Die Mitarbeiter von BenQ stehen unter Schock: Sie hatten keine Ahnung von der bevorstehenden Pleite der einstigen Siemens-Handy-Sparte. Die moralische Verantwortung dafür trage aber Siemens, so die IG Metall. Der Konzern habe die Sparte aus Renditehunger ihrem Schicksal überlassen.
München/Kamp-Lintfort - Die Belegschaft des Werks in Kamp-Lintfort traf die Nachricht wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Viele Mitarbeiter erfuhren vom drohenden Insolvenzantrag des Handy-Herstellers BenQ erst auf dem Weg zur Arbeit, aus dem Autoradio, erzählen sie. "Wir sehen uns beim Arbeitsamt", rief eine Beschäftigte anschließend bei einem Zusammentreffen am Werkstor. "Insolvenz anzumelden war das Beste, was BenQ machen konnte. Da müssen sie uns keinen Cent zahlen", hieß es außerdem.
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BenQ-Mitarbeiter in Kamp-Lintfort: "Insolvenz anzumelden war das Beste, was BenQ machen konnte. Da müssen sie uns keinen Cent zahlen."
Die 3000 Beschäftigten des Handyherstellers BenQ-Siemens in Deutschland fühlten sich verraten und verkauft, erklärt die IG Metall. "Das übertrifft die schlimmsten Befürchtungen", sagte Gewerkschaftsmitglied und Siemens-Aufsichtsrat Wolfgang Müller der Nachrichtenagentur dpa.
Dass es bei BenQ nicht gut läuft, war schon lange kein Geheimnis. Das Unternehmen hatte die defizitäre Siemens-Handysparte vergangenen Sommer übernommen - und dafür noch eine dreistellige Mitgift einkassiert. Nach der Übernahme wollten die Taiwanesen schnell mindestens zehn Prozent des Weltmarkts erobern. Knapp drei Prozent waren es zuletzt tatsächlich, auch für das wichtige Weihnachtsgeschäft sah das Management schwarz.
Den Mitarbeitern in der Münchner Zentrale mit 1400 Beschäftigten schwante denn auch nichts Gutes, als sie am Donnerstag zu einem "All-hands-Meeting" - einer Vollversammlung - zusammengerufen wurden. Doch die Nachricht der bevorstehenden Pleite war dann für die meisten doch ein Schock - bisher war, wenn überhaupt, von einem Verkauf die Rede. "Wir sind tief betroffen", hieß es beim Betriebsrat deshalb heute. Man habe auf die Zusagen aus Taiwan vertraut, dass an dem Geschäft festgehalten werde.
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Handy-Pleite - Welche Schuld trägt Siemens?
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von Rainer Daeschler Die Empörung ist dementsprechend groß. Die Pleite sei "Folge des eklatanten Versagens des Managements", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Werner Neugebauer. Die einstige Siemens-Führungsspitze sei letztes Jahr von BenQ nahezu vollständig übernommen worden - nun zeige sich, dass auf diese Weise alte Strukturen nicht verbessert werden könnten. Dabei hätten die Beschäftigten schon auf rund 28 Prozent ihres Einkommens verzichtet, um der Not leidenden Handysparte auf die Beine zu helfen. Der bayerische IG-Metall-Chef forderte Siemens jetzt zum Eingreifen auf: "Siemens ist und bleibt jetzt in der moralischen Verantwortung!" Eine Siemens-Sprecherin sagte dazu lediglich, man beobachte die Entwicklung bei BenQ. "Wir bedauern das sehr."
BenQ will Marke weiter nutzen
Siemens war mit dem Handygeschäft einfach nicht mehr klargekommen. Trends wie zum Beispiel Farbdisplays oder Fotohandys wurden oft zu spät erkannt. Konzernchef Klaus Kleinfeld wurde aber schon letztes Jahr beim Verkauf der Sparte Verantwortungslosigkeit vorgeworfen - er orientiere sich nur an seinen ehrgeizigen Renditevorstellungen und entlasse dafür die Mitarbeiter der Sparte in eine ungewisse Zukunft, hieß es.
Deshalb ist für viele auch Kleinfeld der eigentlich Verantwortliche für das Desaster. "Wir haben uns schon wie ein ungeliebtes Kind gefühlt", sagt ein Beschäftigter, der 39 Jahre für Siemens und nun eines für BenQ gearbeitet hat. Es sei schade, dass ein Konzern wie Siemens nicht den Ehrgeiz und die Geduld habe, Problemsparten aus eigener Kraft zu sanieren. Auch Aufsichtsrat Müller kritisiert, Siemens greife zunehmend zu radikalen Maßnahmen, um kurzfristige Renditeerwartungen zu erfüllen. "Die BenQ-Beschäftigten bezahlen nun für die Fehlleistungen des Siemens-Managements."
BenQ hatte letztes Jahr angekündigt, das Handy-Geschäft wieder profitabel machen zu wollen. Allerdings setzten die Taiwanesen dabei weitgehend auf das alte Management. "Im Grunde sind die Probleme geblieben", sagt ein Branchenkenner. Die Beweglichkeit und die Schnelligkeit des Herstellers ließen weiter zu wünschen übrig. Kritiker werfen dem Unternehmen nun vor, die Werke bewusst in die Pleite getrieben zu haben. Jetzt wollen die Taiwanesen nur noch die Marke und das Knowhow der einstigen Siemens-Sparte nützen. Die Handys sollen künftig in Asien produziert werden. "Die haben gewartet, bis das Geld von Siemens aus ist, und dann brutal den Hahn zugedreht", sagt ein Branchenkenner.
Quelle: [URL=http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,439775,00.html]http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,439775,00.html[/URL]
Erst die Kohle kassieren und dann doch die Leute zum Teufel schicken...
Prima Leistung weiter so