Jetzt wird Alles klar, unser Doktor schreibt unter Drogen!
Die Grenze unseres Denkens
Von Dr. Bernd Niquet
Beim Nachdenken ueber die Boerse ist man oft dem Wahnsinn
nahe. An jedem Tag entsteht in der Wirtschaft und an der
Boerse eine neue Welt. Was gestern noch richtig war, ist
heute oft schon falsch. Und was gestern noch falsch war, ist
heute vielleicht richtig. Und manchmal geht es noch schlimmer
ab, da ist das bereits heute falsch, was heute eigentlich
richtig ist.
In der Konsequenz bedeutet die Tatsache, dass wir diese Ent-
wicklung nicht antizipieren koennen, dass alle unsere Wirt-
schaftstheorien statisch sind – und auch statisch sein mues-
sen. Und dass wir hier nichts prognostizieren koennen, jeden-
falls keine autonome Entwicklung, sondern allenfalls die
Fortschreibung vermeintlicher Trends leisten koennen. In
meiner Unizeit habe ich in meiner Dissertation versucht, die
Gruende hierfuer exakt theoretisch in den Griff zu bekommen.
Das hat mich teilweise fast den Verstand gekostet, weil man
sich ploetzlich nur noch in Kreisprozessen und voellig
selbstreferentiellen Bereichen herumschlaegt.
Um diesen "gordischen Knoten" schliesslich einmal durch Zer-
schlagen in den Griff zu bekommen zu versuchen, habe ich im
Jahr 1988 ein Selbstexperiment gemacht, dessen Protokoll mir
neulich wieder in die Haende gefallen ist. Dazu habe ich eine
bewusstseinerweiternde Droge geraucht und mich anschliessend
hingesetzt, ueber dieses Thema nachgedacht, und aufgeschrie-
ben, was mir dabei in den Kopf gekommen ist. Leicht sprach-
lich verbessert praesentiere ich ihnen hier Ausschnitte
daraus. Als Boerseninteressierte koennen Sie ganz sicher fuer
sich etwas heraus ziehen:
"Jedes Morgen wird sich als ein Nichts herausstellen, doch da
ich genau das weiss, ist das Jetzt existent. Das ist so, weil
alles nur durch sein Gegenteil existiert. Doch wenn man das
begriffen hat, dann hat es sich durch das Begreifen bereits
wieder in sein Gegenteil verkehrt – und ist damit nicht mehr
greifbar.
Deswegen kann das, was ich jetzt aufschreibe, spaeter nicht
mehr gueltig sein, da es ja nur in Verbindung mit meinem
heutigen Ich Geltung besitzt und nicht mehr mit meinem spae-
teren.
Unter jedem Grund (einer Entwicklung) liegt immer noch ein
Urgrund. Und wenn man diesen Urgrund heraus bekommen hat,
sich also im Urgrund befindet, dann ist der eigentliche Grund
nicht mehr der Grund, sondern der Uebergrund. So laesst sich
alles erklaeren – doch in dem Moment, wo es erklaert ist, ist
es ja – da es vorher nicht erklaert war und sich dementspre-
chend verwandelt hat – nicht mehr erklaert. Wie beim Wetter-
haeuschen geht das.
Hier ist eine Grenze erreicht, weiter geht es nicht, aber am
Ende der Grenze finden wir immer wieder einen Anfang der
Grenze, so dass wir uns letztlich nur im Kreis gedreht haben.
Alles muss ein Ende finden, um dann, wenn es zu seinem Gegen-
teil geworden ist, naemlich aufgehoert hat, wieder es selbst
zu werden. Man kann also nichts letztendlich begruenden.
Wenn man weiss, dass man es nicht wissen kann, dann weiss man
es ja. Dann weiss man, dass man es nicht wissen kann. So ein-
fach ist die Loesung.
An aller Weisheit ist also nichts dran. Jeder Mensch denkt,
anders und klueger als die anderen zu sein, da das aber jeder
denkt, kann es niemand mehr denken. Aus logischen Gruenden
kann also nur das schoen sein, was eigentlich unschoen ist.
Und das richtig, was eigentlich unrichtig ist."
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Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor.