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Gastkommentar
So investiert Warren Buffett, wenn günstige Gelegenheiten fehlen
Von Chet Currier, Bloomberg News
17. Mai 2004 Warren Buffett sitzt auf einem Berg liquider Mittel. Da sich die bestehenden Probleme für das Investmentmanagement weiter fortsetzen dürften, ist er wahrscheinlich der Beste abzuwarten. Wie er kürzlich öffentlich eingeräumt hat, ist es aber auch für den überall gefeierten Chef der Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway derzeit keine einfache Frage, was er mit den Investmentgeldern von rund 100 Milliarden Dollar in den Geldkoffern seines Unternehmens als nächstes unternehmen soll.
Auch wenn sich die Summen in ihrer Höhe unterscheiden mögen, so offenbart sich doch allen, die derzeit Geld anlegen wollen, mehr oder weniger das gleiche Bild: Zu viel Geld jagt hinter zu wenigen guten Investitionsmöglichkeiten her. „In den letzten Jahren ist es unserer Ansicht nach äußerst schwierig gewesen, deutlich unterbewertete Aktien aufzutreiben. Diese Schwierigkeit wurde noch durch die Tatsache verstärkt, daß das Kapital, das wir anlegen müssen, sprunghaft angewachsen ist“, erklärte der 73jährige Buffett in seinem jährlichen Bericht an die Anteilseigner von Berkshire Hathaway.
Buffet hält 35 Prozent des Vermögens als Barreserve
Betrachten wir einmal Berkshire Hathaway - ohne Berücksichtigung der operativen Geschäfte - als eine Alternativmöglichkeit zu einem offenen Fonds oder einem Hedge-Fonds, der für seine Aktionäre ein Investitionsportfolio aus Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Währungen und Cash-Reserven verwaltet.
Wäre das Portfolio tatsächlich ein offener Fonds oder eine Fondsgruppe, dann hätten seine 98,6 Milliarden Dollar zum Ende des ersten Quartals 2004 Berkshire Hathaway zur achtgrößten Fondsgesellschaft in den Vereinigten Staaten erhoben. Nach Daten der Beratungsgesellschaft Financial Research in Boston käme das Unternehmen gleich hinter der T. Rowe Price Group und unmittelbar vor Oppenheimer Funds.
Am 31. März 2004 bestand der „Berkshire-Fonds“ zu 35 Prozent aus Barreserven - im Vergleich zu den heutigen Fonds-Standards eine kolossale Menge. Das Unternehmen verzeichnete eine Erhöhung der Bankguthaben und sonstigen liquiden Mittel - im Allgemeinen sind damit kurzfristige Geldmarktpapiere gemeint - von 31,3 Milliarden Dollar Ende des vergangenen Jahres auf 34,7 Milliarden Dollar.
Renditen zu gering oder zu hohes Risiko
Wenn dieses Geld in Anleihen investiert wäre, würde es derzeit eine Rendite von etwa 0,9 Prozent einbringen. So kümmerlich diese Rendite auf den ersten Blick auch aussehen mag, sie hat doch einige andere Anlagealternativen deutlich übertroffen. Die Aktienkurse sind im bisherigen Jahresverlauf gefallen. Das aggregierte Kurs-Gewinn-Verhältnis des Standard & Poor's 500-Aktienindex bleibt mit mehr als 20, basierend auf den Gewinnen der vergangenen zwölf Monate, deutlich über den üblicherweise als gute Kaufgelegenheit anzusehenden Werten. Die entsprechende Dividendenrendite beträgt spärliche 1,7 Prozent.
Und Anleihen? Nun, da die gestiegenen Zinssätze die Anleihekurse nach unten gedrückt haben, mußten alle von Bloomberg beobachteten offenen Rentenfonds seit Jahresbeginn 2004 bis zur Mitte der vergangenen Woche einen durchschnittlichen Verlust von 1,7 Prozent verbuchen. Etwa genauso hohe Einbußen dürften noch bevorstehen.
Negative Erfahrungen mit Währungsgeschäften - Rohstoffe zu volatil
Für eine Fallstudie über die Unberechenbarkeit bei Rohstoffpreisen sollten unbedingt die Kursveränderungen bei Silber Berücksichtigung finden: Nach einem Anstieg von sechs Dollar auf 8,50 Dollar je Unze Anfang 2004 folgte ein Preisverfall auf 5,50 Dollar je Unze. Der Kurschart für Silber gleicht dem, was ein befreundeter Bergsteiger als einen „Screamer“ oder einen sehr, sehr langen Fall bezeichnen würde.
Mit Währungsgeschäften hat Berkshire Hathaway zu Beginn des zweiten Quartals keine guten Erfahrungen gemacht und bei einer Wette gegen den Dollar rund 600 Millionen Dollar verloren. So steht es zumindest in einer Pflichtmitteilung, die bei der amerikanischen Börsenaufsicht regelmäßig eingereicht werden muß.
Die Pessimisten weit und breit warnen Investoren, daß in den kommenden Jahren bei keiner Anlageklasse von großartigen Renditen ausgegangen werden könne. Für unbeirrbare Schatzsucher wie Warren Buffett hingegen würde ein heftiger Bärenmarkt wieder weitaus bessere Marktchancen schaffen. Aber das wäre definitiv der härtere Weg, um diese zu finden.
Positive Aussichten durch kräftiges Wirtschaftswachstum
Die glücklichere Alternative würde darin bestehen, daß die Wirtschaft ein kräftiges und anhaltendes Wachstum genießen darf, so daß die Unternehmensgewinne in die Höhe getrieben und dadurch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse geschmälert werden.
Ein üppiges Wachstum und eine anhaltend niedrige Inflationsrate könnten sich schließlich auch auf Anleihen positiv auswirken. Vielleicht würden die Renditen moderat nach oben klettern, ohne allzu große Schäden anzurichten. Außerdem kommt eine starke Wirtschaft den meisten Emittenten risikoreicher Anleihen zu Gute.
In Anbetracht der immensen Kräfte der globalen Wirtschaftsmaschinerie liegt dies alles im Bereich des Möglichen. Der Traum wird aber wahrscheinlich eher nicht in Erfüllung gehen, es sei denn bei der Wirtschaftspolitik und den politischen Entwicklungen würden plötzlich weltweit eine Menge Dinge richtig laufen.
Beste Anlagestrategie zurzeit: Diversifikation nach Buffett und abwarten
Alles in allem blicken Buffett und der Rest von uns unsicheren Zeiten entgegen. Während wir abwarten, wie die Karten gemischt werden, wäre es für zur Vorsicht neigende Investoren, die sich gerade fragen, wie sie ihre finanziellen Mittel verteilen sollen, nicht das schlechteste, sich das Berkshire Hathaway-Portfolio als Beispiel zu nehmen.
Neben den 35 Prozent, die in bar gehortet werden, zeigt der Quartalsreport des Unternehmens, daß rund 36 Prozent des Kapitals in Aktien, 25 Prozent in Anleihen und die geringe verbleibende Restsumme in „andere“ Vermögensanlagen investiert sind. Das nenne ich Diversifikation, wie sie im Lehrbuch geschrieben steht.
Selbst für den klügsten Fondsmanager heißt gut zu investieren offensichtlich mehr, als nur großartige Marktchancen aufzuspüren. Sehr oft ist es entscheidend, was man tut, während man eigentlich darauf wartet, daß sich einem bessere Chance eröffnen.
Text: Bloomberg
Quelle:http://www.faz.net