Buchbesprechung von Günter Hannichs "Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise"

  • Ich habe mir gestern das o.g. Buch ausgeliehen und heute mittag das erste Kapital - "Unser Geldsystem", 8 Seiten - gelesen. Und nun bin ich erstmal heftig schockiert: Das Buch scheint - meinem ersten Eindruck nach - eine Anhäufung von Phrasen und Klischees zu sein. Es macht auf mich nicht den Eindruck, dass der Autor das Geldsystem wirklich durchblickt hat. Im Gegenteil: Er geht dem System m.E. auf den Leim.


    Zwar erläutert Hannich einige Wissensgrundlagen und Zusammenhänge, die dem "Normalverbraucher" wohl nicht bekannt sein dürften. Das ist m.E. soweit auch in Ordnung. Aber er zieht daraus Schlüsse, die m.E. einer Unterstellung gleichkommen und nur dadurch zu erklären sind, dass seine Gedanken INNERHALB des heutigen Papiergeld-Lügen-Systems kreisen. Ich habe mir das Buch aber ausgeliehen, weil ich gehofft hatte, dass Hannich über diesen Tellerrand hinausblickt und das System VON AUSSEN STATT VON INNEN betrachtet. Das tut er m.E. aber nicht.


    Nachdem ich nun quasi mein vorläufiges Fazit vorangestellt habe, möchte ich dies auch konkret begünden:


    - Zunächst erläutert Hannich, warum ein Zinssystem auf Dauer seines Erachtens scheitern muss. Er führt Beispiele an. (Z.B. wäre ein im Jahre 0 ausgeliehener Pfennig bei 5% Verzinsung mit Zinseszins bis zum Jahre 1990 zu einem Wert von mehr als 100 Milliarden Erdkugeln aus Gold angewachsen.) Er folgert daraus sinngemäß, dass ein System, das auf beschleunigtes Wachstum ausgerichtet ist, in unserer endlichen Welt automatisch zum Scheitern verurteilt ist.
    ==> Mein Kommentar: Wer sagt denn, dass das Ausleihen auf Dauer geschehen soll?! Liegt das Scheitern nicht eher darin begründet, dass die Leute mit Zins und Zinseszins nicht umgehen können? In dem Fall wäre nicht das System schlecht, sondern der Umgang mit ihm. Dies ist m.E. ein eklatanter Unterschied, der - zumindest im 1. Kapitel - nicht aufgegriffen wird.


    - Als nächstet erläutert Hannich, warum es überhaupt Geld gibt: Sinngemäß, weil damit erst eine effiziente Arbeitsteilung möglich wird, in der der einzelne sich auf seine besten Fähigkeiten besinnen und damit effizienter arbeiten kann als wenn er sich allein auf die Eigenversorgung konzentrieren würde. (Als Beispiel nennt er einen Schneider.) Geld wird nun als Tauschmittel benötigt, um unabhängig von Ort und Zeit Handel betreiben zu können. (Z.B. wird der Schneider seine Ware nicht ohne weiteres gegen Brötchen eintauschen können, wenn der Bäcker gerade kein Interesse an Kleidungsstücken hat.) Damit wird der effiziente Tauschhandel und damit die Arbeitsteilung erst mittels einem Tauschmittel (Geld) möglich: Der Schneider tauscht seine Waren gegen Geld mit jemandem, der diese Waren gerade benötigt. Das Geld kann der Schneider wiederum für den Kauf von Brötchen verwenden, und der Bäcker kann damit die von ihm benötigten Dinge erwerben.
    ==> Mein Kommentar: Dies ist völlig korrekt und nachvollziehbar.


    - Als nächstes erläutert Hannich, dass Geld ja "gehortet" werden kann. Seines Erachtens entsteht Zins dadurch, dass das Horten ja ansonsten für die Geldbesitzer lukrativer sei - also müssten diejenigen Zinsen zahlen, die das Tauschmittel benötigen. (Diejenigen, die das Tauschmittel benötigen, sind - so verstehe ich Hannich - die potentiellen Verkäufer, die ohne dieses Tauschmittel in Absatzschwierigkeiten geraten, so dass die Geldbesitzer im Vorteil sind, weil sie ja abwarten können.) Hannich führt seine Logik weiter: Mit der Zeit gewännen die Geldbesitzer immer mehr an Bedeutung, weshalb aus einer Marktwirtschaft der Kapitalismus entstehe.
    ==> Mein Kommentar: Diese Logik ist genau das, was ich oben mit "Denken innerhalb der Papiergeld-Logik" beschrieben habe. Warum soll - um mal wieder zu den Wurzeln des Systems zu kommen - der Schneider nicht selbst darüber entscheiden können, wann und zu welchem Preis er die von ihm selbst erstellten Waren gegen etwas anderes eintauscht? (Immerhin - daran muss leider wohl erinnert werden - ist das Geld lediglich ein Tauschmittel: Der Schneider kann doch m.E. ruhigen Gewissens seine Waren heute gegen die Annahme von Geld tauschen und dann dieses Geld zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt gegen eine benötigte andere Ware eintauschen. In dieser Werterhaltungsfunktion liegt doch eine der wichtigsten Antriebsfedern für die Leistungsbereitschaft: Heute etwas mit seiner Schaffenskraft erstellen, um es später - z.B. im Alter, wenn die Schaffenskraft nachgelassen hat - gegen etwas anderes einzutauschen. Ansonsten könnte der Schneider sich doch z.B. damit begnügen, nur 3 statt 6 Mäntel täglich herzustellen; warum sollte er sich für weitere 3 Mäntel abrackern, wenn er dazu gezwungen würde, diese sofort nach Fertigstellung gegen von ihm gar nicht gewollte oder benötigte andere Waren einzutauschen?! In diesem Fall - der Schneider stellt täglich nur 3 Mäntel her, obwohl er mehr könnte - führt der Schneider dem System ja auch nicht mehr an Schaffenskraft bzw. Tauschmitteln zu. Dieses Denken ist m.E. ein Denken INNERHALB der Papiergeld-Lügen-Logik, und Hannich geht dieser Logik m.E. auf den Leim.)


