Und nun, Herr Ackermann?
VON JÖRG EIGENDORF UND SEBASTIAN JOST18. Januar 2009, 02:42 UhrDie Deutsche Bank steht vor einer epochalen Wende. Das Investmentbanking hat als Geldmaschine ausgedient. Unklar ist, wie das größte Kreditinstitut des Landes aussehen und woher das Kapital für den Umbau kommen soll. Vor allem aber ist kein Nachfolger für Josef Ackermann in Sicht
Keine Schwäche zeigen, bloß keine Schwäche zeigen. Das Essen sei schuld gewesen, ließ die Deutsche Bank verlauten, als am Donnerstagmorgen die Nachricht vom Kreislaufkollaps Josef Ackermanns die Runde machte. Würstchen mit Kraut hatte der Vorstandschef gegessen. Erst später korrigierte der wieder genesene Ackermann, dass es wohl doch der Stress war: "Ich hatte den ganzen Tag dicht gedrängt voller Termine, leider nichts gegessen und fast nichts getrunken", sagte der 60-jährige Banker der "Bild-Zeitung".
Dabei hatte Ackermann Glück im Unglück gehabt am Mittwochabend. Er stand beim Neujahrsempfang in der Deutsche-Bank-Repräsentanz in Berlin am Rande des Saales. Schnell konnte er noch ins Nebenzimmer gehen, ein Zusammenbruch vor den Augen der 300 Gäste blieb ihm erspart.
Das Bild wäre ein Fiasko am Ende eines desaströsen Tags gewesen. 4,8 Milliarden Euro Verlust in einem Quartal, der historische Rekord in der 139-jährigen Geschichte der Deutschen Bank, hatte er noch am Mittwochmittag den Analysten erklären müssen.
Was noch schwerer wiegt: Rund 1,5 Milliarden Euro davon sollen aus Verlusten im Eigenhandel gekommen sein - also Wetten auf die eine oder andere Richtung an den Kapitalmärkten. Aller Welt war auf einmal offensichtlich: Die Deutsche Bank hat sich verzockt, obwohl ihr Vorstandschef doch immer betont hatte, dass Zocken nicht die Art des Hauses sei. "Diesem Quartalsergebnis ist nichts Positives abzugewinnen", schrieben die Analysten der Credit Suisse.
Schlecht ist die Stimmung auch im eigenen Haus. "Zero Budgeting" ist derzeit die Devise. Flüge und Taxifahrten sind zu vermeiden, wann immer möglich, selbst im noblen Investmentbanking. Sogar die für Banker so unentbehrlichen Blackberry-Geräte, dank derer sie ständig per E-Mail erreichbar sind, stehen auf dem Kostenindex - zumindest wenn es um neue Geräte geht.
Wenn es nur das wäre: Durch die Finanzkrise ist der Deutschen Bank in ihrem wichtigsten Bereich, dem Investmentbanking, das Geschäftsmodell abhandengekommen. Milliarden an Erträgen werden wegfallen, weil der Eigenhandel eingedampft wird und hoch komplexe Produkte kaum mehr gefragt sind.
Die Regulatoren werden mit ihren Auflagen das Übrige tun. Auf einem Empfang in Bonn brachte es Ackermann am Dienstag auf den Punkt: "Die Zukunft liegt in der erfolgreichen Einbettung des Investmentbankings in die Universalbank", sagte er vor fast 1000 Besuchern. Wie dieses "Einbetten" gehen soll, bleibt sein Geheimnis. Noch im September waren rund zwei Drittel des Bankkapitals im Kapitalmarktgeschäft gebunden.
Jetzt muss umgeschichtet werden. Doch wie? Mit welchen Geschäften will die Deutsche Bank die Ausfälle im Investmentbanking kompensieren? In welchen Regionen der Welt will sie stark sein? Wie soll der Umbau finanziert werden? Fragen über Fragen, und auch auf eine der wichtigsten gibt es keine Antwort: Wer soll die Deutsche Bank ins neue Zeitalter führen?
Nicht, dass Ackermann an der Spitze der Bank infrage stünde. Der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig weiß, was er an seinem Vorstandschef hat. Ackermann ist in Frankfurt wie in London anerkannt. Er gehört zu den wenigen Bankern weltweit, die mit Staatschefs auf Augenhöhe sprechen können. Und vor allem: Der Schweizer hat trotz Verlusten sein Haus besser im Griff als viele andere. Die Bank muss zwar umgebaut werden, ist aber längst kein Sanierungsfall. Es gäbe vermutlich keine Nachfolgediskussion, wenn Ackermann selbst nicht die Grundlage dafür geschaffen hätte. Mehrfach hat der Oberst der Schweizer Armee beteuert, im Mai 2010 den Posten des Vorstandschefs abzugeben.
Normalerweise wäre es ein Leichtes, angesichts der globalen Krise dieses Versprechen rückgängig zu machen. Doch das könnte Ackermann schwer fallen. Zu oft musste er seine eher optimistischen Prognosen wieder kassieren. Zu viel Prügel musste er in den vergangenen Wochen einstecken.
Hinzu kommt die angespannte Beziehung zur Politik. Das Verhältnis zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem einstigen Lieblingsbanker ist stark abgekühlt, seit Ackermann die Annahme staatlichen Kapitals zu einer Frage der Ehre machte. Auch auf dem Neujahrsempfang machte der Bankchef klar, dass er den Weg unter den Rettungsschirm der Regierung ablehnt - und das, obwohl die teilstaatliche Deutsche Post nun vorübergehend zum größten Aktionär der Deutschen Bank wird. "Das war eine Frechheit", heißt es in Berlin.
Alles wäre viel einfacher, wenn wenigstens ein geeigneter Nachfolger in Sicht werde. Doch Chef-Investmentbanker Anshu Jain, lange Zeit als Sonnengott gefeiert, ist nach dem letzten Quartalsergebnis nicht mehr vermittelbar. Auch Investmentbanker Michael Cohrs, der strategische Kopf hinter Ackermann, dürfte kaum eine Chance haben. Risikomanager Hugo Bänziger wiederum gilt zwar als brillant, hat aber durch die heftigen Verluste ebenfalls einige Dreckspritzer abbekommen. Privatkundenchef Rainer Neske hätte als Vorstandschef auf der internationalen Bühne, in London und New York, wohl einen schweren Stand.
Bleibt Arbeitsdirektor Hermann-Josef Lamberti, der sich in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit rar gemacht hat, in der Bank selbst jedoch derzeit umso präsenter ist. Lamberti hatte aber beim Internet-Hype zur Jahrtausendwende Millionen versenkt.
Da es überhaupt nicht in die Kultur der Deutschen Bank passen würde, von außen einen neuen Chef zu holen, wird der zahlenverliebte Aufsichtsratsvorsitzende Börsig sehr kreativ sein müssen. Möglicherweise könnte man eine Doppelspitze bilden, beispielsweise mit Bänziger und Cohrs. Es wäre nicht das erste Mal in dem Traditionshaus, dass die Führungsstruktur pragmatisch an die handelnden Personen angepasst würde.
In der Bank wird die leidige Nachfolgediskussion inzwischen mit Sarkasmus verfolgt: "Vielleicht", sagt ein Manager, "wird es ja ein Staatssekretär."
Wenn sich keiner finden sollte, biete ich mich an die Bank zu führen. Den Laden kann man in 6 Wochen sanieren und auf die Überholspur bringen. Ich meine das ernst.
Jedoch sollte der Führungswechsel schnell von statten gehen, da ich sonst in Urlaub fahre.
Grüße Sonnengott