HANDELSBLATT, Montag, 06. September 2004, 14:20 Uhr
China will am hohen Ölpreis nicht schuld sein
Opec erwartet sinkende Ölpreise
Der Präsident der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), Purnomo Yusgiantoro, rechnet mit weiter fallenden Ölpreisen.
HB SYDNEY. „Die internationalen Ölpreise werden im Zeitraum zwischen September und Dezember wahrscheinlich sinken. Das sind gute Neuigkeiten“, sagte Yusgiantoro am Montag in Jakarta. Eine der Gründe sei eine höhere Förderung im Irak, da erwartet werde, dass sich die Sicherheitslage in dem Opec-Mitgliedsland verbessere.
Auch die Lösung des Yukos-Skandals in Russland sowie die Präsidentenwahlen in den USA könnten zu sinkenden Preisen beitragen, falls es dabei zu keinen Zwischenfällen komme. Der Opec-Präsident bezifferte das weltweite Überangebot an Rohöl gegenwärtig auf 1,5 Mill. Barrel (je 159 Liter) pro Tag. Die Opec-Staaten produzieren derzeit täglich rund 30 Mill. Barrel Öl, rund vier Millionen Barrel mehr als die offizielle Quote von 26 Mill. Barrel.
Im Irak erschütterten in den letzten Wochen immer wieder Anschläge die Ölanlagen und unterbrachen die Förderung. Die irakische Regierung verstärkt nun den Kampf um mehr Sicherheit der Pipelines und Fördertürme: Das Ölministerium des Landes hat nach eigenen Angaben eine 14 000-Mann-Truppe zur Bewachung der Anlagen aufgestellt und will örtlichen Clan-Führern Geld dafür zahlen, dass sie auf die Anlagen aufpassen. Die Ölleitungen führen über weite Strecken durch unbewohnte Wüsten und sind deshalb schwer zu schützen. Die Ölexporte machen 95 Prozent der Einnahmen des irakischen Staates aus.
Der US-Ölpreis hatte sich zum Schluss der vergangenen Woche leicht verbilligt. Ein Barrel der Sorte WTI zur Lieferung im Oktober kostete am Freitag bei Handelsschluss an der New Yorker Warenterminbörse Nymex 43,99 Dollar und damit 7 Cent weniger als am Donnerstag. Im Wochenverlauf kletterte der Ölpreis allerdings um 81 Cent. Am Montag ruhte der Handel in den USA wegen eines Feiertages.
Saudi-Arabien hat nach Angaben aus Branchenkreisen nicht gegen eine Anhebung des Opec-Preisbandes beim nächsten Ministertreffen der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) am 15. September einzuwenden. Eine Größenordnung wollte der Sprecher nicht nennen. Die Zeitung „Al-Hayat“ zitierte jedoch den katarischen Ölminister Abdullah bin Hamad Al Attiyah mit der Äußerung, ein Opec-Gremium erwäge die Anhebung des Preisbandes auf 28 bis 32 Dollar je Barrel.
Gegenwärtig liegt das Band bei 22 bis 28 Dollar, allerdings ist der Preisbandmechanismus bereits seit längerer Zeit ausgesetzt. Aus der saudischen Quelle verlautete, dass das Preisband eventuell wieder gesenkt werden könnte, wenn sich die Verhältnisse auf den Märkten normalisiert hätten.
Die chinesische Regierung hat die Verantwortung für den hohen Ölpreis zurückgewiesen. Es sei in den vergangenen Monaten viel darüber gesprochen und geschrieben worden, dass die hohe Ölnachfrage Chinas den Ölpreis in die Höhe getrieben habe, sagte Zhang Guobao, der stellvertretende Vorsitzende der staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission, am Montag bei der Welt-Energiekonferenz in Sydney. "In Wirklichkeit ist die internationale Spekulation für den Preisanstieg verantwortlich", sagte Zhang. China werde zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Der Regierungsfunktionär machte gleichzeitig deutlich, dass sein Land einen enormen Energiebedarf habe und er lud internationale Unternehmen ein, in China zu investieren. In den besonders wachstumsstarken Regionen Chinas steige der Energieverbrauch in Jahresraten von 25 %. Andererseits hätten viele ländliche Regionen gar keinen Zugang zu elektrischer Energie.
"Engpässe in der Versorgung haben Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum", sagte Zhang. Daher werde China in alle Formen der Energieerzeugung investieren und Kernkraftwerke, Wasserkraftwerke, Windenergieanlagen und solar betriebene Kraftwerke bauen. Basis der chinesischen Energieversorgung werde jedoch zunächst die Kohle bleiben, wo China der weltweit größte Produzent und Verbraucher ist. "China will in diesem Jahrhundert in jeder Beziehung ein wohlhabendes Land werden", erklärte der Regierungsvertreter. "Wir beschleunigen diese Entwicklung." Das Land biete dadurch viele wirtschaftliche Chancen auch für ausländische Unternehmen.