    Kann es insgesamt einfach so sein, dass auch Hannich - trotz aller Kenntnisse - der Medienpropaganda auf den Leim geht und er glaubt, die Wirtschaft funktioniere nur mit einer geringen Spar- und einer hohen Konsum-Quote? Das fände ich fatal.


    Mit Ferdinand Lips´ "Gold-Verschwörung" und seinen m.E. genialen Analysen kann das Buch von Hannich wohl nicht ansatzweise mithalten. Schade. (Das ist zumindest mein erster Eindruck.)


    Ich werde heute abend weiterlesen. Allerdings bezweifle ich, dass ich es noch lange aushalten werde. Ich werde mir aber Mühe geben und weitere Eindrücke in diesem Thread schildern. Wer weiß: Vielleicht ändere ich meine Meinung ja noch. Optimal wäre es, wenn Hannich diese m.E. falsche Sichtweise selbst noch entlarven würde.

  • Zwar habe ich dieses Buch von Hannich nicht gelesen - dafür aber sein Buch "Geldcrash". Wenn ich so die von Dir beschriebenen Themen betrachte, scheint er in dem von Dir besprochenen Buch mit denselben Aussagen wie in Geldcrash zu operieren. Der Inhalt der beiden Bücher erscheint vergleichbar.


    Ich kann Deinen Einwänden nur zustimmen, "Geldcrash" fand ich kein gutes Buch. Hannich zeigt zwar gewisse Dinge, welche zum Nachdenken anregen - er scheint aber das Geldsystem nicht wirklich verstanden zu haben.
    So rät er z.B. für Notzeiten möglichst viel Bargeld zu Hause oder schnell beschaffbar zu halten. Als ob das in Notzeiten noch etwas wert wäre.
    Vom Goldstandard hält er nichts, ja, er warnt sogar davor (übrigens auch auf seier Homepage http://www.geldcrash.de). Er geht von einer Deflation aus, wohingegen ich mehr Anzeichen für eine aufziehende Inflation oder zumindest Stagflation sehe.
    Und er ist auch Anhänger der unpraktikablen Schwundgeld-Idee (ein Thema, welches z.T. schon im Thread "Schwungrad der Finanzkrise" behandelt wurde).

  • Oh Gott. Ich kann also erwarten, dass das Geschreibsel in diesem Stil weitergeht?!


    Da kann ich nur sagen: Naiv. Das Buch wird wohl bei mir nicht alt werden.


    Und mit "Bargeld für Notzeiten" meint er doch wohl Euros, oder? - Kotz.


    Gruß
    Karl

  • Karl, zeichne mal ein 2 dimensionales Koordinatensystem und zeichne die Funktion f(x)=1,05 hoch x ein.


    Mein Frage: Wie nennt man eine solche Funktion?


    Als Bonusaufgabe kannst du noch den limes von f(x) für x--->unendlich berechnen.


    noch ein Hinweis:


    Die Steigung (Ableitung) der Funktion ist f'(x)=(1,05 hoch x) *ln x


    Wenn du x=56 in die Ableitung einsetzt, kannst du auch gleich die Steigung der Funktion im 56. Jahr nach der Währungsreform 1948 berechnen.

  • Wenn Hannich auch Funktionen berechnen kann, ändert das nichts daran, dass er mit seinem Buch m.E. das Thema verfehlt hat.


    Wenn, dann solltest Du schon eine Stellungnahme zu meiner Kritik abgeben.


    Gruß
    Karl


    P.S.: Der Sinn in dem Berechnen mathematischer Gleichungen besteht nicht etwa in der Beherrschung dieses Berechnens. Vielmehr besteht der Sinn darin, dass man gewisse mathematische Zusammenhänge wirklich auch BEGREIFT.
    Die meisten Schüler und Studenten kommen leider nicht darüber hinaus, solcherlei Berechnungen rein TECHNISCH DURCHZUFÜHREN und haben i.d.R. kaum etwas begriffen.

  • Allerdings bin ich nicht über weitere 2 oder 3 Seiten hinausgekommen, denn - und hier stelle ich selbstverständlich lediglich meine persönlichen Eindrücke dar - das Buch wird noch viel schlechter, und mehr ertrage ich einfach nicht.


    Also: Mein Eindruck lässt sich in Stichworten wie folgt zusammenfassen:
    - Hannich hat simpelste Sachverhalte nicht begriffen (z.B. die Deflation).
    - Er reißt einzelne Argumente aus ihrem Zusammenhang und baut darauf Gedankengebäude auf, die keiner Prüfung standhalten.
    - Er verwechselt Ursache und Wirkung.
    ....


    Ich verweise hiermit auf mein Eingangsposting - der Eindruck hat sich absolut bestätigt. Mehr Zeit möchte ich mit diesem Thema nicht mehr vergeuden; mir reicht es jetzt, und ich gebe das Buch wieder zurück.


    Mein Fazit: Eines der schlechtesten Fachbücher, das ich je gelesen habe bzw. angefangen habe zu lesen. Wobei ich jetzt allerdings etwas zweifle: Ist das Buch dem Bereich "Fachliteratur" oder dem Bereich "Belletristik" zuzuordnen? Da bin ich mir nicht sicher. (Vielleicht hat Hannich ja auch eine Satire geschrieben. Dann könnte man das Buch fast als genial bezeichnen.)

  • lol


    deine Buchreview ist ein Gaumenschmauss!


    Leider hab ich das buch nie gelesen, aber ich hatte es schon mal in meiner hand das SCHWARZE Ding.


    Doch jetzt wo du Hannich mit "Belletristiker" ein Kompliment ausgesprochen hast, denke ich vielleicht nochmal darüber nach, mir seine "Gedanken" anzuschauen/lesen. Vielleicht ist es auch eine Verschwörungs-Komödie...


    wie dem auch sei: Danke für deine super Analyse und deine amüsanten, adleraugenmässig-professionellen Kommentare. So eine Buchbesprechung ist eine geniale Idee...



