von der falschen Deflation zum Crack up Boom

  • Man stelle sich vor, ein Mensch würde von seinem Einkommen monatlich 33% für Konsumgüter ausgeben, 33% für Steuern (z.B. Mwst, GEZ) und 33% für Lebenshaltungskosten, die unvermeidlich sind, d.h. Benzin oder Monatskarte der S-Bahn.


    Man stelle sich vor, die Steuern würden von 33% auf 45% steigen. Man stelle sich vor, die unvermeidlichen Lebenshaltungskosten würden von 33% auf 45% steigen.


    Was würde passieren: für die Konsumgüter wären insgesamt 26% weniger Geld vorhanden.


    Das würde der Beispielbürger nur kompensieren können, indem er weniger kauft.
    Und ein Großteil der Anbieter von Konsumgütern würde die Preise senken, um zu überleben.


    In den ersten 2-5 Jahren nach Erhöhung der Preise für Steuern und unvermeidliche Lebenshaltungskosten käme es bei sinkenden Gesamtausgaben für Konsum zu sinkenden Konsumpreisen.


    Die Statistiken der Regierungen und Notenbanken würden das als „sinkende Kerninflationsrate“ (ohne Lebensmittel und Energie) verkaufen.


    (In Deutschland nicht ganz, denn hier sind Energie und Mwst im Warenkorb mit drin.


    Steigende Steuern und steigende Energie und Lebenshaltungskosten führen zu Kannibalisierungseffekten bei Konsumgütern und „deflatorischen“ Effekten.


    Das Wort Deflation ist aber eigentlich falsch.
    Bei einer echten Deflation wie in den 30er Jahren oder im 19 Jh. Steigt der wert des Geldes gegenüber allen Gütern.


    Diese „falsche“ deflation durch unausgelastete Hersteller von Konsumgütern ist was anderes.

  • Irgendwann kommt dann der Punkt, wo die Wirtschaft wieder anspringt und Arbeiter höhere Löhne durchsetzen. Die Preise bei Konsumgütern ziehen dann gewaltig an.


    Oder: die Lage bleibt so schlecht, dass nach und nach die schwächsten Konsumgüterhersteller pleite gehen und die restlichen mangels Konkurrenz ihre Marge wieder verbessern.
    Man holt sich das, was man verdienen möchte, von den restlichen Leuten, die noch Geld haben.


    Das klingt exotisch, aber wer reist wird feststellen, dass das Preisniveau in vielen vermeintlich ärmeren Ländern höher ist als in Deutschland: Markenware, Technik, Markenlebensmittel kosten in Ungarn mehr als in Deutschland.
    d.h. die Hersteller versuchen nicht mehr, durch Margensenkung und günstige Preise einen Großteil der Bevölkerung zu erreichen, sondern sie fokussieren sich auf die übrig gebliebenen solventen Konsumenten und nehmen diese quasi in Geiselhaft.


    Das Preisprinzip kennt man auch von Entführungen: je ärmer ein Land wird, um so höher werden bei Entführungen die Lösegelder.
    Der Markt wird kleiner, also müssen die wenigen noch solventen Entführungsopfer mehr zahlen,
    auch aus Russland 2008/2009 ist bekannt, dass die Höhe der zu zahlenden Schmiergelder während der Wirtschaftskrise stieg.
    d.h. die Nehmer von Schmiergeldern holten sich, was sie brauchten von den letzten verbliebenen Zahlern.


    Der Zeitpunkt, wann die Hersteller von Konsumgütern entscheiden, die Preise zu erhöhen, liegt nicht mehr im Interessensspielraum der Notenbanken.


    Dann, wenn Hersteller den Eindruck gewinnen, dass sie durch niedrigere Preise NICHT mehr den Absatz erhöhen können, aber bei steigenden Preisen der Absatz auch nicht einbrechen wird, DANN werden sie die Preise erhöhen.


    Jeder Hersteller entscheidet das für sich und für seinen Markt.
    Bei manchen Herstellern wird es einfach dazu führen, dass sie vom Markt verschwinden.


    Wenn eine Baumschule 3 Jahre lang mit Verlust arbeitet, dann wird sie feststellen, dass es Zeit ist, den Markt zu verlassen.
    Menschen müssen GEZ zahlen, Steuern zahlen, Lebensmittel kaufen: aber sie werden sehr sehr lange ohne Baumsprösslinge und Staudenpflanzen auskommen.


    Die meisten Gewerbetreibenden betreiben keine wissenschaftliche, sondern eher eine bauchgetriebene Preispolitik.


