T.S zu seinem Essensplan:
Nachdem 1993 die Berliner Tafel gegründet worden war, haben sich im Laufe der Jahre Tafelgründungen über ganz Deutschland verbreitet. (..) Die Aktivität der Tafeln wird von einer umfangreichen Berichterstattung im Fernsehen und in der Presse begleitet. (...) Woher kommt diese mediale Faszination? Meine - zugegeben etwas polemische - Antwort lautet: Hier wird Armut im biblischen Sinne anschaulich. Das es so etwas mitten in Deutschland gibt, lässt uns indigniert erschaudern. (...) Die Armut in Deutschland ist so groß, daß man Suppenküchen braucht - diese Geschichte ist einfach zu gut, um nicht wahr zu sein. Fast immer siegt die gute Geschichte über die sperrige Wahrheit. Die sperrige Wahheit ist nämlich: Der Regelsatz der Sozialhilfe, der auch für Arbeitslosengeld II und Grundsicherung gilt, reicht aus, um sich abwechslungreich, ausgewogen und gesund zu ernähren. (...) Diese Rechnung hatte ich Anfang 2008 als Berliner Finazsenator öffentlich gemacht.(...)
Wie kann es nur sein.. das die einfache Aufbereitung einer statistischen Tatsache soviel Emotionen hervorruft, ... die Antwort ... besteht aus drei Punkten...
1. Die Empfänger von Transferleistungen haben ein natürliches und verständliches Interesse an der Stabilität der Unterstützungszahlung und deren künftigen Erhöhungen, deshalb ist jeder Hinweis unwillkommen, die Summe sei in der einen oder anderen Hinsicht auskömmlich.
2. Sozialpolitiker, Sozialverbände und überhaupt die ganze Schicht der Funktionäre, Wissenschaftler und Publizisten, die materiell und moralisch von der Sorge für die Schwächeren leben, reagieren sehr empfindlich und generell ablehnend auf alle Hinweise und Argumente, die die Dringlichkeit dieser Probleme in irgendeiner Weise in Frage stellen, weil damit auch ihre eigene Rolle und Bedeutung in Frage gestellt wird.
3. Wenn der Regelsatz eine ausgewogene, abwechslungsreiche und ausreichende Ernährung erlaubt, dann haben die Empfänger von Transferzahlungen, die sich und ihre Kinder nicht gesund und jeder Hisicht adäquat ernähren, kein Einkommens- oder Armuts-, sondern ein Verhaltensproblem. Damit wird aus einer Forderung an die Gesellschaft eine Forderung an das Individuum und aus der Gesellschaftskritik eine Individualkritik.
Diese letzte Punkt ist es, der Agression und Wut auslöst, weil man damit wider den Stachel löckt, weil man das Individuum in die Pflicht nimmt und nicht, wie es üblich geworden ist, auf ungleiche Chancen verweist."
Auch sonst betont er die individuelle Verantwortung und sieht das Lohnabstandsgebot verletzt (durch vergleichsweise zu hohe Zahlungen). Diese verhinderten die Entfaltung eigener Bemühungen. Das gelte auch für ein BGE. Er zitiert den Soziologen Heinz Bude:
"Die Überzeugung, soziale Benachteiligungen durch individuell zuerkannte und verabreichte Zahlungen auszugleichen, hat zur Züchtung einer Kultur der Abhängigkeit geführt, die die Leute zu Klienten einer Anstalt anstatt zu Herren über ihr eigenes Leben gemacht hat... Das ursprüngliche Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren, hat sich in sein Gegenteil, nämlich die Verfestigung von Wohlfahrtsabhängigkeit, verwandelt."
Soweit bis Seite 144.