Die trügerische Sicherheit einer inflationsindexierten Anleihe
Nach den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien werden auch schon bald in Deutschland wieder inflationsindexierte Anleihen begeben werden. Die Renaissance dieses Anleihetypus kündigte zumindest der deutsche Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vor kurzem an, womit zum ersten Mal seit der Weimarer Republik wieder ein sogenannter „Linker“ (eine inflationsindexierte Anleihe) vom deutschen Staat emittiert werden dürfte. Im Unterschied zu einer normalen Anleihe, deren Zinskupon von vornherein fixiert ist, orientiert sich bei der inflationsgeschützten Anleihe der Kupon an der Inflationsrate. Damit, so die vorherrschende Meinung, könne sich der Anleger gegen das Risiko steigender Teuerungsraten schützen. Doch hält die Indexierung, was sie verspricht?
Die falsche Indexierung
In einem Newsweek-Artikel 1971 forderte Milton Friedman nachdrücklich die Auflegung einer inflationsgesicherten Staatsanleihe. Er schrieb damals:
“Let the Treasury promise to pay not $1,000 but a sum that will have the same purchasing power as $1,000 had when the security was issued. Let it pay as interest each year not a fixed number of dollars but that number adjusted for any rise in prices.” (Das amerikanische Finanzministerium soll nicht versprechen $1000 zurückzuzahlen, sondern eine Summe mit derselben Kaufkraft wie die $1000 zum Zeitpunkt der Auflage des Wertpapiers hatten. Es soll jedes Jahr nicht einen fixierten Dollarbetrag als Zinszahlung zahlen, sondern einen für den Anstieg der Preise korrigierten Betrag.)
Zur Berechnung der Teuerungsrate solle der Verbraucherpreisindex herangezogen werden und die Zinszahlungen dem Anstieg dieses Index entsprechen. Steigt die gemessene Teuerung um 3%, dann erhält der Anleger eine 3% Zinszahlung, erhöht sich die Teuerung um 5%, erhöht sich die Zinszahlung dementsprechend auf 5%. Im Falle sinkender Preise wäre sogar ein negativer Kupon möglich, d.h. man müßte als Anleger dem Emittenten Geld überweisen. Allerdings übersieht Friedman, daß selbst bei einer normalen Anleihe die Teuerungserwartung über den Kurswert eingepreist wird. Steigt die erwartete Teuerungsrate, dann sinkt – ceteris paribus – der Kurswert der Anleihe.
Um die Inflationssicherung überhaupt durchführen zu können, muß man die Teuerungssrate zunächst einmal berechnen können. Es gilt zwar gemeinhin als unbestritten, daß dies möglich wäre, und die Teuerungssraten werden auch Monat für Monat veröffentlicht, dennoch ist eine derartige Berechnung aus mehreren Gründen nicht möglich. Dazu zählt die triviale Einsicht, daß jeder Mensch ein unterschiedliches Güterbündel konsumiert und daß relative Preisänderungen zu einem veränderten Konsumverhalten führen, die in den standardisierten Verbraucherpreisindex nur unter erheblicher Zeitverzögerung einfließen können. Viel schhwerwiegender ist jedoch die theoretische Erkenntnis, daß nicht einmal für ein einziges Güterbündel ein Durchschnittspreis berechnet werden kann, weil der für die Berechnung notwendige gemeinsame Nenner fehlt. Wie soll aus den beiden Tauschvorgängen €2 für 1kg Äpfel und €198 für ein Paar Schuhe ein Durchschnittspreis berechnet werden?
Aus machtpolitischen Erwägungen spielt die Teuerungsrate dennoch eine enorm wichtige Rolle. Zum einen erhöhen niedrige Teuerungszahlen das reale Wirtschaftswachstum und im Falle inflationsindexierter Anleihen reduzieren niedrige Teuerungsraten auf Kosten der Gläubiger die Zinsbelastung des Staates. Daher ist es wenig überraschend, daß die veröffentlichten Teuerungsraten beständig starker politischer Manipulation ausgesetzt sind. Ein Beispiel aus den USA soll die willkürliche Veränderung der Teuerungsrate verdeutlichen. Die unter Präsident Clinton durchgeführte Neuberechnung des CPI (Consumer Prixe Index), es wurde auf das sogenannte Konzept des „Hedonic Pricing“ umgestellt, reduziert die ausgewiesene Teuerungsrate um fast 3% pro Jahr auf augenblicklich rund 4%. (siehe gillespieresearch.com/). Das erhöht nicht nur das reale Wirtschaftswachstum signifikant, sondern schmälert den Kupon einer inflationsgeschützten Anleihe von 7% auf 4%. Über einen Anlagezeitraum von 10 Jahren kulminiert dies zu geringeren Zinszahlungen in der Höhe von 33%.
