Physisches Gold, warum?
Wenn eine Gruppe Gleichgesinnter am Stammtisch das „für und wider" ihrer Anlage in physischem Gold diskutiert, dann ist die Harmonie des Abends vorprogrammiert. Unisono werden die wildesten Szenerien durchgespielt, das Damoklesschwert einer galoppierenden Inflation hängt über allen anderen, nur nicht über ihnen. Schließlich haben sie rechtzeitig Barren und Münzen in Gold gekauft und mit dieser Entscheidung können sie den Gefahren wirtschaftlicher Turbulenzen nun entspannt entgegensehen.
Der Sarkasmus, der dieser Einleitung zweifellos innewohnt, sollte nicht überbewertet werden. Verstehen Sie ihn lieber als eine Art Galgenhumor, mit dem ich eigene Anlageentscheidungen rechtfertige. Ich besitze nämlich selber einen stattlichen Vorrat an Krügerrand und mit dem angesprochenen Sarkasmus läßt sich die Frage, warum ich denn ausgerechnet diese Anlageentscheidung getroffen habe, wirkungsvoll neutralisieren.
Ich weiß es nämlich selber nicht so genau. Vermutlich bin ich der ungeheuren Faszination erlegen, die das Gelbe Metall auf seinen Besitzer ausübt. Die Gefahr, mit einer derart banalen Begründung als Fetischist stigmatisiert zu werden, sollte speziell in diesem Forum nicht unterschätzt werden. Ich bin mir daher sicher, daß die Teilnehmer jener Stammtischrunde Emotionen beim Erwerb von Goldbarren strikt zurückweisen werden. Sie werden es vorziehen, ihre Entscheidung mit wohlbekannten, handfesten Gründen zu rechtfertigen. Aber, ist der Kauf von physischem Gold wirklich effizient genug, um den Gefahren einer Inflation, eines Krieges oder einer Währungsturbulenz zu begegnen? In einer kritischen Analyse werde ich diese gefürchteten Schreckgespenster daher nacheinander aufrufen, um zu prüfen, was physisches Gold gegen sie ausrichten kann.
Währungsturbulenz
Die Frage, ob der US Dollar abstürzt wird heute kaum noch diskutiert. Analysten setzen es voraus und widmen sich daher primär der Frage, wann es denn passiert. Nehmen wir also an, es geschieht. Ostasien wirft seine Dollarvorräte auf den Markt. Der Dollar verliert ad hoc 30% seines Wertes. Zeitgleich steigt der Goldpreis proportional um 30%. Klingt zunächst verlockend, ist aber nicht mehr als ein Scheingewinn. Gold notiert in Euro nämlich nach wie vor gleich. Natürlich kann der Anleger seine Pretiosen jetzt in Dollar tauschen und sich in Amerika all die Wünsche erfüllen, die er immer schon hatte. Nur, bei einem Eurokurs, der zeitgleich um 1,60 notiert, kann das auch jeder andere.
Fazit: Um den Dollar zu hedgen, gibt es effizientere Alternativen. Nullrunde für den Goldbarren also.
Inflation
Junge Menschen definieren den Begriff „Inflation" anders als ältere Semester. Da sie nicht auf erlebte Erfahrungen zurückgreifen können, werden sie von einer jährlichen Geldentwertung in Höhe von 4-5% ausgehen. Angesichts solch „moderater" Prozentsätze werden sie jedoch kaum die Flucht ins Gold antreten. Sie werden 7, 8 oder 9prozentige Zinspapiere bevorzugen, die stets zeitgleich mit Inflationsraten dieser Größenordnung auf dem Markt sind. Bei einem thesaurierenden Papier, das mit einem Nominalzins von 7% ausgestattet ist, verdoppelt sich das Kapital z. B. innerhalb von 10 Jahren. Kann Gold da mithalten? Ich glaube nicht und gebe dem physischen Gold daher eine zweite Nullrunde.
Was aber, wenn die Inflationsspirale immer weiter dreht? Wenn immer neue Nullen auf unseren Banknoten auftauchen? Niemand möge glauben, daß Politik und Wirtschaft dieser Entwicklung tatenlos zusehen werden. Geschichte muß sich nicht wiederholen und eine Situation wie vor 1948 wird es nicht wieder geben. Auch hier ist eine Anlage in physischem Gold daher zumindest zweifelhaft. Sie wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn sie spät erfolgt. Wenn also gutes Gold mit schlechtem Geld gekauft wird. Da der Goldpreis nicht in Europa gemacht wird, muß er nämlich nicht proportional zu dem Inflationsschub einer regionalen Währung steigen.
Immerhin, für diese extreme Situation möchte ich dem Goldbarren 2 dicke Pluspunkte zu billigen. Einen allerdings, weil er die unbestreitbare Eigenschaft besitzt, Altersdepressionen zu mildern.
Nahostkonflikt
Hier liegt meine größte Sorge. Auf der einen Seite Israel, das mit dem Rücken an der Wand steht und nicht zulassen kann, daß der Iran in den Besitz von A-Waffen gelangt, auf der anderen Seite ein Verrückter, der mit einem Radiergummi in der Hand durch Teheran läuft und dabei markige Sprüche vom Stapel läßt. Das kann schon deshalb nicht gutgehen, weil westliches Verhandlungsgeschick nicht den geringsten Einfluß auf islamische Denkmuster hat. Wer glaubt, daß das irdische Dasein nur die Vorstufe für die Seligkeit danach ist, der kennt keine Furcht vor Tod und Untergang. Hat der Iran bereits die A-Bombe? Niemand weiß es. Die Sicherheit, die der Präsident bei seinen verbalen Entgleisungen an den Tag legt, lassen jedoch die Annahme zu, daß es bereits Prototypen gibt.
Nehmen wir also an, im ersten Halbjahr 2006 passiert es. In einem der beiden Länder gehen die Lichter aus und die Vögel fallen tot vom Himmel. In diesem Fall ist der Erwerb von Goldbarren eine der schlechtesten Anlagen überhaupt. Schlechter wäre nur noch, wenn Sie gar nichts unternehmen würden. Das ergibt sich ganz einfach aus der Tatsache, daß es unabhängig von der Dimension der Ereignisse, immer nur ein regionaler und zeitlich begrenzter Konflikt bliebe.
Die zeitliche Nähe, im Kontext mit der überschaubaren Dauer sprechen hier eindeutig für Derivate. Es gibt auf dem Markt Zertifikate und Optionsscheine, die bei einer Verdopplung des Goldpreises locker eine Performance von 3000 % hinlegen. Warum sich also mit 100% Buchgewinn bei einem Goldbarren zufrieden geben? Ihre Strategie sollte lieber lauten: Verkauf aller Aktien. Kauf eines Dax put. Call auf Gold. Kauf von Ölaktien.
Für diesen worst case möchte ich dem Goldbarren daher alle Minuspunkte zuordnen, die mir zur Verfügung stehen.
Welche Konsequenz ergibt sich nun aus der Summe aller Einwände für meine Krügerrand? Soll ich sie verkaufen? „Auf gar keinen Fall! Die glänzen so schön, die gebe ich nicht wieder her. Sollen sich doch gefälligst meine Erben damit herumschlagen."
SelfmadeMan