    PS: Ich versteh auch nicht, was Rakete mit der Exponentialfunktionsformel sagen wollte. Interessiert mich DESWEGEN umso mehr!!! Auf gehts Rakete!

  • Vermutlich meint rakete4, ich wüsste nicht, was eine Exponentialfunktion ist und wie sich ihr Wachstum verhält. Daraus muss er wohl folgern, ich hätte nicht verstanden, was Hannich meint.


    Die gleiche Denkeweise legt Hannich an den Tag: Sein Buch strotzt nur so vor einzelnen Fakten, die dann als Alibi genommen werden, um darauf unsinnige Gedankengebäude aufzubauen.


    Als beliebiges Beispiel könnte man nennen: Durch das Fahren von Autos kommen Menschen ums Leben. Dies ist eine korrekte Tatsache.
    Die Logik laut Hannich würde wohl lauten: Autos sind schlecht. Dass aber nicht Autos selbst schlecht sind, sondern nur die die Art und Weise, mit der die Menschen mit Autos umgehen (Rasen, Regeln nicht beachten, Alkohol am Steuer etc.) - darauf kommt Hannich anscheinend nie.


    Ich kann Dir zum Kauf des Buches nicht raten, auch wenn Du es als Komödie lesen möchtest. (Ich denke, nach 20 Seiten hätte ich Kopfschmerzen bekommen.)


    Gruß
    Karl

  • bluemoons


    Die Seite scheint super zu sein, muss ich mir gleich noch anschauen.


    bognair


    Die Exponentialfunktion beschreibt das Wachstum der Geldvermögen und Schulden in allen Industrienationen. In der Realität wachsen sie natürlich nicht genau mathematisch exponentiell(Konjunkturschwankungen...), aber in etwa.
    Gemessen an diesen riessigen Geldvermögen ist auch das Gold so stark unterbewertet im historischen Vergleich. Und deswegen kaufen wir ja alle Gold.


    Karl


    Von Günther Hanning halte ich auch nicht viel so. Ich habe allerdings nur ein paar Texte auf seiner Homepage gelesen.
    Mir gefallen folgende Dinge nicht:
    1) Er ist meines Erachtens mehr oder weniger ein Wichtigtuer, und auch egoistisch veranlagt. Im Gegensatz zu Helmut Creutz empfliehlt er Lösungen für den einzelnen, die vor dem Crash schützen sollen, während Creutz Lösungswege für die Gesellschaft aufzuzeigen versucht. Das kommt auch nicht von ungefähr, wenn man sich den Lebenslauf von Helmut Creutz anschaut.


    2) Hanning geht von einer reinen Deflation aus. Ich glaube eher an eine Indefaltion wie sie Bill Bonner vom Investorverlag beschreibt:
    --->langlebige Gebrauchsgüter und nicht-notwendige Konsumgüter werden billiger (z.B. Autos)
    --->teurer werden z.B.: Rohstoffabhängige Produkte, Gebühren und Steuern, Nahrungsmittel, Dinge die eh nur reiche Leute kaufen.


    3) Hannings Prognosen sind oft recht einseitig. Er empfiehlt Bargeld, weist aber soweit ich weiß nicht darauf hin, dass Bargeld nur bei einem Bankencrash nützt, und in einem Inflationsszenario schlecht ist.


    4) Auch bei seiner Goldprognose ist er unrealistisch. Er schreibt, dass während der Deflation/Rezession vor dem Crash viele Leute ihr Gold verkaufen werden müssen. Ich denke aber (falls es zu einer Rezession vor dem Crash kommt) wird das Gold, was ein paar arme Schweine verkaufen müssen, leicht absorbiert von gutbetuchten Leuten, die dann erst beim Gold einsteigen.



    Ich stimme mit Hanning allerdings überein in seiner Sicht unseres Geldsystems. Die Geldmengen wachsen nun mal exponentiell, und wenn Staat, Unternehmen und Private die Schuldenaufnahme verweigern würden, dann würde die reale Wirtschaft sofort kollabieren. Es gibt schon lange nicht mehr genug rentable Investitionen, für die man sich Geld ausleihen kann, und dann mit den eingefahrenen Gewinnen die Schulden+Zinsen zurückzahlen kann. Das war vor ein paar Jahrzehnten mal so. Heute wird die Neuverschuldung hauptsächlich zum Konsum verwendet, und kann daher natürlich nicht zurückgezahlt werden. Anders geht es aber nicht, weil dann die Wirtschaft crasht. Siehe U.S.A.

  • Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme



    Irrtümer und Täuschungen im Umgang mit dem Geld
    Währungsstabilität und Haushaltsdefizit
    Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 12. September 2003


    [...]


    Sicherlich ist es so, dass die Maastricht-Kriterien in einer Zeit zweifelnd-skeptischer Annäherung von den vorsichtig agierenden Hütern der europäischen Landeswährungen aufgestellt wurden, um zu verhindern, dass zuerst einzelne, später unweigerlich alle Länder der Währungsunion, in eine nicht mehr zu bremsende Inflationsspirale gerieten. Schließlich gab und gibt es in der EU immer noch zu viele einzelstaatliche Interessen, die von einzelstaatlichen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitikern auch durchgesetzt werden können, wogegen die gemeinsamen, gesamteuropäischen Interessen, auch das Interesse an der Stabilität einer gesamteuropäischen Währung, im Zweifelsfall immer noch zurückstehen.


    Der Stabilitätspakt ist also in Wahrheit eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, mit der verhindert werden soll, dass einzelne Mitgliedsstaaten sich durch ausufernde Ausgaben- und Schuldenpolitik auf Kosten der Gemeinschaft unrechtmäßig bereichern. Aus dieser Denkweise heraus hat Theodor Waigel nimmermüde nach den schärfstmöglichen Stabilitätskriterien und nach harten Strafen für die Sünder verlangt und am Ende beides durchgesetzt. Aus dieser Denkweise heraus argumentiert offensichtlich heute noch der niederländische Zentralbankchef Nout Wellink, wenn er die Strafen als einen unverzichtbaren Teil des Systems verteidigt und der Androhung auch Urteil und Exekution folgen lassen will.



