Anlagebetrüger
John Law - Der reichste Mann der Welt
24. Februar 2004
Der Schotte John Law galt zu seiner Zeit als der reichste Mann der Welt. Manche behaupten, er war der reichste Mann, der je gelebt hat. Geboren 1671, mußte er nach einem Duell um eine Frau, bei der sein Kontrahent das Leben verlor, 1694 das Land fluchtartig verlassen und hinterließ auf dem Weg durch sein europäisches Exil Scharen von wütenden Ehemännern und verärgerten Spieltischpartnern.
Doch Law, dem eine geradezu unheimliche Fähigkeit nachgesagt wurde, am Spieltisch Gewinnchancen zu kalkulieren, interessierte sich auch für das in dieser Zeit noch unterentwickelte Geldwesen. Fasziniert hatten ihn seine Erfahrungen in Amsterdam: Die Bank von Amsterdam akzeptierte nicht nur Geldeinlagen, sondern auch Grundbesitz als Einlage und vergab in Form von Noten Darlehen, die durch den Grundbesitz abgesichert waren. Law erkannte, daß Geld zirkulieren muß, um Wachstum zu schaffen, und daß es dabei nicht entscheidend ist, ob der Geldumlauf edelmetallgedeckt ist.
Law - vom „Erfinder“ des Papiergeldes ...
Law brannte darauf, seine Idee eines reinen Papiergeldes in die Tat umzusetzen. Dazu bot sich ihm 1715 die Gelegenheit, als er dem Herzog von Orléans, der gerade Regent von Frankreich geworden war, vorgestellt wurde. Der französische Staat war hoch verschuldet, und das Versprechen Laws, diese Schulden quasi per Druckerpresse zu beseitigen, klang vielversprechend. Bereits 1716 gründete Law die Banque Royale, die als erste Bank Frankreichs Papiergeld ausgab, welches nur durch das Versprechen des Staates, seinen Verpflichtungen nachzukommen, gedeckt war. Das Papiergeld war von Anfang an ein Erfolg. Laws Idee bestand den Praxistest.
Mit der gut laufenden Bank im Rücken begann Law, seinen eigentlichen Plan in die Tat umzusetzen: Er gründete die sogenannte Mississippi-Gesellschaft, deren Zweck es sein sollte, große Goldvorkommen in der größten französischen Kolonie, Louisiana, zu erschließen. Zu diesem Zweck ließ er sich vom Herzog von Orléans Louisiana übereignen und gab Aktien aus, mit deren Hilfe das Geld eingesammelt werden sollte, mit dessen Hilfe man Expeditionen zu den Goldschätzen der Kolonie ausrüsten wollte. In die Aktien wurde dabei das Papiergeld investiert, das er zuvor ausgegeben hatte. Hier muß Law seine Spielernatur eingeholt haben, denn niemand wußte, ob es wirklich Gold in Louisiana gibt. Dem Volk war das egal. Es prügelte sich um die Mississippi-Papiere, sie "stürzten sich auf die Aktien wie die Schweine", heißt es in zeitgenössischen Berichten. Law war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ganz nebenbei hatte er die Konzession für Steuerpachten erworben. Die Mississippi-Gesellschaft besaß das Außenhandelsmonopol für den amerikanischen Kontinent und den malaiischen Archipel sowie das Monopol auf den Tabak- und Sklavenhandel.
... zum „Erfinder“ der Inflation
Und wie so oft folgt dem Höhepunkt der Fall. Louisiana erwies sich als trostloses, unerforschtes Land voller Sümpfe und Alligatoren. Gold jedoch fand sich keines. Immer mehr Aktionäre wurden mißtrauisch und fragten nach den versprochenen Goldvorkommen. Zudem stieg der Umlauf an Papiergeld drastisch, die Wirtschaft überhitzte, enorme Preissteigerungen waren die Folge. Das Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber dem Papiergeld stieg ebenso wie gegenüber den Mississippi-Aktien. Jeder versuchte es so rasch wie möglich in Vermögenswerte umzusetzen, was wiederum die Preise trieb.
Die Folgen: Nachdem der Kurs der Aktien vom Ausgabetag im Januar 1719 bis Dezember desselben Jahres von 500 Livres auf 10.000 Livres gestiegen war, notierten die Papiere im September 1721 schon wieder bei ihrem Ausgabekurs, und das Papiergeld wurde "auf den ihm angemessenen Wert zurückgestuft" - ein Zitat, das man Voltaire zuschreibt. Das französische Finanzwesen war zusammengebrochen. Law selbst entkam mit Hilfe des Regenten über die Grenze. England nahm ihn gnädigerweise auf, und bei seiner Ankunft wollten alle den Schotten sehen, der Frankreich ruiniert hatte. Für sich hatte er - ganz der Spieler - keine Reichtümer beiseite geschafft und mußte sich wieder an den Spieltischen sein Geld verdienen.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.02.04
Bildmaterial: AP