    In Italien müssen Hotels ihre Preise bei einer Behörde freigeben lassen und im Zimmer aushängen.
    Das Hotel Leon Bianco in Verona ist ein marodes Business-Hotel mit dem Charme abgeblätterten Kunstmarmors und dem Chic der 70er Jahre.
    Eine Nacht kostet 140 euro, bei internetbuchung 120 euro. Das sind ca. 20 euro mehr als vor vier Jahren.
    Aber der Besitzer hat sich schon mal Preise bis 400 euro genehmigen lassen.
    Inflationserwartung: 185%


    In den 70er Jahren war die Geldmengenausweitung und Verschuldung moderat geblieben.
    Die Teuerung der 70er Jahre entstand in den USA nur durch eine steigende Geldumlaufgeschwindigkeit.

  • Wann und wo diese steigende geldumlaufgeschwindigkeit beginnen könnte?
    Ich weis es nicht.


    Was die wenigsten wissen: das Inflationsziel der EZB ist 2%
    Die gewünschte Steigerung der Geldmenge M3 ist 4,5%
    Und die EZB geht von einer jährlich steigenden Sparquote von 1-2% aus.


    Ein Großteil der Ersparnisse der Deutschen war bisher via Banken und Versicherungen in den Staatsanleihen der Piigs Staaten gespeichert.


    Wenn Banken diese Staatsanleihen bei der EZB abladen und dafür Notenbankgeld bekommen: was passiert damit?


    So lange Banken das Notenbankgeld besitzen, werden sie es in Gold, Rohstoffe, Aktien, Aktienspekulationen, gut gehende Immos stecken.


    Sobald die normale Bevölkerung Ersparnisse auflöst und in Sachwerte steckt, könnte sehr sehr schnell TROTZ sinkender Gesamtgeldmenge eine Teuerungswelle entstehen.


    Als ich letztens bei einem Juwelier war und der Laden voll war und die Leute Uhren und schmuck gekauft haben wie betrunkene Matrosen auf Landgang, da dachte ich das erste mal,
    ob dass der Beginn der Auflösung von Ersparnissen sein könnte,
    der Crack up boom.

  • Das klingt exotisch, aber wer reist wird feststellen, dass das Preisniveau in vielen vermeintlich ärmeren Ländern höher ist als in Deutschland: Markenware, Technik, Markenlebensmittel kosten in Ungarn mehr als in Deutschland.
    d.h. die Hersteller versuchen nicht mehr, durch Margensenkung und günstige Preise einen Großteil der Bevölkerung zu erreichen, sondern sie fokussieren sich auf die übrig gebliebenen solventen Konsumenten und nehmen diese quasi in Geiselhaft.


    Hallo Doc!
    Ich stimme vollkommen zu. Brilliant von dir analysiert.


    Ich kenne diesen Effekt aus Südamerika.
    Kino, Medizinische Leistungen, Anwaltliche Leistungen, Telefon, Internet, Schwimmbad, Sport, hochwertige Autos, ...
    Bei hochwertigen Lebensmitteln vor allem Kindernahrung. Mütter sind immer besorgt.

  • Zitat

    Was würde passieren: für die Konsumgüter wären insgesamt 26% weniger Geld vorhanden.


    Das würde der Beispielbürger nur kompensieren können, indem er weniger kauft.
    Und ein Großteil der Anbieter von Konsumgütern würde die Preise senken, um zu überleben.

    Lieber Hr. Meyer,


    ich denke Ihr gesamter Beitrag ist in der Theorie im Großen und Ganzen vollkommen richtig, praktisch bin ich persönlich anderer M einung.
    Die deflationäre Phase die von vielen ja schon beobachtet wird gibt es ja schon länger, das bekommen nun langsam auch wirklich ALLE mit, aber deswegen weniger Geld ausgeben tun mA nach nur wenige Verantwortungsbewusste Menschen.
    Als Beispiel war es in der Vergangenheit fast undenkbar ein Auto auf Kredit oder gar auf Leasing (was es gar nicht gab) zu kaufen. Wer es sich nicht leisten konnte, hatte also kein Auto.
    Heute sieht die Sitaution anders aus. Die von Ihnen angesprochenen Ausgaben für Fixkosten werden heute von vielen um Ratenzahlungen für diverse Luxusgüter erweitert.
    Das für bspw. Technik das Preisniveau europaweit in etwa gleich ist, dem stimme ich auch zu. Nur auch im Niedriglohnländern werden diese Dinge erworben. Die haben nur vl. schon früher mit diesen, teils versteckten, Ratenzahlungen begonnen.
    Ein Kauf auf Raten ist nichts anderes als ein Kauf über Kredit/Schuldschein und solange dem kein Riegel vorgeschoben wird, gehts munter weiter.