    Heute hat sich die Situation aber längst gewandelt, die Währungsstabilität stellt derzeit überhaupt kein Problem dar, aber das Wachstum ist spärlich geworden und allenthalben fehlt es an Liquidität. Daraus haben die deutsche und die französische Regierung (endlich) abgeleitet, dass dem Abfluss liquider Mittel aus dem Kreislauf der Realwirtschaft nicht ausschließlich durch Sparsamkeit, sondern in einem gewissen Maße auch durch Zufuhr frischen Geldes begegnet werden muß, soll die Wirtschaft nicht vollständig stranguliert werden.


    Weil sich aber immer noch die gleichen nationalen Sonderinteressen um die gemeinsame Währung scharen, wäre der völlige Verzicht auf die Maastricht-Kriterien ein schwerwiegender Fehler, weil damit der radikalen Durchsetzung egoistischer Nationalinteressen sofort eurozonen-weit Tür und Tor geöffnet wären und die Währungsgemeinschaft innerhalb kürzester Zeit zur Inflationsgemeinschaft verkäme. Die größtmögliche Flexibilität der Handhabung, wie es der Währungskommissar formuliert, ist ebenfalls riskant, weil die allgemeine Lebenserfahrung lehrt, dass jede einmal gewährte Ausnahme dazu neigt, sich für alle Zukunft als neue Regel zu etablieren, der Prozess der Auflösung der Stabilitätskriterien würde damit ebenfalls unaufhaltsam voranschreiten.


    Die Situation ist verfahren und das offenkundige Dilemma der europäischen Währungspolitik macht deutlich, dass letztlich doch diejenigen Recht behalten haben, die eindringlich davor warnten, eine gemeinsame Währung zu installieren, bevor es tatsächlich zu einer umfassenden gemeinsamen Politik (Verfassung, Parlament, Regierung, Justiz) und zu einer weit gehenden Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Mitgliedsstaaten gekommen sei.


    Die währungspolitische Verhaltensweise von Frankreich und Deutschland, so wie wir sie heute erleben, ist nichts anderes, als die Einführung des Faustrechts in der Währungsgemeinschaft. So wichtig es ist, dass zusätzliches Geld in die Wirtschaft kommt, so erschreckend ist es, dass dies offensichtlich nur dadurch gelingen kann, dass sich die Großen zusammentun und sich, getrieben von der nationalen Notwendigkeit, einfach über alle Vereinbarungen und Verträge hinwegsetzen.


    (Gerne lasse ich mich daran erinnern, genau dieses Verhalten selbst gefordert zu haben, ich halte es zur Wahrung deutscher Interessen auch nach wie vor für unumgänglich, die Hoheit über die eigene Währung zurückzuerlangen, aber ich kann nicht umhin, an dieser Stelle die Tünche von der so hochgehaltenen europäischen Einigkeit abzukratzen und auf die unverändert hochgehaltenen nationalen Interessen hinzuweisen.)


    Bedenklich stimmt zudem, dass offenbar niemand bereit ist, aus der verfahrenen Situation zu lernen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Ganz im Gegenteil: Dieses Kartenhaus aus weitgehend inkompatiblen Partikularinteressen soll in diesem Jahr im Eiltempo auch noch von einer gemeinsamen Verfassung gekrönt werden, wobei es wiederum die Großen sind, die jede inhaltliche Debatte zum jetzt erreichten Stand des Konventsvorschlages mit fadenscheinigen Eilbedürftigkeitsbegründungen abwürgen wollen.


    So viel zur europäischen Politik.



    Wenden wir uns nun der Frage zu, ob und inwieweit europäische Währungsstabilität und nationalstaatliche Haushaltsdefizite überhaupt in einem nachprüfbaren Wirkungszusammenhang stehen und wie groß der zu befürchtende Einfluss von Haushaltsdefiziten auf die Preisentwicklung im Binnenmarkt tatsächlich ist. Dazu ist es nützlich, sich - zumindest im Gedankenexperiment - von der real existierenden Konkurrenz-Situation der Europäer zu lösen und ein tatsächlich einheitliches, einem gemeinsamen politischen Gestaltungswillen folgendes Europa zu unterstellen.


    Damit verliert die europäische Währungsunion nämlich die Aura des Besonderen und der Konflikt wird zur ganz normalen, in jedem Staat immer wieder zu lösenden Aufgabe, Wirtschaft und Währung in einem guten Zustand zu halten und die im Augenblick so schwerwiegenden Belange der Nationalstaaten fallen im Gewicht auf den (immer noch absolut angemessenen) Rang der Belange deutscher Bundesstaaten, wie Bayern oder Brandenburg zurück.


    Wirtschaft und Währung in einem guten Zustand zu halten ist einfach in einer Situation, in der sich der


    Verbrauch von Gütern und Leistungen und
    die gleichzeitige Produktion von Gütern und Leistungen in etwa die Waage halten
    und in der die Nachfrage stets über ausreichend Liquidität verfügt, um die benötigten Güter und Leistungen auch abnehmen zu können.
    Viel schwieriger wird es in einer Situation, in der vom Strom der Liquidität beständig kleine Geldmengen abgezweigt und als Geldvermögen angelegt werden. Bleiben Nachfrage, Produktion und Preise unverändert, wird die auf der Nachfrageseite vorhandene Liquidität nämlich nicht ausreichen, um die Produkte und Leistungen der Angebotsseite vollständig abzunehmen.


