Staatsanleihen
Langlaufende Staatsanleihen sind nichts für Privatanleger
10. Februar 2006 Erstmals seit mehr als vier Jahren haben die Vereinigten Staaten am Donnerstag wieder langlaufende Staatsanleihen versteigert. Die Auktion der Papiere mit 30 Jahren Laufzeit mit einem Volumen von 14 Milliarden Dollar stieß indes auf gemischte Nachfrage.
Während ausländische Investoren beherzt zugriffen, hielten sich die inländischen Bieter dagegen eher zurück. Sie finden die Papier einfach zu teuer. Die Bonds kamen mit einer Emissionsrendite von 4,53 Prozent auf den Markt - das bedeutet mit die niedrigste Rendite überhaupt in dieser Laufzeitkategorie.
Inverse Zinsstruktur - kein Problem?!
Viele Marktteilnehmer rechneten mit einer Rendite von zehn Basispunkten unter der im Moment noch laufenden letzten dreißigjährigen Anleihe aus früheren Zeiten, die derzeit mit etwa 4,66 Prozent rentiert. Doch die 4,53 Prozent liegen unter der Rendite der zehnjährigen Anleihen von etwa 4,57 Prozent und der von zweijährigen Schatzanweisungen, die 4,66 Prozent bieten.
Damit ist die Zinskurve noch flacher geworden als ursprünglich erwartet und zeigt sich mit einem deutlich inversen Bild. Gemeinhin gilt eine Umkehr der Zinskurve als Vorbote eine Rezession, weil sie es in der Vergangenheit immer gewesen ist. Doch die Analysten bemühten sich schon im Vorfeld um Schadensbegrenzung und erklärten die Situation für eine andere. „Die Lage ist durch die hohe Liquidität verzerrt”, sagte Commerzbank-Analyst Christoph Balz der Nachrichtenagentur Reuters. Auch HVB-Rentenexpertin Kornelius Purps wiegelt ab: „Eine leichte Inversion ist nicht unbedingt ein Rezessionssignal.”
Dabei ist die Gemengelage um die Emission eher dazu angetan, rezessive Signale zu senden. Denn als wichtigste Gründe für die Neuauflage des einstigen Klassikers der amerikanische Kreditmärkte nennen die meisten Experten vor allem die hohen Defizite der Vereinigten Staaten im Haushalt und in der Leistungsbilanz. In erster Linie haben die Kriege in Afghanistan und im Irak enorme Summen verschlungen.
Pensionsfonds zum Kaufen gezwungen
Ende Oktober 2001 hatte die seinerzeit gerade neun Monate amtierende Regierung von George W. Bush angekündigt, das Geld der Anleger nicht mehr zu benötigen. „Wir brauchen den dreißigjährigen Bond weder zur Finanzierung des laufenden Finanzbedarfs der Regierung, noch für den der kommenden Jahre”, hatte der damalige Staatssekretär im amerikanischen Finanzministerium, Peter Fisher, den Verzicht auf den Klassiker erklärt.
Anfang dieser Woche - fast viereinhalb Jahre später - beziffert die Bush-Regierung das Defizit auf mehr als 400 Milliarden Dollar. Zur Erinnerung: Als Bush Anfang 2001 die Regierungsgeschäfte von Bill Clinton übernahm, wiesen die Vereinigten Staaten noch einen Haushaltsüberschuß von 237 Milliarden Dollar auf.
„Wir sind mit der Auktion zufrieden”, sagte Schatzamtssprecherin Brookly McLaughlin zu Journalisten. Dafür haben die Regierungen selbst gesorgt. Denn der schlechte Preis der Papiere ist das Resultat einer starken Nachfrage der Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften nach langfristigen Staatsanleihen, sagen Analysten.
Und die müssen kaufen. Aufgrund neuer Vorschriften von Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern in einigen Ländern wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten, aber auch Großbritannien und den Niederlanden müssen Pensionsfonds ihre Aktiva und Passiva besser in Übereinstimmung bringen. Das bedeutete vor allem, daß sie Langläufer kaufen müssen. Honny soit qui mal y pense.
