Denkwürdiges ist passiert, in diesem unseren Lieblingsland. Zwischen glücksbeseeltem Getaumel und Klappe-offenem Gestaune tanzen unsere Gefühle den Tango der Unfassbarkeit.
Wir wissen gar nicht, ob wir uns über das Wunder von Oslo freuen, oder lieber über das Wunder von Horst ärgern sollen. Zu gegenläufig, zu unpassend das Ganze, um es in seiner Komplexheit zu begreifen.
Aber nein, nicht doch - keine Panik!
Denn so gegenläufig ist das alles gar nicht - zeigt es doch auf, was und wer wir sind, und wohin wir gehen werden.
Da ist Lena.
Wow!
Dieses kleine, unschuldig wirkende Luder, das viele gerne nicht nur als Schwiegertochter betrachten, sondern liebend gerne erstmal selbst vertrauensvoll probeliegen würden, bevor wir es unseren Nachkommen überlassen. Wer will schon die Katze im Sack? Schließlich zahlen unsere Kinder unsere Zukunft. Sorgen wir dafür, dass sie zufrieden sind.
Hach, diese Kindfrau, dieses Kein-Wässerchen-trüben-könnendes Etwas mit dem Habitus einer Männer-den-Kopf-verdrehenden Lolita, was liebe wir dich doch!
Da ist im Hintergrund ein ehemaliger Spezialist der Fleischverarbeitenden Industrie, der inzwischen der unbestrittende König der Leichtmatrosenunterhaltung ist und gekonnt die Fäden im Hintergrund zieht. Raab wurde gerufen, Raab kam, Raab siegte. Ergo - mero - witzi. Wenn Raab auch vieles nicht kann, so kann man sich auf ihn verlassen. Er steht zu dem, was er macht, und er macht es gut und mit einer beeindruckenden Leichtigkeit. Was er anpackt, verwandelt sich in Gold.
Sein perfekt gestyltes Produkt, die Meiersche Landrut, spricht uns an, macht uns glücklich, erinnert uns daran, dass auch wir uns freuen dürfen, Loyalität zeigen dürfen, stolz auf das sein dürfen, was dieses, unseres mehr oder weniger glücklich vereinigtes Land hervorgebracht hat.
Hurra!
Wir sind die Unterhaltungskönige, wir sind die Führer der medialen Berieselung, der Oberflächlichkeit, des Brotes und der damit untrennbar verbundenen Spiele. Anspruch hat das alles nicht - das braucht es auch nicht, denn davon war nie die Rede und ist uns auch nicht versprochen worden.
Darauf einen Din-genormten Gerstensaft.
Wir sind Deutschland!
Wir sind Lena!
Lena ist Deutschland!
Lena ist wir!
Hurra und danke für die Blumen!
Keine 48 Stunden später.
Da ist Horst.
Wow!
Dieser schon immer etwas farblos wirkende Gutmensch, der sich gerne bei wichtigen Fragen in ohrenbetäubende Stille hüllte und seine Daseinberechtigung der feucht-fröhlichen Zusammenkunft einer ehemaligen FDJ-Aktivistin und einer real existierenden Comicfigur in einer unbekannten Wohnung auf einem unbekannte Flokatiteppich bei unbekannten Getränken zu verdanken hat.
Horst - unser allseits geliebtes Staatsoberhaupt - unser Fels in der Brandung, unser Strohalm im Sumpf der Planlosigkeit - du, der so ganz komplimentär zu der Viagra ersetzenden Lena ist - selten hast du zu uns gesprochen, aber wir haben dir wenigstens geglaubt, wenn du geschwiegen hast oder uns erklärtest, dass Weihnachten vor der Tür steht. Und wenn du mal nicht geschwiegen hast, hast du uns aus der Seele gesprochen - auch wenn wir wussten, dass es nichts ändert. Was du anpackst, verwandelt sich in Leere.
Hurra!
Und nun? Was tust du uns an?
In Zeiten, in denen der Vertrauensverlust in unsere Eliten und Lenker derart gesunken ist, dass wir in unseren Kellern noch Gruben ausheben müssen, wo uns die Finanz-, die Währungs-, die Glaubenskrise schüttelt, dass uns Angst und Bange wird - da gehst du einfach? Schmeißt einfach so hin? Knallst uns eine Begündung vor den Latz, die man nicht mal mit zwei zusammengekniffenen Augen glauben kann? Was wäre so schlimm gewesen, uns die Wahrheit zu sagen? Wolltest du das nicht immer? Unbequem sein? Tacheles reden? Wo wäre das Problem gewesen zu sagen: "Leute, es ist aus und vorbei, rette sich wer kann und ich zuerst!"? So hättest du wenigstens noch einen Hauch von Achtung retten können.
Doch sollen wir deiner Begründung glauben? Sollen wir?
Dann bist du ein bockiges Kind, das den Sandkasten verlässt, weil dir jemand gesagt hat, dass dein Förmchen doof aussieht. Dann hast du kein Verantwortungsgefühl. Dann haben nicht andere den Respekt vor deinem Amt missen lassen, dann bist du derjenige, der keinen Respekt vor deinem Amt hat! Denn deine Aufgabe wäre es gewesen, bei einer Respektlosigkeit vor deinem Amt, diesen Respekt wieder herzustellen!
Und sage uns nicht, dass du das nicht kannst, weil du ein so herzenswarmer Mensch bist! Wir haben genug von Heuchelei!
Aber wir glauben dir mal nicht, weil wir uns nicht vorstellen können, dass ein gestandener Mann noch im Sandkasten spielt.
Und somit bleibt nur ein Schluss übrig: Du hast uns belogen. Du hast uns über die wahren Gründe deiner Abdankung getäuscht.
Und das ist UNSERE Bankrotterklärung der politischen Grundfesten. Die letzte Instanz unseres Vertrauens zückt den Mittelfinger und macht unmissverständlich klar, was er von uns hält.
Nichts.
Du hast uns unmissverständlich klar gemacht, wie wichtig dir dieses Land ist.
Es ist dir piepegal.
Du stellst deine persönliche Befindlichkeit über die Zukunft dieses Landes!
Denn wer sein Land in diesen Zeiten mit einer Lüge im Stich lässt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und denen, die im Stich gelassen wurden, erst recht nicht.
Daurauf einen Blasentee.
Wir sind Deutschland!
Wir sind Horst!
Horst ist Deutschland!
Horst ist wir!
Hurra und schönen Gruß an deine Frau!
Das, liebes Volk, ist das, was wir verdienen. Unsere Abhängigkeit, unsere Untätigkeit einer unfähigen, regierenden und oppositionierenden Elite gegenüber hat zu dem geführt, was wir nun beklagen dürfen. Man lässt uns im Stich.
So schließen wir lieber wieder die Augen, drehen uns um 180 Grad, öffnen sie wieder und erfreuen uns an unserem gesamtdeutschen Wunderkind. Denken wir lieber mit dem Herz als mit dem Verstand.
Denn vielleicht sollten wir wirklich aufgeben. Vielleicht sind Brot und Spiele wirklich das bessere Los.
Freuen wir uns auf die WM.
Hurra Deutschland!