    Es entsteht - im Verhältnis zur verfügbaren Kaufkraft, aber völlig unabhängig vom realen Bedarf - ein unverkäuflicher Leistungsüberschuss. Versuche einzelner Marktteilnehmer, den Leistungsüberschuss im Denkrahmen betriebswirtschaftlichen Kalküls durch Preissenkungen zu beherrschen, verlieren ihren Reiz schnell, spätestens dann, wenn die Rendite des betriebsnotwendigen Kapitals unter die Renditeerwartung des Geldvermögens sinkt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bleiben solche partiellen Preissenkungen jedoch wirkungslos, ein neues Gleichgewicht kann nur hergestellt werden, wenn eine (oder mehrere in Kombination) der folgenden Strategien angewendet wird:


    a) Der Leistungsüberschuss wird vernichtet, die Kapazitäten werden angepasst.


    b) Der Leistungsüberschuss wird exportiert.


    c) Der Leistungsüberschuss wird im Binnenmarkt abgesetzt. Die erforderliche Liquidität wird durch Kredite zur Verfügung gestellt.


    Nun ist es aber die existenzielle Grundlage unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, dass die umlaufende Liquidität beständig um kleine Beträge vermindert wird, die dann als Geldvermögen nicht mehr am Warenhandel teilnehmen können.


    Diese kleinen Verminderungen der Liquidität werden verursacht durch


    alle Gewinne (nach Steuern), soweit sie vom Empfänger nicht zeitnah wieder für Produkte und Leistungen der Realwirtschaft ausgegeben werden.


    alle Zinserträge und Miet-/Pachteinnahmen, die nach Abzug von Kosten und Steuern von den Empfängern behalten und weder für konsumtive Zwecke noch für Investitionen in Projekte der Realwirtschaft verwendet werden.


    darüberhinaus aber auch alle Sparleistungen der Bürger, die für einen längeren Zeitraum (> 2 Jahre) in Sparplänen und Lebensversicherungen, Bausparverträgen oder Riester-Renten-Produkten fest angelegt werden.


    Es gibt kein Ausweichen vor der Tatsache: Alle in "Geldvermögen" umgewandelte Liqudität fehlt im Kreislauf der Realwirtschaft.


    Um dem abzuhelfen, erbieten sich die Banken, auf der Basis der ihnen als Einlagen anvertrauten Geldvermögen - nach kritischer Prüfung der Bonität des Bittstellers - gegen Zins neue Kredite auszureichen und so wieder Geld in den Kreislauf einzuspeisen.


    Sparsamkeit kann, das bestätigt sich auch hier wieder, nur dann Zinsen tragen, wenn sich jemand findet, der sich verschuldet. Die Ursachen für die Verschuldung sind vielfältig, sie beginnen dort, wo ein Unternehmer mit dem Einsatz von Fremdkapital die Chance sucht, einen Gewinn zu erwirtschaften und sie enden dort, wo die blanke Not dazu zwingt, die letzte Habe in die Pfandleihe zu tragen, um sich überhaupt am Leben zu erhalten.


    Jeder zusätzliche Kredit führt aber zwangsläufig zu einer Steigerung der Zinslast, in der Folge zu einer Vergrößerung des Geldvermögens und in der Folge zu neuerlicher Geldknappheit und zur Notwendigkeit neuerlicher Verschuldung.


    Das ist unser System.


    Und weil unser System so ist, wird der Staat, wenn er seine Aufgaben wahrnehmen und die Abgabenlast nicht steigern will, auch ohne jegliche bestehende Staatsschuld innerhalb kurzer Zeit finanzpolitisch scheitern müssen.


    Bitte denken Sie das Problem am folgenden Beispiel durch:


    Ein ganz einfacher, kleiner Staat, der nur einen einzigen Bediensteten, nämlich den Kanzler hat, und in dem die Aufsführung aller Staatsaufgaben, bis auf die vom Kanzler zu treffenden Entscheidungen, privatisiert ist, stellt seinem Kanzler einen jährlichen Etat von 500.000 Euro zur Verfügung. Stellen wir uns nun vor, die Wirtschaft hätte im ersten Jahr der Regentschaft des Kanzlers Einnahmen von 10 Millionen Euro erzielt, wovon 5% als Umsatzsteuer abgeführt wurden. Das ist exakt jene Summe von 500.000 Euro, die dem Kanzler am Ende des ersten Jahres zur Verfügung gestellt wurde, um sie im zweiten Jahr nach und nach für sich und die Ausgaben des Staates zu verwenden. Stellen wir uns weiter vor, dass von den 10 Millionen Einnahmen der Wirtschaft 9 Millionen an Löhnen bezahlt wurden und dass die gesamte Unternehmerschaft in diesem ersten Jahr nicht mehr Gewinn erwirtschaftet hätte, als jene fünf Prozent, die man auch dem Kanzler und seinem Staat zu geben bereit war, so stellte sich doch schon im zweiten Jahr heraus, dass nur noch 9.6 Millionen umgesetzt werden konnten, weil nämlich die Unternehmer aus dem Gewinn des ersten Jahres 400.000 Euro als Rücklage aus ihrem Gewinn zur Bank getragen hatten.


    Dem Kanzler standen daher zu Beginn des dritten Jahres seiner Regentschaft nur noch 5% aus 9,6 Millionen, also 480.000 Euro zur Verfügung und als ihm kurz vor Weihnachten das Geld ausging, lieh er sich die fehlenden 20.000 von der Bank, in der festen Absicht, den Betrag in spätestens vier Wochen, gleich nach Eingang der Umsatzsteuer für das ablaufende Jahr, zurückzuzahlen.


    Das Prinzip ist klar, oder?


    Es läßt sich auch durch andere Formen der Besteuerung nicht verändern. Sobald Gewinne (oder Zinsen) aus dem Kreislauf herausgenommen werden, müssen Schulden gemacht werden, um die stillgelegte Geldmenge zu ersetzen.