„Fehlallokation in epischem Ausmaß”
Im vergangenen Jahr haben Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Italien ebenfalls Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren oder mehr begeben. Mexiko und Rußland planen, ebenfalls mit Langläufern auf den Markt zu kommen.
Und die Katze beißt sich auch noch in den eigenen Schwanz, sagt Adair Turner, Vorsitzender der britischen Pensionsfondsbehörde. Denn die Pensionsfonds müssen Langläufer kaufen, um die Pensionszahlungen für die immer stärker alternde Bevölkerung bilanziell auszugleichen. Doch durch die Nachfrage bei relativ geringem Angebot sinken die Erträge der Papiere. Und so brauchen die Fonds weitere Langläufer. Das erklärt unter anderem auch die Popularität und den Erfolg von Hybrid-Anleihen aus dem Unternehmenssektor.
Internationale Analysten äußern sich darüber teilweise entsetzt: „Die gegenwärtigen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen führen zu einer Fehlallokation von Finanzressourcen in epischem Ausmaß”, sagte Patrick Perret-Green, Chefstratege bei Mizuho Capital Markets der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Bei diesen Laufzeiten und diesen Risiken ist es absurd, daß die Renditen so niedrig sind.”
Hohes Tilgungsrisiko
Denn wer weiß schon, welche Inflationsrisiken drohen? Man überlege: Zwischen 1918 und 1948 gab es zum Beispiel in Deutschland drei Währungsreformen. Zwar gab es seitdem keine Reform mehr - doch heißt das nichts für die Zeit bis 2036 oder gar bis 2055 wie in Großbritannien. Und Kriegsschulden haben Staaten noch nie gern bezahlt - es sei denn sie konnten das Geld anderen Staaten per Reparationsleistungen wegnehmen. Bei den heutigen Kriegen in Afghanistan und dem Irak zahlt aber der Sieger.
Britische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren bis 50 Jahren seien „massiv überbewertet”, erklärt Gareth Fielding von Rothschild Asset Management. Außerdem fehle ihnen ein adäquater Puffer gegen eine steigende Inflation, fügt er hinzu.
Die Rendite der mit 4,25 Prozent verzinsten britischen Anleihe mit Fälligkeit Dezember 2055 fiel im Januar auf 3,55 Prozent, den niedrigsten Wert seitdem Großbritannien im Mai 2005 wieder fünfzigjährige Anleihen einführte. Die Rendite dreißigjähriger Gilts sank vergangenen Monat auf den niedrigsten Stand seit 1954.
Unsolides Finanzgebaren
Angesichts dieser Situation rieten zum Beispiel die Strategen von Lehman Brothers ihren Kunden vom Kauf der neuen Dreißigjährigen ab. Für Privatanleger gelten die langlaufenden Bonds aufgrund ihrer langen Laufzeit ohnehin als viel zu riskant. Man bedenke, daß 2007 die Bonds fällig werden, die die Regierung Carter im Jahr der Schleyer-Entführung begeben hat.
Alles in allem scheint an dieser Stelle eine gigantische Schuldenmaschinerie zu laufen, indem der Staat zur Deckung seines kurzfristigen Finanzbedarfs dem Alterssicherungssystem Geld entzieht, von dem eigentlich nicht klar ist, wie er es am Laufzeitende zurückzahlen will, wenn die Pensionsfonds die Renten auszahlen müssen und einen höheren Liquiditätsbedarf haben als noch heute.
Eigentlich läßt sich das nur auf zwei Wegen finanzieren: Entweder die Fonds kürzen „aufgrund des demographischen Wandels” während der Laufzeit der Papiere die Auszahlungsleistungen. Oder aber es werden entsprechende Sondersteuern erhoben, vielleicht einfach um die Schieflage eines Pensionsfonds im Jahr 2040 zu finanzieren. Dieses Finanzgebaren alleine ist um so mehr ein Grund, die Finger von langlaufenden Staatsanleihen zu lassen.