    lg
    barny

  • @Dr.M.
    Ich lebe seit über 6 Jahren in Ungarn und muss die Feststellungen bestätigen. Die Grundnahrungsmittel, die ich z.B. auch aus D. gewohnt bin, die kosten hier bis zu 100 % mehr als in D. Und die Läden sind voll. Die meisten Geschäfte haben ja 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche geöffnet, und sie sind zu fast jeder Uhrzeit voll! Und was noch schlimmer ist: Zuerst gab es nur Tesco, danach Auchan, dann kam Penny und Plus. Die letzten 2 Jahre Lidl und Aldi. Das Angebot an Supermärkten hat sich innerhalb von 6 Jahren ver 3 bis ver 4 - facht, aber trotzdem sind alle voll. Ich frage mich, wo haben die Leute nur vorher eingekauft?
    In Budapest gibt es einen Supermarkt mit 52 Kassen! Aber: Kein Preiskampf, keine Angebote wie in D. Aldi habe ich schon öfters leergekauft gesehen!
    Wenn ich in D. einkaufe, dann habe ich für 70 Euro einen übervollen Einkaufswagen, hier in Ungarn ist für 40 Euro der Boden bedeckt.
    Nun ist es hier aber so: Schätzungsweise 50% der Bevölkerung lebt in Eigentum, welches nicht kreditfinanziert ist. Stellt euch nur mal vor, ihr hättet die letzten 20 Jahre in eurem Haus gewohnt, und kein Kredit oder Miete bezahlt. Natürlich bleibt dann eben Geld für andere Sachen übrig.
    Der 2. Aspekt: Fast jeder macht hier einen "NEbenjob", steuerfrei versteht sich. Oder macht die Hälfte ohne Rechnung. Man hilft sich eben damit, die Preise so zu kompensieren, was ich als völlig legitim erachte! Und das geht ja in D. nicht. Oder?
    D. wird an seinen Menschen selber scheitern, nach dem Motto, Revolution fällt aus, weil betreten des Rasens ist verboten! Die klugen Köpfe bringen sich, ihre Innovation, ihr Geld in Sicherheit. Man muss ja nur einige Beiträge hier im Forum lesen, die sind manchmal so dumm und naiv, dass ich denke die sind bezahlt oder 12 Jahre alt.

  • Man muss ja nur einige Beiträge hier im Forum lesen, die sind manchmal so dumm und naiv, dass ich denke die sind bezahlt oder 12 Jahre alt.


    8| Könntest Du das konkretisieren? Mir kommen die Foristen in ihren Beiträgen irgendwo zwischen gut ausgebildet und/oder recht lebenspraktisch vor.


    Allerdings hat der US-amerikanische Unternehmens- und Politikberater (berät nach eigenen Angaben auch Obama) George Friedman in seinem 2009 erschienen Buch "Die nächsten hundert Jahre" auch die Behauptung aufgestellt, die Bevölkerung von Ungarn sei um 15% intelligenter als die Bevölkerungen anderer europäischer Länder. :O Vielleicht sollte man an dieser Stelle anmerken, dass dieser Friedman Ungar ist :D

  • Auch wenn ich im Kern mit den Darstellungen übereinstimme, so fehlt mir doch der internationale Aspekt. Meine Beobachtung ist, dass wir mitten in der Inflationsphase mit ansteigenden Preisen für alle möglichen Konsumgüter sind (die Entwicklung Technischer Konsumgüter täuscht da wegen der Dynamik etwas). Höhere Preise lassen sich auch deshalb durchsetzen, weil bestimmte Artikel doch irgendwann gekauft werden müssen. Aber auch ein anderer Trend ist in meiner Beobachtung nicht neu, bei gleichen Preisen mindere Qualität (optisch oftmals identisch) anzubieten, indem man (hier wird es international) Billigimporte nutzt - und hier genau sehe ich das Große Problem Europas, nicht Immobilienkrise, nicht Währungskrise, nicht Griechenland etc. - sondern die Spirale der Verlagerung der Arbeitsplätze. Nebenher ist das Szenario der Steuererhöhungen, Defizite der kommunalen Haushalte usw. voll am Laufen (Kleinigkeiten wie Hundesteuer, Straßengebühren, Grundsteuern, Grunderwerbsteuer in einigen Bundesländern sind bei mir schon angekommen).
    Auch wenn z.B. VW ein Deutscher Konzern bleibt, wo wird inverstiert, produziert und verkauft?? Das Standbein Deutschland mag heute noch stark sein, aber VW geht nicht (mehr) unter, wenn in Deutschland kein Auto mehr verkauft wird. Vielleicht etwas dramatisch überspitzt, aber vielleicht so einprägsamer :) .
    Gruß Sunny

  • von Dr Meyer! Wir haben keine Deflation!!!

    Und was ezbst hier anfuehrt stimmt ebenfalls! Ich kann… Anmelden oder registrieren

Schriftgröße:  A A A A A