    In der viel komplexeren Wirklichkeit wird diese einfache Kette aus Ursache und Wirkung bis zur Unkenntlichkeit in Millionen von scheinbar unabhängigen Einzelereignissen zerschlagen. Ein Unternehmen macht Gewinne im Inland, ein anderes exportiert erfolgreich, ein drittes wird verkauft und zerschlagen. Grundstücke werden beliehen, um Häuser zu errichten, hier werden durch Rationalisierung ein paar Arbeitsplätze vernichtet, dort entstehen im Bereich der Genforschung neue, die Renten werden erhöht, oder auch nicht, die Krankenkassenbeiträge steigen, die Menschen nehmen ihre Dispo-Kredite mehr in Anspruch, sparen aber gleichzeitig für die Rente und für die Aussteuer und für den Hausbau. Die Müllabfuhr wird privatisiert, die Schule nicht renoviert, das Theater geschlossen. Die Steuereinnahmen steigen kaum noch, aber die Staatsausgaben steigen noch mehr, es gibt eine schwache Inflation und es gibt Kapitalflucht ins Ausland - doch ein Effekt bleibt zuverlässig gleich:


    Das Geldvermögen wächst, die Zinseinnahmen aus Geldvermögen und Grundbesitz wachsen, das aus dem Kreislauf herausgewonnene Geld muss durch neue Schulden ersetzt werden, oder die Wirtschaft stürzt in die Deflation.


    Will der Staat also seine Leistungen weiterhin ungeschmälert erbringen, muss er entweder die Steuern erhöhen, oder sich verschulden. Es geht gar nicht anders.


    Erhöht er die Steuern da, wo er Kaufkraft vom Markt nimmt, wird sich die gesamtwirtschaftliche Situation verschlechtern.


    Schränkt er seine Leistungen ein, vergibt also weniger Aufträge an die Wirtschaft, wird sich die gesamtwirtschaftliche Situation ebenfalls verschlechtern.


    Senkt er hingegen die Steuern,in der Hoffnung damit die Bürger zu entlasten, und wird diese Steuersenkung nicht im vollen Umfang verwendet, um die Nachfrage zu erhöhen, wird sich die gesamtwirtschaftliche Situation verschlechtern, ganz abgesehen davon, dass sich die staatlichen Leistungen verschlechtern müssen, was sich auch niemand wünschen kann.


    Nimmt der Staat aber zusätzliche Schulden auf, verbessert sich die gesamtwirtschaftliche Situation. Doch angeblich droht damit erhebliches Ungemach für die Zukunft.


    Sind Staatsschulden ein Risiko für zukünftige Generationen?


    Entgegen eines weit verbreiteten und wohlgehegten Irrglaubens entsteht Wachstum in unserem System nicht durch mehr Arbeit, sondern einzig und alleine durch die Verfügbarkeit von mehr Geld. Nur wenn Geld da ist, das als Gewinn abgeschöpft (und in Geldvermögen umgewandelt werden kann), lohnt es sich im Kapitalismus ein Unternehmen zu betreiben.


    So lange der Staat nicht wagt, aus dem Wirtschaftskreislauf herausgenommenes Geld, das durch sein Fehlen die Einnahmen des Staates mindert, direkt per Vermögenssteuer und/oder per Steuern auf Zins- und Spekulationserträge dort abzuholen, wo es gehortet wird und von wo aus es nur als Darlehen gegen Zinsen wieder auf den Markt kommt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich eben genau dieses Geld zu leihen, oder den Offenbarungseid zu leisten.


    Aber das aus dem Wirtschaftskreislauf herausgenommene Geld mindert ja nicht nur die Einnahmen des Staates, es fehlt der Wirtschaft und der Masse der privaten Haushalte eher noch mehr, als dem Staat. Wer die Statistiken richtig liest, erkennt, dass der Staat (Deutschland) nur etwa 25Prozent der in unserer Volkswirtschaft existierenden Schulden auf sich gezogen hat. Die restlichen 75 Prozent verteilen sich auf Wirtschaft und private Haushalte.


    Der weitaus größte Anteil an der Gesamtverschuldung und damit die hauptsächliche Gefahr für die Währungsstabilität geht also von der Veränderung der Schuldenkonten der nichtstaatlichen Markteilnehmer aus. Das lässt sich ohne Zweifel an den erreichten Schuldenständen ablesen und es spricht alles dafür, daß sich dieses Verhältnis auch in Zukunft kaum verändern wird.


    Vor den Risiken für die Währung, die von der - im Verhältnis zu den Staatschulden - viel größeren Verschuldung der übrigen Marktteilnehmer ausgehen, warnt aber keine EZB und kein internationaler Währungsfond. Ist das nicht verwunderlich? Oder weiß man dort ganz genau, dass Schulden und Geld nur die unterschiedlichen Seiten der gleichen Medaille sind, und dass ein stetiges Wachsen der Geldmenge (incl. Geldvermögen) unabdingbare Voraussetzung dafür ist, daß Handel und Wandel florieren?


    Entsteht die negative Haltung zu konjunkturbelebender Staatsverschuldung vielleicht aus ganz anderen Ursachen, die jedoch - im Gegensatz zu den öffentlich vorgetragenen Argumenten - weitaus weniger selbstlosen und altruistischen Interessen entspringen?


    Fragen wir uns also, welche Gewinn- und Vermögensinteressen werden durch Staatsschulden beeinträchtigt und schon finden wir zumindest zwei hochinteressante Motive, sich mit Macht gegen die Staatsverschuldung einzusetzen:


    1. Die Höhe der Zinserträge


    Der Staat, als AAA-Schuldner, mit bestmöglichem Rating, zahlt die niedrigsten
    Zinsen. Die gleiche Geldmenge lässt sich an Wirtschaft und Private mit deutlich
    höherem Gewinn verleihen. Je größer also der Anteil des Staates an der zur Geldbereitstellung unvermeidlichen Verschuldung ist, desto geringer die Zinserträge.


    2. Gemeinwirtschaftliche Aufgaben


    Der Staat nimmt (immer noch) vielerlei Aufgaben in eigener Regie wahr, aus denen sich Unternehmer bei Privatisierung hohe Gewinne und Kapitalanleger hohe Renditen versprechen.
    Aber nur, wenn man dem Staat den Gürtel so eng schnallt, daß er der Not gehorchend sein Tafelsilber verkauft, wird der Weg frei, diese Aufgaben zu privatisieren. Je mehr die zulässigen Schulden des erstklassigen Schuldners Staat durch Gesetze und Verträge beschränkt werden, desto weniger kann er gemeinwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen, desto größer der Marktanteil der gewinnortientierten Unternehmer.


