Geldfälschung
Die Spur der Superblüte
Von Klaus W. Bender
Erstaunlich gut: Hundert-Dollar-Blüten
28. Februar 2006
Seit die amerikanische Regierung im Herbst letzten Jahres Nordkorea erstmals offiziell der Fälschung von Dollar-Banknoten beschuldigt und unter den „Patriot Acts“ weitere Wirtschaftssanktionen verhängt hat, herrscht zwischen Washington und Pjöngjang wieder Eiszeit. Vorausgegangen war bei der Banco Delta Asia in Macao der Fund von Falschgeld im Wert von vier Millionen Dollar, das aus Nordkorea stammen soll. Amerikas Botschafter in Südkorea, Alexander Vershow, hat die Anschuldigung wider den nordkoreanischen „Schurkenstaat“ kurz vor Weihnachten in Seoul wiederholt. Sollte Washington konkrete Beweise für seine Anschuldigung erbringen, wäre damit laut UN-Charta ein Kriegsgrund gegeben.
Bei dem Streit geht es um einen falschen 100-Dollar-Schein, der erstmals 1989 in einer Bank in Manila (Philippinen) aufgetaucht war und von Fahndern international unter der Klassifizierung 14342 geführt wird. Er war mit originalem Fourdrinier-Dollar-Papier gefertigt und hatte den für Dollar-Scheine typischen prägnanten Stichtiefdruck. Die Fälschung war gedruckt auf einer originalen Intaglio-Stichtiefdruckmaschine der Lausanner Firma De La Rue Giori.
„Ökonomische Kriegführung“ gegen Amerika?
Das amerikanische „Bureau of Engraving and Printing“ (BEP) druckt auf diesen von Koenig & Bauer, Würzburg, exklusiv gebauten Spezialdruckmaschinen seine echten Dollar-Scheine. Der respektvoll „supernote“ getaufte falsche Hunderter war von solcher Perfektion, daß er angeblich sogar die Geldscheinprüfsysteme der Fed überlistete. Einen solchen technischen und finanziellen Aufwand kann sich kein einzelner Fälscher leisten. Dahinter mußte ein Staat stehen. Bald tauchten solche „Supergeldscheine“ auch in anderen Erdteilen auf.
Eine von der Republikanischen Partei eingesetzte Arbeitsgruppe veranschlagte damals den zu gewärtigenden Schaden auf „bis zu mehrere Milliarden Dollar“. Im Kongreß äußerten Abgeordnete, Banknotenexperten und der für Falschgeldbekämpfung zuständige amerikanische Secret Service (U.S.SS) - nicht zu verwechseln mit FBI oder CIA - den Verdacht, hier werde „ökonomische Kriegführung“ gegen die Vereinigten Staaten betrieben.
Erster „supernota“-Vedacht auf Iran
Dafür gibt es mehrere Vorbilder: Beispielsweise hatte Hitler mit der „Operation Bernhard“ dem Kriegsgegner Großbritannien durch millionenfach gefälschte Pfundnoten wirtschaftlich zu schaden versucht. Mit den hervorragend gefälschten Scheinen wurden Kapitänen ganze Schiffsladungen kriegswichtiger Güter abgekauft, die eigentlich für die Alliierten bestimmt waren; auch der Spion „Cicero“, der Kammerdiener des britischen Botschafters in der Türkei, wurde so entlohnt.
Der erste Verdacht im Zusammenhang mit der „supernote“ fiel auf Iran. Das Land hatte zu Zeiten des Schahs De-La-Rue-Giori-Banknotendruckmaschinen gekauft, und die Mullahs hatten die Anlage in den achtziger Jahren aufwendig nachgerüstet. Iraner und Syrer wurden bezichtigt, die gefälschten Scheine zu drucken und über die Hizbullah in der libanesischen Bekaa-Ebene zu vertreiben. Damaskus ließ allerdings selbst im Ausland, in Pakistan, drucken und kam bestenfalls als Verteiler in Frage. Beide Regierungen wiesen die Anschuldigungen zurück. Ein guter Kenner der Hochsicherheitsdruckerei am Stadtrand von Teheran ist bis heute überzeugt, daß ihm eine Fälschung in derart großem Stil, mit all ihrer Logistik, während seiner wiederholten Besuche an Ort und Stelle unmöglich verborgen geblieben wäre.
Doppelte Mauer, Stacheldraht und Strahlerbeleuchtung
Fast gleichzeitig geriet Ost-Berlin ins Visier. Dort waren mehrfach größere Posten der „supernotes“ aufgetaucht, häufig im Gepäck nordkoreanischer Diplomaten. Nach dem Fall der Mauer stieß man im Ost-Berliner Ortsteil Hohenschönhausen auf eine „Spezialdruckerei“ der Staatssicherheit. Auf dem 2,5 Hektar großen Areal, versteckt hinter einer doppelten Mauer, durch Stacheldraht und Strahlerbeleuchtung zusätzlich gesichert, hatten rund hundert hochqualifizierte Stasi-Mitarbeiter nach eigener Aussage jahrelang Ausweise und sonstige Dokumente gefälscht. Banknoten waren angeblich nie nachgestellt worden.
