In diesem Thread haben sich Patou und Jeronimus Bosch einen interessanten Schlagabtausch geliefert. Jeder von Ihnen hat Argumente für seine Sache geliefert und Ihre Standpunkte scheinen völlig gegensätzlich zu sein. Mittlerweile ist die Diskussion ohne abschließendes Ergebnis festgefahren.
Ich denke allerdings, dass die Standpunkte der beiden im Grunde mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Denn beide sehen es als problematisch an, dass es so viele Erwerbslose gibt, die aus Steuergeldern unterhalten werden müssen.
Die beiden tänzeln vorrangig um die Frage der Handhabung dieser Umverteilung. Während Patou den sozialen Ansatz fährt (wir können sie doch nicht verhungern lassen), setzt Jeronimus auf Hilfe zur Selbsthilfe, damit sich keine "gelernte Hilflosigkeit" breitmacht.
Nach meiner Meinung haben beide Ansätze ihre Berechtigung, lassen allerdings einen wichtigen Aspekt außer acht, für den ich kurz ausholen möchte.
Unsere westliche Gesellschaft hat zunehmend mit den Problemen zu kämpfen, die sich daraus ergeben, wirtschaftlich produktiver zu werden. Das Wirtschaftlichkeitsdenken unseres schönen Kapitalismus setzt auf Effektivität und Rationalisierung. Es werden immer weniger Menschen gebraucht, um immer mehr Güter zu produzieren. Der wachsende Wohlstand, der dabei entsteht, muss allerdings irgendwie verteilt werden - und das ist nicht so einfach.
Wir haben drei große Gruppen von Empfängern, die von der kleiner werdenden Gruppe der Produktiven unterhalten werden muss: Rentner, Erwerbslose und bestimmte "Dienstleister", die ich mal "versteckte Erwerbslose" nennen möchte. Zu denen zähle ich große Teile der Rechts- und Finanzbürokratie. Macht ja auch Sinn: Ein riesiger bürokratischer Dschungel bindet eine große Zahl von ansonsten Erwerbslosen. Z.B. will niemand wirklich ein einfaches Steuersystem, das man doch über die Jahre so mühevoll aufgeblasen hat, um Menschen zu beschäftigen.
Alle diese Gruppen wachsen fröhlich an und werden das auch zukünftig tun (müssen). Die Gruppe der Rentner wegen der Demografie, die der Erwerbslosen wegen steigender Wirtschaftsproduktivität und die der Bürokraten, um die Gruppe der Erwerbslosen nach außen kleiner aussehen zu lassen.
Die Aufgabe der Politik ist es nun, den Wohlstand, den die kleine Gruppe der Produktiven erschafft, so zu verteilen, dass ein möglichst stabiles System entsteht. Denn würden größere Teile der Gesellschafft ohne eine Grundsicherung dastehen, gäbe es schnell Unruhen und ein politisches Abdriften in radikale Extreme. Vgl. Aufstieg NSDAP.
Die Politik macht ihren Job ja ganz gut: Ältere bekommen ihre Rente, das ist gesellschaftlich akzeptiert. Die soziale Absicherung stellt ja auch niemand grundsätzlich in Frage. Und der Bürokratie-Apparat ist ja im erklärbaren Rahmen kaum noch weiter aufzublähen.
Um nun wieder den Bogen zum Anfang zu spannen: Wie wir umverteilen, ist letztlich nur eine Feinheit, die v.a. in Bezug auf Gerechtigkeit gesellschaftlich diskutiert wird. Wir müssen es aber tun. Das ist der Preis, den wir zahlen, um ohne Unruhen oder politische Extreme zu leben.
copper