    Wo liegt also die reale Gefahr der Staatsverschuldung für die Währung?


    Die düstere Prognose, Staatsschulden wirkten sich langfristig negativ auf das Wachstum aus, die Wim Duisenberg in diesen Tagen ausgesprochen hat, ist falsch. Das Wachstum ist abhängig von der verfügbaren Geldmenge. Die EZB unter Duisenbergs Führung versucht, die jährliche Inflationsrate bei mindestens(!) 2% zu halten. Weniger, das hat die EZB begriffen, bedeutet allerhöchste Deflationsgefahr! Wieso soll also ausgerechnet die Staatsverschuldung, mit ihrem 25%-Anteil an der Gesamtverschuldung bei einer sowieso tendenziell zu niedrigen Inflation eine Gefahr für die Währungsstabilität und zukünftiges Wachstum darstellen?


    Nur wenn der Staat den zum Scheitern verurteilten Versuch unternimmt, sich der finanzmathematisch unausweichlichen, Jahr für Jahr steigenden Mehrverschuldung zu entziehen, wirkt sich das als Wachstumsbremse aus.


    Ansonsten ist alles nur ein Spiel, in dem die Werte der von der Realwirtschaft bewegten Güter und Leistungströme mit immer größer werdenden Zahlen ausgedrückt werden, ohne daß sich die Relationen der Werte untereinander verändern müßten. Ob ein Neuwagen 10.000 oder 100.000 Euro kostet ist gleichgültig, solange die Durchschnittseinkommen im ersten Fall bei jährlich 50.000 Euro liegen und im zweiten Fall bei 500.000.


    Gigantische Zahlen erreichter Schuldenstände mögen Besorgnis erregen. So lange unser System aber so funktioniert, wie es funktioniert, ist der Versuch, die Geldvermögen durch Inflation zu entwerten, während Löhne und Preise sich auf steigendem Niveau ungefähr die Waage halten, der einzige Weg, die Realwirtschaft gesund zu erhalten. Dies ist wichtiger, als eine Währungsstabilität, die nur dem Erhalt gehorteter Vermögen dient und damit als Umlaufbremse wirkt.


    Die andere Möglichkeit bestünde darin, dass der Staat selbst - ohne Inanspruchnahme der Banken, also ohne Schulden zu machen - in dem Maße frisches Geld schafft, wie es der Wirtschaft durch Hortung entzogen wird und dass er dieses Geld an geeigneten Stellen in den Kreislauf der Realwirtschaft einspeist.


    Man könnte Renten damit bezahlen, oder Geburtsprämien, oder Universitäten bauen, oder Projekte des Umweltschutzes bezahlen, oder, oder, oder.

  • at rakete 4


    Nun ich hoffe, dass die Fähigkeiten der Verteidiger des Zinssystems entsprechend ausgebildet sind und dass sie mit Hilfe dieser Anschauungshilfe EINSEHEN, dass eine Geldwirtschaft, die auf dem Zins aufbaut, früher oder später am Zins erstickt.


    at karl at thom


    Stellt euch doch einmal für einen Moment vor, dass statt Geld nur noch mit Goldmünzen gewirtschaftet würde und die Idee des Zinses nicht bekannt wäre. Stellt euch weiter vor, dass ein paar wenige nun einen kleinen Vorrat an Goldmünzen erwirtschaftet hätten. Zugleich sind einige wichtige Güter kaum zu kaufen. Es gibt einfach zu wenig Produzenten.
    Dieses Problem könnte leicht behoben werden, wenn die Goldbesitzer z.B. den besitzlosen, jungen Handwerksmeistern Kredite geben würden. Die Besitzlosen, aber potentiell produktiven jungen Handwerker könnten sofort beginnen die Nachfrage nach diesen gefragten Gütern zu decken. Die Goldbesitzer könnten endlich das ein oder andere Produkt, das sie schon seit langen kaufen wollten, kaufen. Sie hätten also einen riesigen Vorteil von dem Kredit, den sie vergeben. Warum sollten sie das denn nicht tun??????
    Was haben wir denn im Moment für eine Situation in Deutschland? Bald werden unsere ganzen Einnahmen für Zinszahlungen verwendet werden. Das ist doch schon jetzt ein Irsinn, an dem nur die Banken und Papiergeldbesitzer sich laben. So sehe ich die Dinge jedenfalls.


    Euer Zeitgenosse

  • Naja, dass f(x)=1,05 hoch x eine Exponentialfunktion ist, haben Bognair und Karl ja bereits erkannt.Das kannst du Ihnen nicht vorwerfen, Zeitgenosse.


    Nur sehen sie irgendwie keinen Zusammenhang zwischen A) dieser Exponentialfunktion und der realen Geldwirtschaft oder B) zwischen der Geldwirtschaft und der Realwirtschaft.
    Gut, dieser Meinung kann man natürlich sein (A und/oder B). Ich will nicht nochmal diskutieren. Ich wollte lediglich Günter Hannings Thesen zu unserem Geldsystems verteidigen, da Karl sich ja sehr kritisch dazu geäussert hat.

  • Zitat

    - Zunächst erläutert Hannich, warum ein Zinssystem auf Dauer seines Erachtens scheitern muss. Er führt Beispiele an. (Z.B. wäre ein im Jahre 0 ausgeliehener Pfennig bei 5% Verzinsung mit Zinseszins bis zum Jahre 1990 zu einem Wert von mehr als 100 Milliarden Erdkugeln aus Gold angewachsen.) Er folgert daraus sinngemäß, dass ein System, das auf beschleunigtes Wachstum ausgerichtet ist, in unserer endlichen Welt automatisch zum Scheitern verurteilt ist.


    ==> Mein Kommentar: Wer sagt denn, dass das Ausleihen auf Dauer geschehen soll?! Liegt das Scheitern nicht eher darin begründet, dass die Leute mit Zins und Zinseszins nicht umgehen können? In dem Fall wäre nicht das System schlecht, sondern der Umgang mit ihm. Dies ist m.E. ein eklatanter Unterschied, der - zumindest im 1. Kapitel - nicht aufgegriffen wird



    Auf diese Kritik von Karl beziehe ich mich.

