener Leute, die Luxuswaren zu bieten haben. Folglich haben die Amerikaner beschlossen, das gedruckte Gold vom physischen Gold zu lösen. Das echte Gold blieb in den Tresoren, das gedruckte war jetzt kein Gold mehr, sondern nur noch Geld. Nach ein paar Monaten hat jeder verstanden, daß Gold kein Geld mehr war und man in Zukunft Öl, Reis und die eigene Tochter nur noch gegen das grüne Papier herausgeben sollte.
Leider war der Rest der Menschheit nicht so schlau, wie mein bestens informierter Mitchatter. Die haben die Schönheit von Rattenfellmänteln nicht erkannt und lieber immer mehr Geld für völlig wertloses Gold bezahlt. Von 35 Papierdollar pro Unze Gold im Jahr 1971 stieg der Preis (aber natürlich nicht der Wert) auf 850 Dollar im Jahr 1980. Das war dann aber auch die Spitze, weil die großen Banken nach und nach begriffen haben, daß ein hoher Goldpreis anzeigt, daß der Dollar alles andere als gedrucktes Gold, sondern ziemlich wertloses Papier ist.
Folglich haben sich die Banken fortan bemüht, den Goldpreis schön niedrig zu halten. Zuerst hat man den Kleinanlegern anständig auf die Finger geklopft, die 1980 in hellen Scharen an die Bankschalter gepilgert sind, um möglichst viel möglichst teueres Gold zu kaufen. Wer für 850 Dollar einsteigt, um dann bei 250 Dollar auszusteigen, läßt künftig die Finger vom Gold. Jedenfalls wurde der Dollar ab 1980 wieder echt stark, man mußte sogar wieder 3,50 DM für einen davon bezahlen.
Aber wenn man den Goldpreis kontrolliert, kann man nicht auch noch die Deutsche Mark kontrollieren. 1995 kostete der Dollar nur noch 1,35 D-Mark (entspricht einem Kurs von 1,45 Dollar pro Euro). Anders als das Gold konnte man die Mark einfach abschaffen. Wenig später wurde der neue Euro immer wertloser.
Unsere amerikanischen Freunde haben zwar ein Abonnement auf den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften, doch das besagt nicht, daß sie eine besonders effektive Wirtschaft aufgebaut haben. Wenn also partout kein einträglicher Raubkrieg zu führen ist, geht die US-Wirtschaft ganz gemächlich vor die Hunde. Nicht umsonst gehen heutzutage Weltwirtschaftskrisen bevorzugt von den USA aus.
Betrachten wir die Weltwirtschaft jenseits dessen, was in den Kursen zur Verwaltung von Unternehmen gelehrt wird (das Fach heißt BWL bzw. Business Administration und den Diplomkaufmann schmückt auch gerne der MBA), so gibt es drei wichtige Indikatoren: Währung, Wirtschaft und (Sach-)Werte. Die Währung ist nicht nur aus amerikanischer Sicht der Dollar, denn die Währungsreserven der Welt bestehen aus eben diesen amerikanischen Dollars. Die Wirtschaft besteht zwar aus Firmen und deren Arbeitnehmern, doch der zentrale Indikator sind die Börsenkurse. Nach allgemeiner Lehrmeinung zeigen hohe Börsenkurse, daß es der Wirtschaft gut geht. Sachwerte sind Legion, ein Butterbrot ist ebenso ein Sachwert wie ein gefüllter Benzinkanister oder ein Haus. Es gibt aber nur zwei Sachwerte, die in den 5.000 Jahren überschaubarer Geschichte nie ihren Wert verloren haben: Gold und sein "kleiner Bruder", das Silber.
Nehmen Sie eine Goldmünze in die Hand, einen Krügerrand. Das ist eine große, schwere Münze. Die legen Sie in den Tresor, im Keller Ihres Hauses, und jetzt verschwinden Sie. In 500 Jahren ist Ihr Haus eine einsturzgefährdete Ruine, doch wenn der Tresor gut gebaut ist, kann man ihn sogar noch öffnen. In 10.000 Jahren ist Ihr Haus nur noch ein kleiner Huckel im Wald, unter dem man einen Batzen Rost ausgraben kann, Ihren ehemaligen Tresor. In einer Million Jahre ist von Ihren Haus und Ihrem Tresor nichts mehr aufzufinden, höchstens der Boden enthält ein wenig mehr Eisen als üblich. Das Einzige, was die außerirdischen Archäologen in dieser fernen Zukunft noch ausgraben, ist der Krügerrand. Gut, die Prägung hat ein wenig gelitten, weder Ohm Krüger noch die Antilope lassen sich erkennen. Vielleicht wurde die Münze verbogen - aber das Gold hat alles überstanden, was die Zeit der Umgebung angetan hat. Der Maple Leaf, den Sie daneben gelegt hatten, dürfte sich aufgelöst haben.
Quelle: http://www.michaelwinkler.de