Wenn schon eine monetäre Indexierung, dann die Geldmengenausweitung
Über kurz oder lang äußert sich eine steigende Geldmenge in einer sinkenden Kaufkraft, denn wie bei jedem anderen Gut bedeutet ein größeres Angebot einen niedrigeren Preis. Der „Preis“ des Geldes ist dessen Kaufkraft, gegen dessen Verlust die inflationsgeschützten Anleihen eigentlich gedacht sind. Daher ist der einzig sinnvolle monetäre Anker, um den Kaufkraftverlust einer Anleihe nachhaltig zu sichern, die Indexierung an die Geldmengenausweitung und zwar an den jährlichen Anstieg des umfassendsten Geldmengenaggregats M3. In den letzten Jahren überstieg die Geldmengenausweitung den Anstieg des Verbraucherindexes um ein vielfaches. So erhöhte sich der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) seit Einführung des Euro im Jahre 1999 im Schnitt um 2% pro Jahr, während die Geldmenge M3 im Schnitt um jährlich 8,3% anschwoll.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß hier unter Inflation die Ausweitung der (ungedeckten) Geldmenge verstanden wird, was der bis in die 1950er gültigen Defintion entspricht. Der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus, was heute irreführenderweise als Inflation definiert wird, ist demnach die Folge der Geldmengenausweitung und vom Vorgang der Ausweitung - die Ursache - begrifflich zu unterscheiden.
Fehlende Besicherung
Wie jede Staatsanleihe, so ist auch eine inflationsindexierte Staatsanleihe durch nichts als das„Versprechen“ des Staates besichert, zum Zeitpunkt der Tilgung, respektive der Zinszahlungen, die notwendigen Steuern von seinen Steuerbürgern eintreiben zu können. Die klamme Lage nahezu aller Finanzminister in der westlichen Welt, die rasant alternde Bevölkerung, die zunehmende Kapital- und Steuerflucht aus Europa, insbesondere aus Deutschland, werden in nicht allzu ferner Zukunft viele Regierungen in enorme Schwierigkeiten bringen, ihr „Versprechen“ einzuhalten. Vor einem Staatsbankrott schützt auch diese Art von Staatsanleihen daher aufgrund der fehlenden Sicherheiten nicht.
Staatsverschuldung als Inflationsauslöser
Ist es ein historischer Zufall, daß der deutsche Finanzminister heute zum ersten Mal seit der Weimarer Republik wieder die Auflage einer inflationsgeschützten Anleihe ankündigt? Mitnichten. Denn Inflation ist, wie der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek in einem Artikel in der New York Times von 1982 bemerkte, die unumgängliche Folge staatlicher Überschuldung:
The only way you can finance a deficit is by inflation. You cannot raise this amount by genuine borrowing. [...] A large government deficit is a certain way to inflation. (Die einzige Möglichkeit ein Budgetdefizit zu finanzieren, ist durch Inflation. Man kann diese Summe nicht durch echte [d.h. durch reale Werte gedeckte] Schuldenaufnahme aufbringen. [...] Ein großes Budgetdefizit ist ein sicherer Weg zu Inflation.)
Wenn ein Finanzminister nun die Anleger vor der von ihm verursachten Geldentwertung zu schützen versucht, dann muß die angekündigte Emission einer inflationsgeschützten Anleihe als ernstzunehmendes Warnsignal und nicht als nachhaltige Konsolidierung verstanden werden. Die massive Überschuldung der öffentlichen Haushalte, die durch unzählige statistische Tricksereien genauso wie die Teuerungsrate künstlich niedrig gehalten wird, zwingt den Schuldner Staat, den Anlegern eine höhere Sicherheit gegen den realen Wertverlust zu versprechen. Die Tatsache, daß die Regierungen selbst bei historisch einmalig niedrigen Zinsen nicht (mehr) in der Lage bzw. nicht willens sind, die Staatsverschuldung herunterzufahren, sollte jeden Anleger über deren zukünftige Kreditwürdigkeit äußerst nachdenklich stimmen. Wer auf der sicheren Seite stehen möchte, der sollte inflationsindexierte Anleihe wie jede andere Staatsanleihe meiden; direkt oder - z.B. über eine Lebensversicherung - indirekt.
Verfasst am 01.03.2006 von Gregor | Kommentare (0)AS