  • @ zeitgenosse


    Wo siehst Du hier einen Verteidiger des Zinssystems? Ich habe nie gesagt, dass das Zinssystem ideal sei und ohne Probleme funktioniere.
    Ich bin auch der Ansicht, dass das Zinssystem zu Blasen führen kann, wenn sich Personen und Institutionen überschulden und die Exponentialfunktion ist mir durchaus geläufig (Karl offensichtlich auch, wenn Du genau liest, was er oben in seiner Antwort an Rakete meinte).
    Wenn die Wirtschaft übermässig auf Kredite aufgebaut ist, fordert das Zinssystem theoretisch ein exponentielles Wirtschaftswachstum. Da das offensichtlich über längere Zeit nicht realistisch ist, werden die Verwerfungen im Zinssystem in der Realität folgendermassen "korrigiert":
    - Inflation
    - Zahlungsausfälle
    Das das nicht ideal ist, ist mir absolut klar - insofern kann ich Euch durchaus zustimmen. Wenn Ihr mir ein funktionierendes zinsloses System zeigt, wäre ich durchaus ein Befürwortere dessen.
    Aber die Idee muss wirklich gut sein - ich habe mich -auch wenn Du mir das vielleicht nicht zugetraut hast- sehr lange mit dem Zinssystem und vor allem mit möglichen Alternativen (Freigeld, etc.) beschäftigt. Leider vermochte mich bis jetzt keine Alternative zu überzeugen, das sie allesamt nicht funktionsfähig wären oder gar zu noch schlimmeren Verwerfungen, als das Zinssystem selbst führen, und/oder die Freiheit extrem einschränken würden.
    Meine Position ist deswegen einfach: ich bin für das Zinssystem, solange keine bessere Alternative bekannst ist. Um die obigen negativen Effekte zu verhindern oder vermindern, sollten die Leute lernen, mit dem Zinssystem umzugehen.
    Alle Systeme, welche die Schwundgeldidee beinhalten oder auf die Freiwilligkeit von Darlehen aufbauen, würden in der Realität genausowenig funktionieren wie der Sozialismus (in welchem übrigens - man lese und staune - teilweise auch verzinsliche Anleihen aufgelegt wurden, obwohl das eigentlich der kommunistischen Idee widerspricht. Offensichtlich ging es selbst da nicht anders).

  • Zitat

    Naja, dass f(x)=1,05 hoch x eine Exponentialfunktion ist, haben Bognair und Karl ja bereits erkannt.Das kannst du Ihnen nicht vorwerfen, Zeitgenosse.


    Ja, da hast Du offensichtlich den Thread nicht genau gelesen - die Exponentialfunktion ist offensichtlich allen hier geläufig.


    Zitat

    - Zunächst erläutert Hannich, warum ein Zinssystem auf Dauer seines Erachtens scheitern muss. Er führt Beispiele an. (Z.B. wäre ein im Jahre 0 ausgeliehener Pfennig bei 5% Verzinsung mit Zinseszins bis zum Jahre 1990 zu einem Wert von mehr als 100 Milliarden Erdkugeln aus Gold angewachsen.) Er folgert daraus sinngemäß, dass ein System, das auf beschleunigtes Wachstum ausgerichtet ist, in unserer endlichen Welt automatisch zum Scheitern verurteilt ist.

    ==> Mein Kommentar: Wer sagt denn, dass das Ausleihen auf Dauer geschehen soll?! Liegt das Scheitern nicht eher darin begründet, dass die Leute mit Zins und Zinseszins nicht umgehen können? In dem Fall wäre nicht das System schlecht, sondern der Umgang mit ihm. Dies ist m.E. ein eklatanter Unterschied, der - zumindest im 1. Kapitel - nicht aufgegriffen wird.


    Dieser Kritik von Karl kann ich mich auch anschliessen - damit man Geld so lange gegen Zins anlegen kann, muss zuerst jemand bereit sein, das Geld so lange auszuleihen. Es ist völlig unrealistisch, dass jemand eine solche Anleihe über 1990 Jahre in Anspruch nimmt, deswegen ist Hannichs Vergleich unsinnig.
    Das Problem ist tatsächlich, dass viele Leute (und leider auch Staaten) mit dem Zinssystem nicht umgehen können - das ist schlecht, nicht das System an sich.

  • das Zinssystem ist gut, nur die Menschen wissen damit nicht umzugehen.Wenn die Menschen, die Allgemeinheit und die Mehrheit
    damit nicht umgehen könne , kann es nicht gut sein. Das System sollte Menschen dienen und nicht umgekehrt.


    das ist genau so zu sagen, die Atombombe ist gut, weil sie eine starke Abschreckungsfunktion besitzt nur die Menschen können damit nicht umgehen.


    Geld kommt als Kredit in Umlauf, Verschuldungszwang vorprogrammiert.


    und hier eine interessante Seite


    Auf Arbeitslosigkeit programmierte Wirtschaft


    Diagnose und rechtstechnische Behandlung des Mehrwertsyndroms


    von Dieter Suhr



    http://www.equilibrismus.de/de…grammierte_wirtschaft.htm

  • @ Bluemoons


    Ok., so kann man die Sache auch betrachten, dass das System seinen Zweck nicht erfüllt, wenn die Leute nicht damit umgehen können. Das spricht gegen das Zinssystem. Nur: was wäre die bessere Alternative? Siehe dazu meinen vorletzten Beitrag.
    Es geht schliesslich nicht nur darum, die Mängel des aktuellen Systems aufzuzeigen - relevant ist die Diskussion nur, wenn gute Lösungsvorschläge da sind, wie diese Mängel ausgemerzt werden können, ohne andere, ev. gravierendere Mängel zu erzeugen. Schwundgeld kann da m.E. nicht die Antwort sein. Die Mängel des Schwundgeldsystems habe ich schon im Thread "Schwungrad der Finanzkrise" angedeutet.

Schriftgröße:  A A A A A