29. Januar 2004 Bundesbankpräsident Ernst Welteke im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Volksvermögen, Goldverkäufe und die Reputation der Währungshüter.
Herr Präsident Welteke, 1997 hat der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel versucht, einen Teil des Goldschatzes der Bundesbank durch Neubewertung zu heben. Damals hat die Bundesbank sich dagegengestellt, und die Öffentlichkeit war in hohem Maße besorgt. Der Versuch mißlang. Nun will die Bundesbank Gold verkaufen. Was ist heute anders als damals?
Damals ging es um eine höhere Bewertung der Gold- und Devisenreserven und entsprechende Überweisungen an den Bund. Heute wollen wir Gold verkaufen, damit realisieren wir echte Gewinne, die wir ausschütten wollen.
Wird die Bevölkerung diesen Unterschied verstehen?rd die Bevölkerung diesen Unterschied verstehen?
Es macht schon einen Unterschied, ob man unrealisierte Buchgewinne oder realisierte Gewinne ausschüttet. Aber dies ist eine der Schwierigkeiten, die man erläutern muß.
Der Goldschatz ist nicht mehr sakrosankt. Wieviel Gold braucht die Bundesbank, um die Reputation der europäischen Geldpolitik und das Vertrauen der Bevölkerung in einen stabilen Euro zu sichern?oldschatz ist nicht mehr sakrosankt. Wieviel Gold braucht die Bundesbank, um die Reputation der europäischen Geldpolitik und das Vertrauen der Bevölkerung in einen stabilen Euro zu sichern?
Das ist nicht genau zu definieren. Es gibt viele, die sagen, Gold habe in einer Welt flexibler Wechselkurse überhaupt keine Währungsfunktion mehr. Etliche Notenbanken, die sich in einem System flexibler Wechselkurse befinden, haben in den letzten Jahren ihre Goldbestände reduziert. Die Bundesbank hat 3440 Tonnen Gold, wir wollen davon knapp 20 Prozent innerhalb von fünf Jahren verkaufen. Das halte ich aus Währungs- und Reputationsgründen für unschädlich.
Ein Goldverkauf heißt, daß Geld an die Bundesbank zurückfließt. Hat das Rückwirkungen auf die Geldpolitik?
Der Goldverkauf führt zu einer Bilanzverkürzung auf beiden Seiten. In einem ersten Schritt führt ein Goldverkauf zu einem restriktiven geldpolitischen Impuls. Die Größenordnung bei 120 Tonnen im Jahr ist allerdings so klein, daß dies ohne Probleme durch unsere Offenmarktgeschäfte aufgefangen werden kann.
Ihr Wunsch ist es, das Goldvermögen in einem Fonds als Vermögen künftigen Generationen zu erhalten. Werden künftige Generationen nicht einfacher entlastet, wenn man das Gold verkauft, Staatsschulden tilgt und die öffentliche Zinslast mindert?
Das ist ein ernstzunehmendes Argument. Aber meine Erfahrung zeigt, daß Einmaleinnahmen, die der Bund erzielt, nicht zu einer Konsolidierung des Haushalts führen. Sie führen dazu, daß neue Verschuldungsspielräume geöffnet werden. Auch unsere heutigen Schulden sind durch frühere Gegenwartsausgaben entstanden. Schulden sollten dadurch zurückgeführt werden, daß man die Ausgabenseite des Haushalts reduziert.
Welche Größenordnung hätte der Fonds?
Der Fonds wäre nicht so groß, wie das vermutet wird. Der Gewinn aus einem etwaigen Goldverkauf hängt von der Höhe des Goldpreises in Dollar und dem Dollar-Kurs ab. Nehmen wir nur als Beispiel einen Goldpreis von 400 Dollar je Feinunze und einen Euro-Kurs von 1,20 Dollar an. Als Faustformel ergibt sich unter diesen Annahmen, daß der Verkauf von 100 Tonnen Gold für die Bundesbank auf einen Nettogewinn von rund 800 Millionen Euro hinauslaufen dürfte.
Werden über fünf Jahre 600 Tonnen Gold verkauft, beträgt der Gesamterlös mithin 4,8 Milliarden Euro. Fließt der gesamte Betrag in den Fonds ein und setzt man eine jährliche Rendite von 5 Prozent an, hätte die Stiftung jährlich etwa 200 bis 250 Millionen Euro für Förderzwecke zur Verfügung.
Sollen Erlöse aus dem Goldverkauf auf jeden Fall in einen Fonds gehen?
Es kann passieren, daß wir Gold verkaufen und stille Reserven auflösen, aber in unserer sonstigen Bilanz möglicherweise größere Verluste haben. Dann kann die Bundesbank auch nichts an einen Fonds abführen.
Wofür soll ein Goldfonds das Geld verwenden? 250 Millionen Euro für Bildung wären viel Geld.
Über die Verwendung muß die Politik entscheiden. Ich habe da eine persönliche Meinung. Mein Punkt ist, das Vermögen zu erhalten. Ich bekomme von vielen Seiten Unterstützung, wenn ich sage, von den Erträgen könnten Bildung und Forschung finanziert werden. Aber die Bundesbank hat dazu keine dezidierte Meinung; die Verwendung der Fondserlöse ist Sache der Politik.
Wer soll den Fonds verwalten, die Bundesbank etwa?
Nein. Das ist nicht unsere Absicht. Wir wollen hier keine Investmentbank werden. Wenn man uns das antragen würde, dann würden wir es wohl machen. Aber das ist nicht unser Ziel.
Gibt es Signale aus Berlin, daß der Gesetzgeber der Fondslösung zustimmen würde?
Wir haben eine offizielle Position formuliert. Jetzt muß man abwarten, wie die Reaktion sein wird.
Wenn die Politik sich nicht auf die Fondslösung einläßt, wollen Sie dennoch Gold verkaufen?
Dann müssen wir den Vorgang neu bewerten. Ich glaube, daß die Öffentlichkeit nicht verstehen würde, wenn das durch Außenhandelsüberschüsse in den fünfziger Jahren hart erarbeitete Goldvermögen jetzt genutzt würde, um Haushaltsprobleme der Politik zu lindern.
Wird es zu einer Neuauflage des Goldabkommens kommen und wann? Bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds vielleicht?
Ich glaube schon, daß wir uns auf eine Neuauflage einigen werden. [SIZE=7][Hier musste ich an mein Eagle denken...][/SIZE] Ob das bei der Frühjahrstagung der Fall sein wird, weiß ich nicht. Das jetzige Goldabkommen läuft im September aus. Es wäre angemessen, wenn wir etwa ein halbes Jahr vorher zu einer Einigung kämen. Aus bisherigen Gesprächen weiß ich, daß wir mit etwa 120 Tonnen dabeisein können.
Würden Sie mit den Goldverkäufen warten, bis der Euro wieder abwertet, um die Erlöse zu vergrößern?
Da ich die Wechselkursentwicklung nicht vorhersagen sagen, kann ich diese Frage nicht beantworten.
Die Fragen stellten Benedikt Fehr und Patrick Welter.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2004, Nr. 25 / Seite 13