Schuldenfalle in Phoenix

  • Zitat

    Original von Fisiko
    Nun, das war nicht ganz das, was ich erwartet hatte :D


    Ich dachte es ginge mehr um Makro- als um Mikro-Ökonomie.


    geheimwilli
    sorry!


    Das dachte ich auch. Aber dieses Thema war vielleicht zu heiß, um in vergleichbarer Ausführlichkeit von einem öffentlich-rechtlichen Sender behandelt zu werden.


    Zu den beiden Fällen: Die Dame war wohl durch Unkenntnis ihrer Rechte (Stichwort: Bürgschaft) und so durch ihren Mann, der Alkoholiker war in die Schuldenfalle geraten. Tragischer Fall. Kommt so oder ähnlich aber leider öftest vor. Daher ist er durchaus auch exemplarisch.


    Der Fall des Tischlers war vom allerfeinsten. Beste journalistische Arbeit. Hut ab!. Der Mann wurde gelinkt, war aber zwitweise auch selbst ein "krummer Hund" (bildlich gesprochen, nicht beleidigend gemeint):


    Die Symbolik war vom allerfeinsten: er kehrt im wörtlichen, wie auch im übertragenen Sinn die Scherben seiner Existenz zusammen, indem er Schuttreste seines betriebes selbst beseitigt. Welche Symbolkraft in diesen Bildern liegt!


    Die ganze Dramatik seiner Sitiation kulminiert in der Szene mit seinem Kater, die vieles vorwegnimmt. Selbst der will nichts mehr von ihm wissen.


    Zum Vorspiel:
    Er war wohl tüchtig, strebsam, dynamisch, belastbar, leistungsfähig und willig, sparsam, erfolgreich. Nun griff er, selbstsicher und erfolgsverwöhnt, wie er war beherzt nach den Sternen, als sich die Gelegenheit dazu bot (eigene, völlig überdimmensionierte Existenz, bei Betriebsübernahme). Nichts schien ihm in seinbem wohl vertrauten Arbeitsbereich aufhalten zu können. Alles schien möglich.



    Zur Ausgangssituation: Ein ehemals tüchtiger, zielkstrebiger Handwerks-(meister?) übernimmt einen Betrieb.


    Fehler 1: Keine Übergangsphase (5 Jahre braucht es schon, um den Nachfolger halbwegs aufzubauen). Keine Möglichkeit, Kalkulation, Buchführung, Delegieren von Arbeiten, Organisation und Arbeitsvorbereitung, Logistik (Disposition) usw. zu erlernen.


    Fehler 2: Der Alteigentümer hält die Hand auf, kassiert schnell ab und der "Neue" überschuldet sich, nicht wirklich wissend, was ihm alles erwartet. Das Gebäude ist total überteuert (Erlös auf der Zwangsversteigerung = 1/3 des Kaufpreises - Abzocke allerfeinst!.
    Schreinern und Tischlern, das konnte er gewiss. Von Immobilien, Firmenkäufen und Kreditwesen jedoch hatte er faktisch Null Ahnung.


    Fehler 3: Die kontoführende Stelle des Betriebes ist gleichzeitig Kreditgeber und Finanzier.


    Fehler 4: Der Mann macht noch weiter, nachdem die Bank seine Konten gesperrt hat.... macht zu diesem Zeitpunkt (unter Tränen) Versprechungen, von denen er wissen müsste, daß er sie nicht erfüllen kann. Er verdrängt dies aber und beschädigt damit auch noch seine persönliche Reputation bei den Lieferanten. Wurde so selbst zu dem, was ich bildlich mit "krummen Hund" bezeichnet habe, zu jemanden, der versucht hat, sich - entgegen aller Logik - irgendwie noch durchzuschlängeln, dabei zeitweise verbogen wurde was seinen Realitätssinn anging und wohl auch seine Ethik und schließlich wirtschaftlich daran zerbrach.


    Game over.


    Zum Nachspiel:
    Der Man hat seine Fehler erkannt. Steht dazu. Weis, daß auch er Fehler gemacht und anderen Unrecht angetan hat. Zumindest kann er nachvollziehen, daß man ihm nicht überall mehr akzeptiert. Die allermeisten Schuldner verdrängen das, bei denen sind immer andere schuld, nur nie sie selbst (meine Erfahrung).


    Der Tischler lebt nun in einem knechtähnlichen Verhältniss zusammen mit seinem "Herren", der ihm stützt, fair behandelt, mit ihm freundschaftlich verbunden ist, der seinen endgültigen Absturz verhindert, ihm durch Arbeit Sinn, Ablenkung und Hoffnung gibt und ihm so vor dem endgültigen Absturz (z.B. Alkohol) rettet.


    Will sagen: er hat noch Glück im Unglück gehabt. Er kann weiter arbeiten und weiter leben, kann sein Wissen und seine Arbeitskraft und seine Würde erhalten, indem er sein Brot selbst verdient und nicht anderen zur Last fallen muß. Er "verlernt" so auch das Arbeiten nicht. Er kann sogar weiter autofahren mit dem Oldtimer seines Freundes oder "Feudalherren". Denn das ist moderner Feudalismus in Urform - ein auf freiwiliger, gegenseitiger Basis zustandegekommenes Schutz- und Trutzbündnis, wie es auch im Frühmittelalter hätte zustandekommen können. Arbeitet er nicht für seinen "Herren", so arbeitet er mit anderen zusammen. Er kann so mit 450 EUR im Monat überleben. Faktisch bräuchte er garkein Geld, würde er bei seinem "Herren" leben und mit Nahrung und Kleidung von ihm versorgt werden. 450 EUR, das kommt faktisch auf´s selbe raus, nur daß er seine Einkäufe selbst tätigt. In 6 Jahren ist er schuldenfrei. Produktiv arbeitet er nach meinem Eindruck momentan nicht. Im Grunde genommen ist er "Selbstversorger" und kann in dieser Zeit ohnehin keine Überschüsse erwirtschaften, auf die das Gemeinwesen, in dem er lebt, angewiesen ist. Egal, wieviel er schafft - bis auf den Freibetrag müsste er ohnehin alles abführen. Dabei ist das noch ein ganz positiv hervorzuhebender Fall, liegt er doch neimanden auf der Tasche. Üblicher Weise endet soetwas in Suf fund Hartz IV.


    Einen extrem harten, bis zu 15 Jahre langen Kondratieff-Winter stelle ich mir auf mikroökonomischer Ebene sehr ähnlich vor: Zusammenbruch der industriellen Prodiktion, extremer Produktivitätsrückgang, extremer Rückgang der Geld- und Kreditwirtschaft, Rückfall großer Bevölkerungskreise in achaische Lebens- und Existenzformen (Neo-Feudalismus, Trutz- und Schutzbündnisse) und damit den faktisch weitgehenden Zusammenbruch der kompletten Infrastruktur (Verkehrswege, Versorgungsunternehmen, Gesundheitssektor) und der staatlichen Ordnung.

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