Der westdeutschen Kriminalpolizei und Fachleuten der Münchner Hochsicherheitsdruckerei Giesecke & Devrient fiel bei der eingehenden Inspektion der „Spezialdruckerei“ auf, daß die Stasi-Mitarbeiter nicht nur jeglichen Hinweis auf ihren militärischen Rang sorgfältig getilgt hatten. Offenbar waren auch belastende Maschinen und Materialien abtransportiert worden - vielleicht nach Rußland. In der so komplett ausgestatteten Fälscherfabrik fehlte ausgerechnet eine Stichtiefdruckmaschine, die für die Fälschung von Pässen nötig ist, auf der man aber auch Banknoten druckt. Dagegen fand man eine kleine Papiermaschine, eine pfiffige Spezialanfertigung, auf der man wahlweise Papier für D-Mark- oder Dollar-Scheine herstellen konnte.
Seltsame feine Linienführung erkennbar
Heute gilt als sicher, daß Brudervölker von der Staatssicherheit zumindest in der Kunst der Notenfälschung geschult wurden. Eine konkrete Spur nach Pjöngjang konnten deutsche Ermittler jedoch nicht nachweisen. Auch der amerikanische Secret Service inspizierte die Fälscherfabrik, bevor diese demontiert und geschlossen wurde, befragte die Leute von Giesecke & Devrient und hörte sich die Erklärungen des Bundeskriminalamtes an. Die Amerikaner schienen von der Verbindung nach Nordkorea überzeugt, doch sie verweigerten später jegliche Auskunft zum Fortgang ihrer Ermittlungen.
Bei intensiven Recherchen sind dennoch neue Fakten zutage gekommen. Zwar gilt Fachleuten die Druckqualität der „supernote“ als superb, fast besser als diejenige der echten Hunderter. Doch unter dem Mikroskop wird in der so perfekt nachgestellten Gravur eine feine Linienführung erkennbar, die es auf der echten Note nicht gibt. Dann ist in der Zifferung ein Merkstoff eingebracht, den es in dem echten Schein nicht gibt. Andererseits fehlen magnetische und infrarote Merkmale, welche die „supernote“ erst für Banknotenprüfsysteme unentdeckbar machen würden.
Warum wurde der 100-Dollar-Schein gewählt?
Jedes Prüfgerät einer amerikanischen Bank erkennt diese Fälschung sofort und wirft sie aus. Wollen die Fälscher vielleicht, daß die gefälschten Scheine in Amerika sofort erkannt werden? Warum haben sie überhaupt den 100-Dollar-Schein gewählt, wenn sie gegen Amerika „ökonomische Kriegführung“ betreiben wollen? 20- und 50-Dollar-Scheine sind in den Staaten viel populärer; Beträge in der Größenordnung von 100 Dollar bezahlt man dort üblicherweise mit Kreditkarte.
Rätsel geben auch die benutzten Hilfsstoffe auf. Der Sicherheitsfaden stimmt mit dem Polymer-Faden der echten Scheine überein, bis hin zur komplizierten - bei der Fälschung etwas unsauberen - Mikrobeschriftung auf dem Fädchen. Echt sind laut Laboranalysen auch die Sicherheitsfarben, inklusive der hochgeheimen OVI-Effektfarbe. Sie stammen alle von der Schweizer Sicpa. Die in einer exklusiven Version für den Dollar benötigten Sicherheitsfarben werden nur in der Schweiz oder in den Vereinigten Staaten in hochgesicherten Produktionsanlagen angerührt.
Enormer Aufwand durch Fehlerverbesserung
Sie sind - wie das Fourdrinier-Papier - für Dritte unmöglich zu beziehen. Die Nordkoreaner haben zwar jahrzehntelang ihre Sicherheitsfarben und eine OVI-Variante von Sicpa bezogen und damit etwa einen 500-Won-Schein - von miserabler Qualität - gedruckt, dessen Grundfarbe und OVI vage an die Dollar-Farbgebung erinnern. Doch Sicpa hat schon vor geraumer Zeit gegenüber Nordkorea ein vorübergehendes, freiwilliges Lieferembargo verhängt. Die Amerikaner sind schließlich der wichtigste und prestigeträchtigste Kunde der Sicpa.
Fachleute hegen auch Zweifel, ob die Nordkoreaner mit ihren alten, aus den siebziger Jahren stammenden DLR-Giori-Maschinen - die sie übrigens nie bezahlt haben - die 100-Dollar-Note überhaupt so perfekt drucken könnten. Das gilt insbesondere für die ab 1996 begebenen, sicherheitstechnisch aufgerüsteten Scheine. Jeden dieser später sogar nochmals nachgerüsteten Scheine gibt es in „supernote“-Qualität. Die Fälscher haben dabei wiederholt Fehler verbessert, andere aber belassen - ein enormer Aufwand. Daß Nordkorea heimlich seine Ausstattung an Druckmaschinen modernisiert oder - was auch unterstellt wird - eine zusätzliche Geheimdruckerei gebaut haben könnte, ist kaum vorstellbar. Der Verkauf jeder Intaglio-Stichtiefdruckmaschine - auch gebraucht - wird automatisch an Interpol nach Lyon gemeldet. Und diese für den weltweiten Kampf gegen die Geldfälscher zuständige internationale Behörde wird von einem Amerikaner geführt.
