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Rußland
Am Hin und Her der Yukos-Affäre läßt sich viel Geld verdienen
10. August 2004 Das Muster ist immer dasselbe: Gute Nachrichten bringen der Yukos-Aktie Kursgewinne von 15 bis 20 Prozent, schlechte einen vergleichbar deutlichen Absturz. Hohe Millionenbeträge werden so auf dem Kurszettel geschaffen und wieder vernichtet.
Wer zur rechten Zeit kauft oder verkauft, kann viel Geld verdienen. Doch das kann nur, wer weiß, was passieren wird. Immer mehr Analysten und Beobachter glauben, daß es Gruppen mit guten Drähten zum Kreml, dem Finanzministerium oder den Steuerbehörden gibt, die mit Insiderwissen an der Börse ein großes Rad drehen.
Spekulationen schießen ins Kraut
Die Wirrungen der Yukos-Affäre „sind ein Spiel, um die zu bereichern, die privilegierte Informationen besitzen, die Lobbyarbeit für diese oder jene Entscheidung betreiben und im Voraus wissen, ob man Anteile verkaufen oder kaufen muß“, sagt Politikexperte Wladimir Pribylowski vom Moskauer Institut Panorama. „Dutzende Leute, die nahe an der Macht sind, haben dank dieses Spiels ihre Vermögen binnen weniger Wochen verdoppelt oder verdreifacht, wobei eine Teilnahme der Justiz nicht auszuschließen ist.“
Solche Spekulationen über Krisengewinnler um die vom Staat verlangten Yukos-Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe schießen seit vergangener Woche ins Kraut. Am Mittwoch abend nach Börsenschluß hatte der seit Monaten vom Bankrott bedrohte Konzern verkündet, wieder Zugriff auf seine eingefrorenen Konten zu haben. Dabei berief er sich auf ein Schreiben eines Gerichtsvollziehers. Yukos schien fürs Erste aus dem Schlimmsten heraus, am Donnerstag ging der Kurs des Unternehmens erwartungsgemäß steil nach oben. Dann die Kehrtwende: Am Nachmittag erklärte das Finanzministerium, das Schreiben habe auf einem Fehler eines Beamten beruht, und annullierte es. Die Folge: Kurseinbruch.
Turbulentes Hin und Her bei der Nachrichtenlage
Am Freitag wieder Nachrichten: Ein Schiedsgericht erklärte am Abend die Zwangsvollstreckung bei Yuganskneftegas, der wichtigsten Produktionstochter des Ölkonzerns, für unrechtmäßig. Am Montag gewann die Yukos-Aktie daraufhin 17 Prozent. Dann war wieder das Finanzministerium am Zuge: Es teilte am Abend mit, die Zwangsvollstreckung bei Yuganskneftegas werde ungeachtet der Gerichtsentscheidung fortgesetzt - und die Yukos-Aktie ging am Dienstag wieder in den Keller.
Kuriosum am Rande: Die Zeitung „Iswestija“ hatte das praktisch vorhergesagt, als sie am Montag titelte: „Die Funktionäre haben mit ihren Ankündigungen Geld verdient“, und daneben schrieb: „Und heute werden sie es wieder tun. „ Eines ist klar: Eine transparente Informationspolitik in der Yukos-Affäre gibt es nicht. „Widersprüchliche Nachrichten tauchen urplötzlich auf und lassen die Märkte Walzer tanzen“, sagt Christopher Weafer, Analyst bei der russischen Alfa-Bank. „Es ist unmöglich geworden, die Ereignisse zu analysieren, weil klare Signale fehlen.“
Tatsächlich halten sich die zuständigen Stellen mit offiziellen Erklärungen zum Fortgang des Verfahrens äußerst bedeckt. Das frustriere die Händler und lasse sie glauben, „daß diese Marktzuckungen durch Bürokraten organisiert werden“, sagt Weaver. Es sei von außen aber kaum festzustellen, ob die widersprüchlichen Informationen aus den Amtsstuben „Folge einfacher Schlamperei“ seien oder „vorsätzlich“ in die Welt gesetzt würden.
Es fehlt an Gesetzen, die Insiderhandel unterbinden
Auch über die Börse lassen sich mögliche Übeltäter nicht festnageln. Es sei äußerst schwierig nachzuvollziehen, wer auf dem russischen Markt kaufe und verkaufe, sagt Alfa-Bank-Händler Kirill Surikow. „Weder der Markt noch die Aufsichtsbehörden sind auf diese Art von Ereignissen vorbereitet.“ Und „Iswestija“ kritisiert: „Es gibt zurzeit in Rußland kein Gesetz, das Staatsdiener daran hindert, aus Insiderinformationen persönlichen Profit zu schlagen.“