Rückverfolgung fast lückenlos möglich
Nicht uneingeschränkt haltbar ist auch die Behauptung, die „supernote“ komme überwiegend aus Asien. Beispielsweise tauchten früher am Bankenplatz Frankfurt bei der Filiale des Bankers Trust - später von der Deutschen Bank übernommen - größere Positionen auf, deren Herkunft deutsche Fahnder nach Afrika und in den Mittleren Osten zurückverfolgen konnten. Asien kam dabei ganz selten vor.
Auffallend war dagegen die Häufung von „supernotes“ während des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Dann kamen die meisten aus der Pilgerstadt Mekka. Die gleiche Feststellung macht man in der Schweiz. Zürich ist der drittgrößte Bankenplatz der Welt und spielt im internationalen Notenhandel als Clearingstelle eine Schlüsselrolle. Täglich werden hier aus aller Welt Banknoten im Wert von mehreren Milliarden Dollar angeliefert. Die riesigen Scheinmengen, manchmal sind es ganze Palettenladungen, werden mit hochpräzisen Prüfsystemen auf ihre Echtheit wie Umlauffähigkeit hin überprüft und dann wieder ausgeliefert. Die Rückverfolgung bis ins Herkunftsland ist fast lückenlos möglich. Auch in Zürich nimmt die Zahl der „supernotes“ während des Fastenmonats Ramadan zu, auch hier werden aus Asien kommende Exemplare selten aufgegriffen.
50 Millionen Dollar in 16 Jahren zu vernachlässigen
Zudem fällt auf, daß die gefälschten Scheine in dosierten Mengen auftreten, als würde ihr Volumen kontrolliert - für kriminelle Fälscher ein eher ungewöhnliches Verhalten. Und es bestätigt sich eine weitere, auch andernorts gemachte Beobachtung: Die „supernotes“ häufen sich stets in jenen Regionen, in denen Amerikas Außenpolitik gerade Probleme hat, im Nahen und Mittleren Osten, in ausgewählten Ländern Afrikas. Könnte es sein, daß hier Oppositionspolitiker, Rebellen oder die Privatarmeen diverser Kriegsherren für geleistete Hilfsdienste in falschen Dollar-Scheinen entlohnt werden? Haben diese Gruppierungen damit früher vielleicht in der DDR - und nach deren Zusammenbruch dann in Nordkorea - Waffen gekauft? Fließen deswegen „supernotes“ aus Ostasien zurück?
Trotz seiner enormen technischen Möglichkeiten hat der amerikanische Secret Service den Fall in anderthalb Jahrzehnten nicht aufzuklären vermocht. Wohl aber sind seine Vertreter inzwischen auffallend bemüht, die Bedrohung herunterzuspielen. Die falschen Scheine gelten plötzlich als drucktechnisch längst nicht so gut, und statt der früher befürchteten Schäden in Milliardenhöhe soll es jetzt um insgesamt 50 Millionen Dollar gehen. Gemessen an dem Amerika durch „normale“ Dollar-Fälschungen entstehenden Schaden, der in manchen Jahren 200 Millionen Dollar übersteigt, wären 50 Millionen Dollar in 16 Jahren schlicht zu vernachlässigen. Die dafür erforderliche Menge an Scheinen würde eine Super-Intaglio in wenigen Stunden drucken.
Dollar-Fälschungen in Pjöngjang „eingestellt“?
Vor kurzem hat Lee Tae-shik, Südkoreas Botschafter in den Vereinigten Staaten, mit der Nachricht überrascht, Pjöngjang habe seine Dollar-Fälschungen „eingestellt“ - nachdem zuvor seine eigene Regierung auf die erwähnte Beschuldigung seines amerikanischen Kollegen betont kühl reagiert hatte. Die Genfer Konvention zur Falschgeldbekämpfung von 1929 trägt auch die Unterschrift der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Konvention verpflichtet die Signatarmächte zur aktiven Mitarbeit im internationalen Kampf gegen Geldfälscher. Vielleicht sollte sich der Secret Service bei der Suche nach Hintermännern einmal etwas nördlich von Washington, D.C. umsehen. Dort betreibt die CIA eine geheime Druckerei, in der auch eine moderne DLR-Giori-Maschine steht - just, wie sie für den Banknotendruck benötigt wird.
Der Verfasser Klaus W. Bender war von 1972 bis 2000 Wirtschaftskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Tokio, Rom und Wien. Der Aufsatz geht auf Recherchen für ein demnächst erscheinendes Buch zurück. (Klaus W. Bender: „Moneymakers, the secret world of banknote printing“. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2006.)
Text: F.A.Z., 28.02.2006, Nr. 50 / Seite 3
Bildmaterial: AP